Dorfmoderation in der Bergstadt?

Erste Informationsveranstaltung im alten Rathaus stößt mit rund 50 Besuchern auf großes Interesse

Fachbereichsleiter Stephan Mantel von der Gemeinde Bad Grund und Bergstadt-Bürgermeister Manfred von Daak begrüßten die Gäste zur Veranstaltung. Unterstützt wurden sie von Regina Meyer, Referatsleiterin beim Landkreis Göttingen, und von Annette Altmann, Dorfmoderatorin aus Eisdorf.

Bad Grund. Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte sich im Kreishaus Göttingen eine Projektgruppe unter dem bezeichnenden Namen „Dorf ist nicht gleich Dorf“ zusammengefunden. Was schon Ende 2016 als Pilotprojekt begann, trat mit dieser Zusammenkunft sozusagen in die Hauptphase ein, die bis 2020 laufen und vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert und begleitet wird. Mit dabei waren die Vertreterinnen und Vertreter der vier südniedersächsischen Landkreise Göttingen, Goslar, Holzminden und Northeim, die das Modellvorhaben auch ins Leben gerufen haben, sowie Repräsentanten von Land Niedersachsen, Hochschulen und Bildungsträgern.

Ihr gemeinsames Ziel ist ebenso klar formuliert wie ambitioniert: den Folgen des demografischen Wandels in den Dörfern beziehungsweise peripheren und strukturschwachen Regionen entgegenwirken. Herausforderungen hier sind bekanntlich Einwohnerschwund, Leerstand, Verfall, Einschränkungen in der Daseins-Vorsorge, Überalterung und allgemeiner Attraktivitätsverlust. Positiv ausgedrückt geht es darum, die vielen vorteilhaften Aspekte des Lebens im dörflichen Raum in den Mittelpunkt zu rücken: Naturnähe, Ruhe, Tradition, reges Vereinsleben, hilfsbereite Nachbarn und – ganz wichtig – die gute (Dorf-)Gemeinschaft.

Um zunächst einmal Erfahrungen zu sammeln und festzustellen, wie sich ländliche Regionen als Wohn- und Wirtschaftsraum auch zukünftig attraktiv gestalten lassen, wurden in den genannten Landkreisen insgesamt 16 Pilotdörfer ausgewählt, darunter auch Eisdorf in der Gemeinde Bad Grund. Als eine Art Handbuch für die künftige Arbeit wurde in diesem Zuge die Pilotstudie „Potenziale und Herausforderungen dörflicher Entwicklungsprozesse“ erarbeitet und vor gut einem Jahr vorgelegt. Für das 223 Werk zeichnen das Soziologische Forschungsinstitut (SOFI) an der  Georg-August-Universität Göttingen und die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst verantwortlich.

Um auszuloten, ob das Thema „Dorfmoderation“ auch etwas für die Bergstadt Bad Grund sein und diese voranbringen könne, hatten jetzt Stephan Mantel, Fachbereichsleiter Familie und Soziales, für die Gemeinde Bad Grund, und Bürgermeister Manfred von Daak für den Ortsrat zu einer ersten Informationsveranstaltung in das alte Rathaus eingeladen. Die Resonanz war beachtlich und überraschte selbst die Initiatoren. Rund 50 Bürgerinnen und Bürger hatten sich eingefunden, um mehr zu erfahren. „Diese Veranstaltung sollte ein Art Stimmungsbarometer sein; und das große Interesse zeigt ja, dass auch die Einwohner Handlungsbedarf dafür sehen, gemeinsam anzupacken und Bad Grund lebenswerter und attraktiver zu gestalten“, erklärte Stephan Mantel im Gespräch mit dem „Beobachter“.  

Einmal abgesehen davon tat der Umstand sicher ein Übriges, dass viele mit dem Begriff „Dorfmoderation“ zunächst einmal nichts anfangen können. Um das zu ändern, war als kompetenter Gast an diesem Abend Regina Meyer vor Ort, Leiterin des Referats Demografie und Sozialplanung beim Landkreis Göttingen. Auch wenn es zunächst banal klang: „Das Potenzial für positive strukturelle Veränderungen liegt immer im eigenen Ort“, war ihr bei der Vorstellung des Projektes wichtig zu betonen. Die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung seien nun einmal in jedem Dorf verschieden. Es gelte daher, prägende Faktoren der Dorfentwicklung herauszuarbeiten und Methoden für eine darauf abgestimmte erfolgreiche Moderation von Dorfprozessen zu entwickeln.

Um eine aktive Dorfstruktur weiter zu erhalten oder auch neu zu beleben wurde das Modell der Dorfmoderation entwickelt. Die Qualifikation zum Dorfmoderator soll Menschen dazu befähigen, notwendige Dorfprozesse und Menschen mit Ideen im Dorf zu unterstützen und dabei bestehende Strukturen zu berücksichtigen. Und so richtet sich die Maßnahme zum einen an Akteure, die bereits politisch oder in Vereinen tätig sind, aber eben auch an Menschen, die darüber hinaus für ihr Dorf oder die Gemeinde engagiert sein wollen. Dorfmoderation bietet den Bewohnerinnen und Bewohnern Unterstützung: Die Beteiligten werden aktiv in den Entwicklungsprozess ihres Dorfes mit einbezogen. Sie können ihre Zukunft und ihre Lebensqualität selbst in die Hand nehmen, es öffnen sich neue Gestaltungsspielräume, Kreativität und Experimentierfreude werden geweckt.

Wie das in der Praxis aussehen und funktionieren kann, das machte an diesem Abend Annette Altmann – neben Ortsbürgermeisterin Petra Pinnecke und Jürgen Zuchowski eine von drei Dorfmoderatoren aus Eisdorf – deutlich. Sie gab einen positiven Erlebnisbericht aus ihrer Tätigkeit der vergangenen Monate und auch bezüglich der Konzeptentwicklung. Da galt es zunächst einmal, sich als Dorfmoderation beispielsweise bei Jahreshauptversammlungen vorzustellen oder bei Veranstaltungen Präsenz zu zeigen. Daneben nimmt die modulare Aus- und Fortbildung durch den Landkreis in Form von Wochenend-Seminaren sowie das Netzwerken mit anderen Dorfmoderatoren breiten Raum ein.

Annette Altmann berichtete von der ersten eigenen Dorfmoderationsveranstaltung im Januar in Form eines „Neujahrspicknicks“ mit buntem Buffet, Jahresrückblick und Sportlehrung, an die Teilnahme am Wettbewerb „Unser Dorf fährt elektrisch“, anlässlich derer sogar der neue Verein „Mobiles Eisdorf e. V.“ ins Leben gerufen wurde, und auch an die rundum gelungene Dorfmarkt-Premiere. „Wenn man als Vorbild vorangeht und etwas in Bewegung bringt, dann holt man viele weitere engagierte Leute mit ins Boot – überraschenderweise zuweilen auch solche, an die vorher niemand gedacht hat“, fasste Annette Altmann ihre bisherigen positiven Erfahrungen zusammen.  

Bei der sich anschließenden Diskussionsrunde wurde klar, dass sich die Situation in Eisdorf sicher nicht mit der in Bad Grund vergleichen lässt – daher auch der Projekttitel „Dorf ist nicht gleich Dorf“. Die Strukturen sind eben andere. Aber das sich gemeinsam einiges bewegen lässt, an vorderster Stelle beispielsweise am Erscheinungsbild der Bergstadt, da waren sich wohl alle einig.

Einig waren sich die Anwesenden auch, es nicht bei dieser Initiativveranstaltung belassen zu wollen. Wie Stephan Mantel abschließend erklärte,  soll schon im November zu einer weiteren Veranstaltung eingeladen werden; dann gerne auch im größeren Rahmen.kno