„Gittelde im Grunde“ – ein geschichtlicher Irrtum!

Die Bergstadt Bad Grund war zu keiner Zeit ein Ortsteil vom Flecken Gittelde

Historische Aufnahme der St.-Antonius-Kirche Bad Grund.

Bad Grund/Gittelde. n vielen Reisebeschreibungen und historischen Aufzeichnungen ist immer wieder zu lesen, dass die Bergstadt Bad Grund in alten Zeiten mit der Ortsbezeichnung „Gittelde im Grunde“ ein Ortsteil des Fleckens Gittelde gewesen sei. Auch im Geschichtsbewusstsein der Einwohner beider Orte ist diese Bezeichnung fest verankert. Dieser Name war sogar als neuer Ortsname im Zusammenhang mit der Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde im Gespräch. Aber diese Ortsbezeichnung ist ein geschichtlicher Irrtum, der durch die falsche Auslegung einer geografischen Bezeichnung im Laufe der Jahre entstanden ist.

„Grund“ war zu keiner Zeit ein Ortsteil vom Flecken Gittelde. Die Ursache dürfte zunächst die unmittelbare Nähe und die große Bedeutung des Fleckens Gittelde mit der Eisenfaktorei, den Eisenhütten und dem Eisensteinbergbau im nahen Iberg gewesen sein, in deren Schatten die kleine Bergarbeitersiedlung „Im Grunde“ stand. So wurde diese kleine Siedlung mit den im Laufe der Zeit geänderten Ortsnamen „Grunde“, „Grunt“, „Grundt“, „Im Grunde“ in alten Aufzeichnungen und Hinweisen oft mit dem Zusatz zur geografischen Nähe zu Gittelde und zum Iberg genannt, beispielsweise „die kleine Bergarbeitersiedlung unter dem Iberge bei Gittel im Grunde“, „bei Gittelte im grunde“ oder umgedreht „Im Grunde bei Gittel“. Durch andere Schreibweisen, Kürzungen und Änderungen wurde daraus „Gittelde im Grunde“ interpretiert und dann in die Geschichtsschreibung als Ortsteil von Gittelde übernommen.

Wäre diese Ortsbezeichnung fundiert, hätte sie nur bis Anfang des 16. Jahrhunderts Bestand gehabt, denn zu diesem Zeitpunkt wurde Grund eine Freie Bergstadt, erhielt die erste Bergfreiheit der Oberharzer Bergstädte, gehörte fortan zum „Kommunion Oberharz“ und schied aus dem Gericht und Amt Stauffenburg aus. Auch in alten Archivalien sind keine engen Verbindungen zwischen den beiden Orten zu finden.

In den Chroniken der bekannten Harzer Bergchronisten und in historischen Publikationen über Bergbaugeschichte, Kultur- und Landschaftsbilder sind nur die vorgenannten Ortsbezeichnungen in den verschiedenen Schreibweisen und Abweichungen vielfach zu lesen. Einmalige Schreibweisen „Gittelt im Grunde“ sind in den ersten Bergordnungen beziehungsweise -Freiheiten des Herzogs Heinrich des Jüngeren zu finden. Die Bergordnung von 1524 lautet „für die Bergwerke im Grunde bey Gittel gelegen und anderen umliegenden Gebirgen“. Die erste Bergfreiheit von 1532 wurde für „unsere Bergwerke in unserem Fürstentum an dem Iberge zu Gittelt im Grunde“ erlassen, im weiteren Wortlaut wird zweimal der Wochenmarkt „bei Gittelt im grunde“ genannt. Auch gibt es einen späteren herzoglichen Schriftwechsel, in dem „zu Gittel im grundt“ zu lesen ist. Spätere Ordnungen und Freiheiten nennen wiederum nur den Ort mit der Bezeichnung „Im Grunde“.

Dazu schreibt 1906 der bekannte Heimatforscher und Harz-Schriftsteller Friedrich Günther und weicht von seiner bisherigen Meinung ab: „dass diese zweimalige Namensnennung ‘zu Gittelt im grunde’ zu schwach ist, um daraus die Ortsbezeichnung ‘Gittelde im Grunde’ herzuleiten. Oder es ist zu ergänzen: ‘bei Gittelt und zwar im Grunde’ oder der Wochenmarkt findet nicht ‘bei’ sondern ‘in’ ‘Gittelt im Grunde’ statt.“
Anders verhält sich der Gittelder Heimatforscher Dr. Heinrich Uhde in seinem Werk „Gittelde am Harz – aus der älteren Geschichte eines Marktfleckens“. Dort schreibt er zur Entstehung der Bergstadt Grund: „.….zur Zeit des alten Mannes, so wird berichtet, lag hier lediglich das Haus eines Försters, und die spätere Ansiedlung entstand als Ortsteil ‘Gittelde im Grunde’“.

Von diesem „Ortsteil“ berichtet er noch mehrmals, auch in der Festschrift zur 1000-Jahrfeier von Gittelde. Leider wurden von ihm zu diesen Darstellungen keine Fundstellen dokumentiert.

Die erste urkundliche Erwähnung von Grund

Die Geschichtsschreibung von Bad Grund beginnt 1317 und 1322, als in alten Goslarer Urkunden der Forstmeister Reyneko de Fundo (lat. der Grund) und die Forstsiedlung „de Grund“ genannt werden. Nach dem Ortsnamensforscher Dr. Udolph steht „Grund“ nach norddeutschem Sprachgebrauch für „Talgrund“ oder „eine Niederung zwischen den Bergen“. So sind die Anfänge der späteren Bergstadt „Grund“ am Ende des tiefen und langen Grundner Tales zu finden, das sich westlich zum Harzvorland zum Amt Stauffenburg und zu den beiden großen Orten Gittelde und Osterode öffnet, zum eigentlichen Oberharz allerdings keine direkte Verkehrsanbindung hatte. Ein Kuriosum für eine Oberharzer Bergstadt.

Eine einzige bekannte Verbindung gab es nur in der Zeit von 1460 bis 1505 zwischen den beiden Kirchen St. Antonius zu Grund und St. Mauritius zu Gittelde. 1460 stiftete der vermögende Hüttenbesitzer Hans Streit der Bergarbeitersiedlung Grund die hölzerne St. Antoniuskapelle, die als Filialkirche der Gittelder St. Mauritiuskirche zugeordnet wurde (….ein Filial gen Gittel in St. Mauricii Kirchen gehoeret). Sie wurde an der Stelle gebaut, an der die heutige St. Antoniuskirche steht. Dazu schrieb Chronist Hardanus Hake, Pastor aus Wildemann, 1617 in seiner Bergchronik: „Dieser Streit hatte die alte Kirche, so sie von Holz gewesen, erbautet, er ist ein sehr reicher Mann gewesen“. Leider gab es bei der Betreuung der Grundner Gemeindeglieder und Ausrichtung von Gottesdiensten in der Kapellen-gemeinde immer wieder Ärger und Irrungen zwischen dem damaligen Gittelder Pastor Köler und der Grundner Bevölkerung. Der Pastor verweigerte sich, den weiten Fußweg nach Grund zu gehen, die Grundner Christen dagegen beschwerten sich, dass sie zum Gottesdienst in die St. Mauritiuskirche in Gittelde gehen sollten. Die Herzogin Elisabeth hatte ein Einsehen in dieser Situation und fühlte sich bewogen, die bisherige Kapellengemeinde (capellan sanci Anthonii in grunde…) 1505 zu einer eigenständigen (besonderen !!) Pfarrgemeinde zu ernennen. Die neue Pfarrkirche St. Antonius wurde von der Herzogin mit dem nötigen Pfarrvermögen belehnt. In den entsprechenden lateinischen Kirchenurkunden ist stets von „capellan sanci Anthonii in grunde“ die Rede.

Herzogin Elisabeth und ihr „liebes Grund“

Von ihrem Witwensitz, der Stauffenburg, bemühte sich Herzogin Elisabeth ab Ende des 15. Jahrhunderts sehr um den Neubeginn und Ausbau des Eisenstein- und Silberbergbaus am Iberge bei Bad Grund. Damit verbunden war auch eine Förderung des Hüttenwesens im Grundner Tal und in Gittelde. In Gittelde wurde eine Eisenfaktorei eingerichtet, die eine herausragende Stellung für den Handel und Verkauf von Eisenprodukten aus dem gesamten Harz hatte. Die Herzogin hatte bis zu ihrem Tode immer ein waches und stolzes Auge „auf ihr liebes Grund“ und gilt als die Förderin der Bergstadt „in dem Grunde“. Sie besuchte mehrere Male die kleine Bergstadt, um dort in der Eisenhütte Schwickershof warme Schlackebäder zu nehmen. Auch aus dieser Epoche liegen keine Erkenntnisse und Nachweise vor, die eine Zugehörigkeit der Bergarbeitersiedlung „Im Grunde“ als Ortsteil zum Flecken Gittelde herleiten.

Der Kurort Bad Grund

Die große Zeit als Kur- und Fremdenverkehrsort begann erst 1855, als der hiesige Gastwirt Wilhelm Römer, der Apotheker Karl Helmkampff und der Arzt Dr. Karl Brockmann aus Clausthal-Zellerfeld den örtlichen Kur- und Badebetrieb mit verschiedenen Anwendungen und Heilmitteln anboten. Der Zusatz „Bad“ wurde dem Ortsnamen später zunächst nur auf Initiative der Oberpostdirektion Braunschweig zugefügt, um Verwechslungen mit der gleichnamigen Gemeinde in Bayern auszuschließen. Diese offizielle Bezeichnung durfte erst ab 1916 geführt werden, als Bad Grund anerkannter Kurort wurde.

Die Harzer Sagenwelt

Auch in der Harzer Sagenwelt mit seinen Sagengestalten König Hübich, dem Harzer Bergmönch, Zwergen und anderen Gestalten ist die Ortsbezeichnung „Grunne“, „Grünne“ und „zum Grunde“ zu finden.red