15 lange Jahre, um den Krebs zu besiegen

Als ob die Diagnose Blutkrebs noch nicht reichte, musste Suse Olbrich noch weitere Erkrankungen überstehen

Ein starkes Team (von links): Schwester Heidemarie Neumann, Suse Olbrich und ihr Mann Carlo. Sie standen in der schweren Zeit zusammen.

Gittelde. Den Krebs besiegt. Eine sehr gute Nachricht. Diese hat allerdings 15 Jahre bis zu Suse Olbrich gebraucht. 15 Jahre, die haben der gebürtigen Gittelderin und auch ihrer Familie viel abverlangt. Zwischenzeitlich gab es sogar Phasen, in denen die Hoffnung auf ein Überleben nicht weiter weg hätte sein können.
Der Kampf ums Überleben begann im Jahr 2003. Schlapp und müde habe sich Suse Olbrich gefühlt, weswegen sie mehrere Ärzte um Rat fragte. Blutbilder wurden gemacht, aber kein Mediziner fand eine Ursache. Und trotzdem ging es ihr immer schlechter, sie wurde immer schwächer. Die gelernte Schneiderin hatte zu der Zeit eine Stelle bei den Harz-Weser-Werkstätten in Osterode und erhielt eines Tages dort einen dringenden Anruf. Sofort nach Hause und sofort ins Krankenhaus, sagte ihr Arzt.

Im Krankenhaus in Einbeck dann die Diagnose: Akute Lymphatische Leukämie. „Naja, Leukämie, das war früher eine schlimme Erkrankung, aber heute doch nicht mehr“, das waren die ersten Gedanken, die der heute 63-Jährigen damals durch den Kopf gingen. Es wurde Knochenmark entnommen und sie wurde nach Göttingen verlegt. Erst da sei ihr bewusst geworden, dass ihre spezielle Blutkrebs-Erkrankung eine der schlimmsten ist. Die Zeit wurde zum Gegner. Quasi sofort erfolgte eine Chemo-Therapie mit anschließender Bestrahlung, das Immunsystem wurde auf Null heruntergefahren. Und ein Stammzellen-Spender wurde dringend gesucht.

Da es in der deutschen Datenbank keinen passenden gab, organisierten ihr Mann Carlo und weitere Angehörige sowie Freunde Typisierungs-Maßnahmen in Süddeutschland, Dortmund, Seesen und auch in Gittelde. Die Reaktion darauf war groß, allein in das Schützenhaus in Gittelde waren damals mehr als 700 Personen gekommen. Doch die Ernüchterung erfolgte auch sogleich, es war kein passender Spender darunter.

Dabei ist zu erwähnen, dass jede Untersuchung einer Blutprobe bei der Typisierung Geld kostet. Rund 50 Euro, die aufgebracht werden mussten. Und dabei fand das Ehepaar Olbrich eine gute Seele in der Schwester von Suse, Heidemarie Neumann. Sie richtete ein separates Spendenkonto ein und hatte vorsichtshalber und zur Sicherheit für die untersuchenden Labore eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen. Die Suche wurde auf internationale Datenbanken ausgeweitet, bis in Spanien ein zu 100 Prozent passender gefunden wurde.

Allen sei dabei ein Stein vom Herzen gefallen, so Neumann, denn das Zeitfenster wurde immer knapper. Bei dieser Art Leukämie hat der Betroffene nur wenige Wochen Zeit, bevor gar nichts mehr geht. Der Hausarzt habe damals erklärt, dass diese Krebs-Art nicht im Vorfeld festzustellen sei. Diese sei sehr aggressiv und explodiere quasi über Nacht. In Suses Fall lag das Zeitfenster zwischen Mai und November. Spitz auf Knopf, wie man so sagt. Erleichterung stellte sich ein, als die Stammzellen zu greifen begannen. Eine Stammzellen-Übertragung, dazu gehörten in diesem Fall gerade einmal 180 Milliliter, ganz anders als man es sich vorstellt. „Und doch hat man das Gefühl, dass jeder Tropfen das Leben zurückbringt“, so Neumann. Doch die Familie sollte weiterhin enttäuscht werden.

Nachdem der Körper von Suse Olbrich die Stammzellen zunächst gut annahm, fing er bald an, sich dagegen zu wehren. Haut, Fingernägel, Fußsohlen verabschiedeten sich. „Mir tat jede Berührung weh, aber ich habe gekämpft. Ich wollte einfach noch nicht gehen“, so Suse. Zu der Zeit musste sie täglich 34 Tabletten einnehmen und teilweise auch über eine Sonde ernährt werden. Die Nieren wurden in Mitleidenschaft gezogen und es folgte ein Schlaganfall und die Versetzung in ein künstliches Koma. Anschließend gerann ihr Blut nicht mehr, und kam aus allen erdenklichen Körperöffnungen. Während all der Zeit verbrachte ihr Mann viel Zeit am Bett seiner Frau, teilweise auch nachts. Und dann gibt es auch immer noch Arbeitgeber, die den Ernst einer Lage nicht sehen oder nicht sehen wollen. Denn der gelernte Tischler verlor zu alldem auch noch seinen Job. „Das ist wie ein Schneeball, der rollt“, so Heidemarie Neumann.

Dann ein Hoffnungsschimmer, der behandelnde Professor in Göttingen sagte: „Ihre Frau ist wie eine Katze, sie hat neun Leben“, erzählt ihr Mann Carlo mit Tränen in den Augen. Aber auch dann ließ sie das Schicksal noch nicht in Ruhe. Knochenschmerzen und eine Viruserkrankung forderten Suse erneut heraus. Sie magerte ab bis auf gerade mal 34 Kilogramm. Mit jedem Winter erwartete Suse auch eine Lungenentzündung, die es zu überstehen galt. Und dann in diesem Jahr endlich die gute Nachricht: Das Immunsystem arbeitet wieder selbständig. Inzwischen braucht sie nur noch Cortison einzunehmen. „Jetzt bin ich es, der mehr Tabletten einnimmt“, so Carlo humorvoll, aber erleichtert. Wie eine Familie bezeichnet er auch das Pflegepersonal in der Göttinger Klinik. „Die Schwestern haben versucht, alles möglich zu machen. Und Schwester Maren war der ganz besondere Engel dort“.

Gerührt berichtet Carlo vom enormen Zusammenhalt im Dorf, dennoch habe man viele Freunde verloren. „Aber wir haben auch neue dazugewonnen“, so Suse Olbrich.hn