„Keine Verfolgung, sonst ist die blaue Bohne sicher“
Bankräuber von Gittelde müssen sich derzeit vor dem Landgericht Göttingen verantworten / Schon 1955 wurde in Gittelde eine Zweigstelle der Braunschweigischen Staatsbank überfallen
Gittelde. Anfang des Jahres werden sich wohl einige Menschen gefragt haben, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, eine kleine Zweigfiliale einer Bank zu überfallen und die vermutlich eher mickrig zu erwartende Beute dann auch noch durch drei teilen zu müssen. Denn damals sorgte ein Banküberfall im sonst eher beschaulichen Gittelde für Aufsehen.
Gegen 12.30 Uhr waren am 5. Januar kurz vor Schließung der Filiale in der Breiten Straße zwei maskierte Täter in die Bank gestürmt und hatten mit Pistolen bewaffnet die Herausgabe des Bargelds gefordert. Auch wenn für die Täter das Vorhaben, möglichst viel Geld zu erbeuten, scheiterte – aus technischen Gründen kann der Tresor zum Schutz vor Banküberfällen nicht durch Bankangestellte geöffnet werden – werden die damals anwesende Angestellte und die Kundin wohl noch sehr lange unter den traumatischen Folgen leiden. Schlussendlich konnten die Täter (60, 49 und 43 Jahre alt) mit Hartgeld im Wert von rund 2.300 Euro fliehen. Nach einer Verfolgungsjagd konnte zunächst der 60-Jährige bei Northeim und die beiden anderen Täter in Eisenach und Oldesloe verhaftet werden.
In einem Gespräch mit dem „Beobachter“ berichtet der Heimatchronist Bodo Biegling, dass es in Gittelde schon einmal einen Banküberfall gegeben habe, nämlich im Jahr 1955, damals noch auf einer Zweigstelle der Braunschweigischen Staatsbank in der Breiten Straße 52 gegenüber der heutigen Apotheke. Der Heimatchronist Otto Dörge hat diesen Vorfall in seinem Band „Die Ortsgeschichte von Gittelde ab 1900“ beschrieben. Der Bankraub ereignete sich am 22. November.
An dem Tag, so beschreibt es der Ortschronist, sei in Gittelde das Leben seinen gewohnten Gang gelaufen. Die abendliche Dämmerung sei angebrochen, sodass sich, begünstigt durch diesiges Regenwetter, sich niemand länger als notwendig in den Straßen und Gassen aufgehalten habe. Auch der stellvertretende Kassenleiter Bleicher, der in der Filiale der Braunschweigischen Staatsbank noch Dienst tat, wollte soeben Kassenschluss machen. Er befand sich allein im Zimmer, als sich plötzlich die Tür öffnete. Mit Entsetzen solle damals Bleicher in die Mündung eines Revolvers geblickt haben. Ihm gegenüber: ein junger Mann, etwa 25 Jahre alt, der zu der Herausgabe von 1.000 Mark aufforderte. „Machen Sie keine Geschichten, Sie haben doch sicher eine Familie“, soll ihm der Kassenleiter entgegengerufen haben, worauf die Antwort des Unbekannten fällt: „Sie doch sicher auch“. Nach Lage der Dinge sei Bleicher nichts anderes übriggeblieben, als die verlangten 1.000 DM auf den Tisch zu zahlen.
Der junge Mann habe das Geld eingesteckt und sei rückwärts der Tür zugegangen, die Pistole immer drohend auf den Kassenleiter gerichtet. Dann habe er noch eine Warnung abgegeben, vor vier Minuten keine Verfolgung zu unternehmen, weil sonst die „blaue Bohne“ sicher sei. Nicht weit entfernt habe ein hellgrauer Volkswagen gehalten, wie sich damals eine Frau erinnerte. Auf diesen steuerte der Bankräuber zu, stieg ein und fuhr mit dem Wagen davon.
Der Kassenleiter Bleicher habe nun Alarm geschlagen und als erstes sei der Polizeiposten in Gittelde erschienen. Die damals noch zuständige Kriminalpolizei Gandersheim wurde ebenfalls benachrichtigt. Auch ihre Vertreter trafen bald in Gittelde ein und ergriffen notwendige Maßnahmen. Nach ersten Verhören durch Augenzeugen stand die Beschreibung des Täters fest: Alter etwa 25 Jahre, Größe 1,70 Meter, dunkles Haar und auffallend blass. Er habe dunkle Halbschuhe, grau gemusterte Strümpfe, Manchesterhose und eine dunkle Jacke getragen. Längst war auch schon die Polizei in Seesen alarmiert worden. Von hier aus erfolgte der Großalarm, wenige Minuten nach dem Überfall in Gittelde.
Das Telefon sei nicht mehr zur Ruhe gekommen, so beschreibt es Dörge. Ein Netz von Funkstreifenwagen wurde auf den Ausfallstraßen zwischen Braunschweig, Seesen und Herzberg aufgebaut, dennoch konnte der Täter mit dem Volkswagen zu diesem Zeitpunkt nicht gefunden werden.
Doch nach drei Tagen sei der Bankräuber verhaftet worden. Wie sich herausstellte, war es ein 25-jähriger Tischlergeselle aus Düderode. In seinem Besitz wurden noch 444,82 DM vorgefunden und sichergestellt. Das restliche Geld soll er durchgebracht haben. Die Pistole sei weder in der Wohnung des Verhafteten noch im Mietwagen gefunden worden. Der Beschuldigte gab damals an, dass es sich um eine selbstgefertigte Holzpistole gehandelt habe, die er lackiert, poliert und nach der Tat im Küchenherd seiner Wohnung verbrannt habe.
Das spätere Urteil am 16. März 1956 lautete: Wegen räuberischer Erpressung unter Zubilligung mildernder Umstände auf drei Jahre Gefängnis. Der Staatsanwalt hatte vier Jahre Zuchthaus beantragt.
Das Gericht schloss sich aber andererseits der Ansicht des Staatsanwaltes an, dass den sich häufenden Überfällen auf Banken und Sparkassen nur durch exemplarische Freiheitsstrafen gegengesteuert werden könne.
Weiter schreibt der Ortschronist, dass „dieser Bruder“ zwar gefasst und verurteilt wurde, es aber doch eigenartig sei, dass kurz darauf wieder ein Einbruch an derselben Stelle versucht worden sei. Dieser geschah in der Nacht zum 29. Dezember. Von der Hofseite her habe ein Einbrecher versucht, das Mauerwerk zu durchbrechen. Als das nicht richtig gelang, wurde die Eingangstür gewaltsam geöffnet und alle Behältnisse durchwühlt, doch der Geldschrank trotzte den Anstrengungen, und so mussten der oder die Täter ohne Beute abziehen. „Doch nahmen sie ein funkelnagelneues Moped des Bundesbahn-Assistenten August Burgholte mit (Wert 650 DM)“, so Dröge. Die Täter seien nie gefasst worden.
Nicht so wie in dem jüngsten Überfall in Gittelde. Alle drei Verdächtigen wurden gefasst und im Juni begann der Prozess wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Göttingen. Inzwischen haben die Angestellte und die Kundin ausgesagt.hn