Ärger um Tanzgruppe beim MTV Bornum

Ein junges Mädchen mit Hörproblemen wollte zum Tanzen, wurde jedoch nicht aufgenommen – Diskriminierung oder nur viele Missverständnisse?

Tanzen werden Amelie Heinz (links) und Leonie Parschat wohl nur noch Zuhause, aber nicht gemeinsam in einer der Tanzgruppen des MTV Bornum.

Bornum. Diskriminierung einer jungen Hörgeschädigten oder nur eine Aneinanderreihung von Missverständnissen? Für Außenstehende ist es schwer nachvollziehbar, was da zwischen der Familie Parschat/Heinz und der Tanzgruppe des MTV Bornum vorgefallen ist. Klar ist – Gewinner gibt es in diesem Streit keine. Begonnen hat die Geschichte bereits im Sommer 2018.

Damals zog Timo Parschat aus Peine zu seiner neuen Lebensgefährtin Andrea Heinz nach Königsdahlum. Beide brachten mehrere Kinder mit in die Beziehung ein. Die zehnjährige Leonie Parschat ging bereits zuvor in Peine in eine Tanzschule, hatte dort an verschiedenen Kursen teilgenommen. Nun wollte sie in ihrer neuen Heimat ebenfalls tanzen. Auch, um Anschluss zu bekommen. Da traf es sich gut, dass ihre fast gleichaltrige Stiefschwester Amelie bereits in einer der Tanzgruppe des MTV Bornum mittanzte.

Nach den Sommerferien schrieb Heinz eine Nachricht an die Trainerin, dass Leonie sich das Training gerne einmal ansehen würde. Wenig später war es dann auch soweit. Die Schilderungen dieser ersten Begegnung gehen schon etwas auseinander. Leonie sei unruhig gewesen, wäre auch an einige persönliche Sachen gegangen und hätte nicht auf persönliche Ansprache reagiert, heißt es von Seiten der Trainerin. „Dass eine Zehnjährige nicht die ganze Zeit still sitzt, wenn sie gerne mittanzen würde, ist logisch. Das Ansprechen konnte sie wohl aufgrund ihrer Hörschädigung nicht hören“, sagt ihr Vater. Denn Leonie hat eine auditive Wahrnehmungsstörung. Vor allem, wenn viele Menschen in einem Raum sind, hat sie Probleme. Die Geräusche, die ins Ohr kommen, werden bei dieser Krankheit nicht richtig an das Gehirn weitergeleitet und „verschwimmen“ dadurch. In der Schule trägt das Kind daher eine FM-Anlage.

Der Lehrer oder andere Schüler sprechen dabei in ein Mikrofon, das Kind hat einen Empfänger im Ohr und kann dem Unterricht somit gut folgen.

Von dieser Erkrankung, so sagt es die Trainerin, hätte sie zu diesem Zeitpunkt noch nichts gewusst und auch nicht, dass es die Schwester Amelies ist. „Ich dachte, es wäre eine Freundin“, berichtet sie auf „Beobachter“-Anfrage. Sie schrieb eine Nachricht zurück, dass derzeit keine neuen Tänzer aufgenommen werden würden, da man mitten im Einstudieren einer Choreographie sei und es daher schwierig sei, Neuankömmlinge zu integrieren. Nach den Herbstferien könne man sich das noch einmal überlegen.

„Das haben wir akzeptiert und im Herbst noch einmal angefragt“, berichten Parschat und Heinz. Wieder wurde eine Aufnahme abgelehnt, da es sich um eine „dynamische Gruppe“ handele, die zudem groß sei. Es gäbe noch einige weitere Anfragen, im Sommer solle eine neue Gruppe eröffnet werden, dann könne man es wieder versuchen. „Leonie war dann schon immer traurig, wenn Amelie zum Training gegangen ist und hat die Wochen bis zum Sommer gezählt“, so ihr Vater.

Richtig los ging der Ärger dann, als es aufgrund geringer Zahlen in diesem Sommer doch keine neue Gruppe geben sollte und es von Seiten des Vereins dieselbe Antwort gab, wie schon zuvor: In eine bestehende Gruppe könne man nur schwer jemanden integrieren. Außerdem sei Leonie tanzunerfahren. „Das stimmt nicht. Sie hätte in der Gruppe locker mithalten können. Warum war es nicht möglich, dass sie zumindest einmal zum Test mittanzen kann? Wenn es dann nicht klappt, hätten wir das akzeptiert“, fragt Timo Parschat. Auch andere Eltern hätten das so gesehen, zumal die Tanzgruppe aufgrund einiger Abgänge inzwischen etwas geschrumpft sei. Man werde das noch einmal besprechen, hieß es darauf.

Und das wurde es auch, mit einer Abstimmung. „Ich finde es unmöglich, dass die Kinder einzeln und namentlich entscheiden sollten, ob ein neues Mitglied aufgenommen werden soll, oder nicht. Das grenzt schon fast an Mobbing“, sind Andrea Heinz und Timo Parschat empört über das Vorgehen. Leonie habe dies am nächsten Tag in der Schule erfahren, als ihre Mitschülerinnen davon erzählten. Die MTVer halten dagegen: „Es ging bei der Abstimmung gar nicht konkret um Leonie, sondern darum, ob überhaupt neue Tänzerinnen in die Gruppe aufgenommen werden sollen. Eine Mehrheit hat das abgelehnt.“

Daraufhin wandte sich die Familie an den MTV-Vorstand, der bei den Trainern nachfragte. Neben den anderen Gründen sei die Hörbehinderung auch ein Problem, Leonie dazu zu zappelig. Wenn sie gewusst hätten, dass Leonie ein Familienmitglied gewesen sei, hätte sie natürlich sofort dazukommen können, hieß es zudem. „Das war bekannt, warum hätten wir uns auch so intensiv für ein fremdes Kind einsetzen sollen?“, ärgert sich Parschat. Der Verweis auf die Hörprobleme sei zudem verfehlt, in anderen Vereinen sei dies überhaupt kein Problem und auch in dieser Gruppe habe es bereits Kinder mit Hörbehinderungen gegeben. Das Angebot zu einem gemeinsamen Gespräch nahm er trotzdem an. Dazu kam es jedoch auch nach mehreren Anläufen nicht, die Gründe dazu werden von beiden Seiten wiederum unterschiedlich dargestellt. „Ich musste mir zwischenzeitlich vorhalten lassen, dass ich zu dem Gespräch gekommen wäre, wenn ich mich für meine Tochter interessieren würde. So etwas muss ich mir nicht vorwerfen lassen“, ist der Königsdahlumer empört.

Inzwischen ist das Tischtuch soweit zerschnitten, dass es wohl nicht mehr zu einer Zusammenarbeit kommen wird. Im Januar wird nun zwar tatsächlich eine neue Tanzgruppe eröffnet, zu der nach Aussage des MTV auch Leonie eingeladen sei. Doch diese hat sich inzwischen anderen Vereinen angeschlossen, geht zum Reiten und Schwimmen. Auch ihre Stiefschwester Amelie geht seit einiger Zeit nicht mehr zum Tanzen. Die MTVer sagen, sie hätten sich gewünscht, dass eines der Elternteile mal persönlich zum Training vorbeigekommen und das Gespräch gesucht hätte. Über Handynachrichten seien solche Probleme schwer zu lösen. Persönlich hätte man nie Probleme miteinander gehabt, so betonen es beide Seiten. Umso trauriger, dass der ursprüngliche Wunsch des Kindes wohl nicht mehr in Erfüllung gehen wird.dh

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