Wie groß soll die Windkraftfläche werden?

Ortsräte werden derzeit zur Änderung des Flächennutzungsplans angehört / Mahlum stimmt für die Vorlage

In der schwarz umrandete Fläche sollen nach der zur Abstimmung stehenden Änderung des Flächennutzungsplans künftig Windräder stehen. Weiter nördlich (mit „G“ versehen) ist noch ein potenzielles neues Gewerbegebiet eingeplant, welches die Fläche für die Windkraft um rund zehn Prozent verkleinert.

Bockenem/Mahlum. Als vor zwei Jahrzehnten im Jahr 1998 die 21. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Bockenem mit dem Bau der maximal vier 70 Meter hohen Windkrafträder bei Ilde anstand, sollte diese Maßnahme nach dem Willen der Stadt und des Rates künftig weitere Windkraftanlagen im Stadtgebiet ausschließen. Nur hier bei Ilde könne künftig ein Windkraftgebiet entstehen, so hieß es damals. Diese Festlegung ist, wie man heute weiß, Schnee von vorgestern; denn es gelten mittlerweile neue Vorgaben und Rahmenbedingungen, nach denen der Windkraft auch in Niedersachsen mehr Raum gegeben werden muss. Die Neufassung der Regionalen Raumordnungsprogramme setzt diese Vorgaben um.

Was in diesem Zusammenhang die markante Beckenlandschaft des nordwestlichen Harzvorlands anbelangt, so gibt es unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen hier mittlerweile kaum eine für Windkraft geeignete Fläche mehr, die offiziell nicht ausgewiesen ist. Im historischen Ambergau ist es im unteren Teil der Windpark Holle/Sillium, im mittleren die Anlage bei Ilde/Evensen, ferner randlich die bei Ammenhausen und weiterhin die bei Bockenem/Bornum vorgesehene, schließlich im Oberen Ambergau die bei Bornhausen geplante, randlich die auf dem Heber. Eine durch und durch landschaftsprägende Konzentration von Windkraft also.

Im Gebiet der Stadt Bockenem läuft die Diskussion seit Jahren schon um das Areal zwischen Bockenem und Bornum beziehungsweise zwischen dem Königsturm und Ortshausen. Der Rat hatte sich 2013 klar und deutlich gegen diese Fläche ausgesprochen, weil er mit einer Ausweisung an dieser Stelle eine deutliche Beeinträchtigung des Landschaftsgebiets im Mittleren Ambergau sieht. Der Hildesheimer Kreistag hingegen, in welchem der peripher liegende Ambergau noch nie eine Lobby besessen hat, setzte sich über die Bockenemer Argumente hinweg und wies das besagte Gebiet 2016 in dem neuen Regionalen Raumordnungsplan aus.

Nun ist klar, dass die Stadt rechtlich verpflichtet ist, den Bau von Windkraftanlagen zuzulassen, allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in „substantiellem Umfang“, was im Flächennutzungsplan zu geschehen hat. Zur Größenordnung dieses „substantiellen Umfangs“ hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg 2008 entschieden, dass der Anteil der Konzentrationsfläche eines Gemeindegebiets für Windkraft im Verhältnis zu seiner Gesamtfläche bei 0,51 bis 0,60 Prozent liegen dürfe. Diese Festlegung hatte der Bockenemer Stadtrat im letzten Herbst zum Anlass genommen, auf eine Reduzierung der Ausweisungsfläche Bockenem/Bornum zu drängen, zumal auch die Bürgerinitiative „Keine Windräder im Ambergau“ eine solche Reduzierung mit Nachdruck gefordert hatte und zwar mit der Maßgabe, dass für Bockenem eine Gesamtfläche für Windkraft mit 59 Hektar ausreichend sei.

Ziehe man davon die Fläche bei Ilde ab, dann wäre zwischen Bockenem und Bornum nur eine Fläche von 36 Hektar festzuschreiben. Eine im Oktober 2017 stattgefundene Informationsveranstaltung mit großer Zuhörerschaft aus allen Ortschaften hatte eine derartige Reduzierung unterstützt.
Tatsächlich ist dieser Forderung inzwischen teilweise Genüge dadurch getan worden, dass in einer Neufassung des Flächennutzungsplanentwurfs vom 3. Januar 2018 eine künftige weitere Gewerbefläche im Bereich zwischen der Bundesstraße und dem Autobahnzubringer, also südlich desselben, ausgewiesen wurde, die es mit Blick auf die für Windkraft geltenden Abstände ermöglicht, die bislang im Planentwurf vom 15. August 2017 ausgewiesene Windkraftfläche zwischen Bockenem und Bornum um 8,29 Hektar von 75,42 auf 67,13 Hektar zu reduzieren.

Nun liegt den Bockenemer Mandatsträgern inzwischen die Drucksache 149/2017 vor, mit der die anstehende 31. Änderung des Flächennutzungsplans zur öffentlichen Auslegung kommen soll, welche in Sachen Windenergie ein Hannoversches Ingenieurbüro erarbeitet hat. Bevor der Rat diese Auslegung beschließt, sind die Ortsräte zu hören, als erste die von Mahlum und Königsdahlum, danach der Ortsrat von Bockenem.

Der Mahlumer Ortsrat hat nun am Montagabend diesem Auslegungsentwurf ohne jede Aussprache und wahrscheinlich auch ohne das notwendig vorhandene Hintergrundwissen einstimmig zugestimmt. Zuvor hatte der anwesende Bauamtsleiter Bernd Arndt lediglich die Mitteilung gemacht, dass die Verwaltung inzwischen davon ausgehe, dass mit dieser Reduzierung von 8,29 Hektar den Wünschen aus der Öffentlichkeit nun in „substantieller“ Weise Genüge getan sei.

Was jedoch diese anstehende Drucksache 149/2017 und die bevorstehende Auslegung der 31. Flächennutzungsplanänderung derzeit so brisant macht, ist die Tatsache, dass die Stadt Bockenem einen überdurchschnittlich hohen Anteil von 0,83 Prozent der Stadtfläche für Windkraft ausweisen würde. Im Vergleich: Landkreisweit beträgt der Anteil 0,54 Prozent. Gegenüber der im Oktober letzten Jahres geforderten Reduzierung sind das nur 0,07 Prozent weniger. Im Änderungsbereich Bockenem/Bornum sind mit dem 3. Januar 2018 nun 67,13 Hektar für Windenergie ausgewiesen statt 75,42 Hektar am 15. August 2017.
Summa summarum ergibt sich nach Seite 50 des Flächennutzungsplanentwurfs aufgrund diverser Kriterien darüber hinaus aber eine Windkraftpotentialfläche von vier Prozent des Stadtgebiets, welche potentiell für die Nutzung von Windenergie bleibt und welche der Abwägung im Rahmen der sogenannten weichen Kriterien unterliegen kann.

Fazit des Ganzen ist, dass die Stadt Bockenem sich unter den gegebenen Bedingungen bereit erklärt hat, neben dem Standort Ilde den bei Bockenem/Bornum auszuweisen, bei dieser Festlegung jedoch die Bereitschaft zeigt, einen deutlich höheren Flächenanteil für Windkraft bereitzustellen, als sie dazu "substantiell" verpflichtet wäre. Man wird zu diesem Sachverhalt nun vielleicht bei der kommenden Ratssitzung etwas erfahren können, wenn dann der Auslegungsbeschluss anstehen wird.

Wie auf Anfrage sich jetzt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jörg Philipps äußerte, habe man sich mit der Vorgehensweise bezüglich der Drucksache 149 noch nicht abschließend beraten. Man werde sich auf der nächsten Fraktionssitzung mit diesem Thema befassen. Die Gruppe UWG/Grüne wird der Vorlage nicht zustimmen. Sie trage nicht annähernd den Interessen der Bevölkerung, der Avifauna und dem am 17. Oktober 2017 ergangenen Ratsbeschluss Rechnung, heißt es in einer Antwort vom Gruppenvorsitzenden Ambrosius Gaschler auf „Beobachter“-Anfrage.red

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