Absolut verrückt und doch so liebenswert

Die „Addams Family“ auf der Dombühne / Die Rezension von Tina Fibiger

Schräg, schräger, Addams: im Familienporträt von links Grandma (Sven Olaf Denkinger), Onkel Fester (Fehmi Göklü), Morticia (Miriam Schwan), Wednesday (Florentine Kühne), Lurch (Jan Kämmerer), Gomez (Lucas Baier) und Nesthäkchen Pugsley (Stephan Luethy).

Bad Gandersheim. Was heißt schon normal? Der Addams Family kann das ziemlich egal sein, ob Andere sie für seltsam, skurril oder sogar völlig verrückt halten. So wie sie leben, leben sie einfach gern. Mit ihrer Sammlung von Folterrequisiten, einer Oma, die ihre Hexerei ganz fröhlich kultiviert und mit zwei Kindern, die auch an der Streckbank ihren Spaß haben. Doch jetzt hat sich Wednesday (Florentine Kühn) nicht nur in den bürgerlich braven Lucas Beineke (Jan Rogler) verliebt. Sie wünscht sich auch noch ein Treffen mit dessen Familie, wo sich alle mal normal verhalten. Ihre Mutter hält das für ziemlich vermessen. „Normal ist eine Illusion, Liebling“. Damit kann Morticia Addams (Miriam Schwan) ihre Tochter natürlich nicht besänftigen. Jetzt geraten die Verhältnisse auf der Dombühne erst recht aus dem Ruder.

Über die Spielfläche huschen ein paar ramponierte Geister und verschwinden sogleich hinter dem Vorhang. So ist das halt mit den Ahnen der „Addams Family“, die diese „Musical Comedy“ unterhaltsam aufmuntern. Sie sehen zwar ziemlich zerlumpt aus. Aber dafür verstehen sie sich auf einen exzellenten Sound für ihre Nachfahren, die sich jetzt auf einen geselligen Abend mit Gästen einstimmen, die genau wie sie ein bisschen gewöhnungsbedürftig sind.

Wenn Bandleaderin Patricia Martin mal eben mit Pfeil und Bogen abgeschossen wird und das beliebte eiskalte Händchen seinen ersten Auftritt hat, ist noch alles in schönster Ordnung. Nämlich schräg, albern, absonderlich und gern auch ein bisschen morbid. Erst recht, wenn jetzt der dienende Hausgeist „Lurch“ in Erscheinung tritt, den Jan Kämmerer in feinster Frankensteinmanier vorführt.

Die Zuschauer sind schon jetzt quietschvergnügt und nicht nur die Fans dieses ungewöhnlichen Familienclans, der sich um normale Verhältnisse so wenig schert. Achim Lenz lässt in seiner Inszenierung auch keine Chance aus, dass die Stimmung so bleibt und der Spaßfaktor ständig ins Rotieren kommt. Sein Schauspielteam darf nach Herzenslust in allen Rollen übertreiben, albern sein, exzentrisch und auch mal hoch pathetisch. So wie es die turbulente Lage der Ereignisse gerade verlangt und die Tatsache, dass es sich bei den Addams um hinreißend schräge Vögel handelt, die Clanchef Gomez Addams (Lucas Baier) mit all seinem Latin Lover Charme halt nicht immer bändigen kann.

Sohn Pugsley (Stephan Luethy) lauert bereits auf eine Gelegenheit, die Giftküche von Grandma (Sven Olaf Denkinger) zu plündern, weil die erwarteten Gäste schon bald eine kleine, feine Horrorshow erwartet.

Die sind auf ihre Weise nicht weniger schräg als die Gastgeber, zu denen sich in der gemeinsamen Tischrunde auch Onkel Fester (Fehmi Göklü) gesellt, den nicht nur die Liebe des jungen Paares entzückt sondern auch seine Sehnsucht nach dem Mond.

Susanna Panzner und Guido Kleineindam bilden Alice und Mal Beineke ein schön schauriges Dreamteam, wie sie ihre biedere Lebensform kultivieren und auch den gemeinsamen Alltagsfrust. Gewöhnungsbedürftig ist das schon, in einem Familienalbum mit Motiven von zweiköpfigen Verwandten zu blättern oder die formidable Technik eines Folterstuhls vorgeführt zu bekommen.

Bis dann das Wahrheitsspiel nach dem Dessert all das zu Tage fördert, was unter den konventionellen Zwänglichkeiten fast erstickt wäre. Der jugendliche Leichtsinn und die Leidenschaft von früher, um sich den Verhältnissen nur ja nicht anzupassen. Das genau hat ja auch das junge Paar im Sinn, das sich nun mit Pfeil und Bogen und verbundenen Augen einen spektakulären Liebesbeweis erkämpft.

Auf die Erkenntnis, dass Verrücktsein unterbewertet wird, können sich jetzt beide Familien verständigen, so dass einem happy end nichts mehr im Wege steht. Jetzt ist auch ein Tanz der Skelette fällig und für Onkel Fester werden jetzt sogar die Raketen gezündet, damit er flugs zu seiner Mondliebe findet.
Die glücklichen Brauteltern können endlich die Katakomben von Paris bereisen und die glücklichen Zuschauer feiern einen Abend, an dem so herrlich über die so genannten normalen Verhältnisse gespottet und gelästert wird und dass sie sich wunderbar sabotieren lassen.

Achim Lenz und sein Ensemble führen ihnen vor, wie das geht. Mit viel Fantasie, Spielwitz und einem kleinen Augenzwinkern. Was heißt das schon, wenn jemand skurril, seltsam, komisch und seltsam anmutet. Lockt da nicht auch die belebende und vergnügliche Wirkung, die jetzt einfach mal beflügelt, sich nicht ständig an der Realität zu orientieren und wenigstens ab und an lieber ein bisschen verrückt zu sein.red