Am Wochenende endet unwiederbringlich die lange Ära der Ratsapotheke

Eine der ältesten Apotheken Niedersachsens schließt für immer / im alten Gebäude keine Lösung für Fortbestand zu finden

In Abwicklung: Apotheker Dr. Peter Rudolf-Schwanz und sein Team bringen nur noch diese Woche hinter sich, dann ist das schöne, alte Ambiente der Ratsapotheke Geschichte. Es bleibt aber im Besitz des letzten Betreibers und wird eingelagert.

In drei Jahren wäre das Jubiläum vollendet gewesen: die Ratsapotheke Bad Gandersheim hätte 2022 im Jahr der Landesgartenschau ihr 450-jähriges Jubiläum feiern können. Doch dazu wird es leider nicht mehr kommen. Die nun 447 Jahre währende Ära der ältesten Apotheke Bad Gandersheims – und noch dazu einer der ältesten in Niedersachsen – endet am kommenden Sonnabend um 9 Uhr nach Beendigung eines letzten Notdienstes in der Nacht von Freitag auf Sonnabend. Danach schließt die Ratsapotheke endgültig ihre Pforten.

Bad Gandersheim. So bedauerlich und überraschend für viele dieser Vorgang sein mag, so unausweichlich war er letztlich für den Besitzer, Dr. Peter Rudolf-Schwanz. Er hatte die Traditionsapotheke an der Stiftsfreiheit in den 2000er Anfang 2001 Jahren übernommen und seither geführt. Haus und Apotheke waren Eigentum der früheren Apothekerin, Frau Friese, die bis zu ihrem Tode im vergangenen Jahr die obere Etage des Hauses bewohnte.

Nach dem Tod der Eigentümerin hatte die Apotheke ein weiteres Jahr Bestandsschutz. In dieser Zeit bemühte sich Besitzer Dr. Rudolf-Schwanz, mit der Erbengemeinschaft eine Übereinkunft für die Fortführung der Apotheke zu finden. Die Erben leben nicht vor Ort oder in der Nähe, sondern sind in der Nähe Hamburgs beheimatet, die Verhandlungen gestalteten sich nicht nur dadurch zum Teil sehr schwierig.

Vor allem, so Dr. Rudolf-Schwanz, sei es zu keinen Übereinkünften in der Frage von Umbauten oder Modernisierungen gekommen. Zwar bezieht die Ratsapotheke als alte Traditionsapotheke ihren besonderen Reiz auch aus der historischen Kulisse, muss aber andererseits natürlich als Apotheke auch modernen Ansprüchen genügen. Dazu gab es sogar beim Vorgänger von Dr. Rudolf-Schwanz, dem Apotheker Stolzenwald, bereits Pläne für Umbauten. Doch auch schon damals scheiterten diese am Widerstand der Eigentümerin und des Denkmalschutzes. Dr. Rudolf-Schwanz hatte auch den Kauf des gesamten Gebäudes in Betracht gezogen, eine Einigung über einen angemessenen Preis kam leider nicht zustande.

Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude weist seit langem Beschädigungen und einen hohen Sanierungsbedarf auf. Entsprechend hohe Investitionen wären nach einem Kauf nötig gewesen.

Erst im Januar gab es in der leer stehenden Wohnung im ersten Stock einen Wasserrohrbruch, der dazu führte, dass nach Wasseraustritt in einem Arbeitsraum der Apotheke im hinteren Bereich Teile der Decke herabstürzten. Es entstand nicht unerheblicher Sachschaden, behoben sind die Bauschäden bis heute nicht.

Vor gut einem halben Jahr musste sich Dr. Peter Rudolf- Schwanz dann vorsichtshalber bereits zu dem Schritt durchringen, seinen Angestellten unter dem Vorbehalt, dass vielleicht doch noch eine Lösung gefunden würde, zum April dieses Jahres zu kündigen. Bis vor wenigen Wochen bestand noch Hoffnung, dass die Kündigung nicht wirksam werden würde. Im März zerschlug sich diese Hoffnung, und der endgültige Schlusstermin wurde mit dem Freitag, 12. April, zum Geschäftsschluss Fakt.

Es klingt schon fast ein wenig wie Ironie, dass sich für Apotheker Dr. Peter Rudolf-Schwanz dann noch eine Nacht mit Notdienst anschließt, die am Sonnabend Morgen um 9 Uhr dann die Geschichte der Ratsapotheke unwiederbringlich beendet. Vor dem Hintergrund des seit Jahren anhaltenden Apothekensterbens in Deutschland wäre es nichts verwunderlich gewesen, wenn in Bad Gandersheim die bei drei Apotheken bestehende Überversorgung durch Schließung einer Apotheke „bereinigt“ worden wäre.

Es ist allerdings gerade nicht die wirtschaftliche Situation, die den Besitzer nun zu diesem Schritt zwingt. Das ist umso bedauerlicher, da mit der Schließung die Zukunft des traditionsreichen Hauses an der Stiftsfreiheit ein weiteres Stück unsicherer geworden ist. Fest steht, eine neue Apotheke kann und wird an dieser Stelle nie wieder eröffnen. Ebenso sicher ist, dass vor einer Umnutzung des Hauses eine teure Sanierung notwendig sein wird.

Die Erbengemeinschaft hat in den Gesprächen signalisiert, dass sie selbst eher an einem Verkauf des Hauses interessiert wäre, als eine neue Nutzung dafür zu finden. Wie schwierig das in Bad Gandersheim derzeit ist, zeigen zahlreiche andere Objekte. So ist die Befürchtung nicht unbegründet, dass möglicherweise an zentraler Stelle ein weiteres Objekt baldigen Verfall preisgegeben ist.

Für die Kunden der Ratsapotheke bedeutet die bevorstehende Schließung natürlich eine Umorientierung. Die beiden übrig bleibenden Apotheken sind aber in der Lage, die nun zu ihnen umgeleiteten Kundenströme aufzunehmen und alle Anfragen zufriedenzustellen. Wohin für die Angestellten und den Besitzer der Ratsapotheke die Wege nach dem 12. April führen werden, konnte in dieser Woche noch keiner der Betroffenen mit Sicherheit sagen.

Da die Ratsapotheke über eine eminent lange Geschichte verfügt, die gut dokumentiert ist, und über die der letzte Betreiber Doktor Peter Rudolf- Schwanz vor einigen Jahren im Museum sogar einen Vortrag gehalten hat, wird das Gandersheimer Kreisblatt in einer weiteren Ausgabe diese Geschichte angesichts der Schließung noch einmal zum Anlass für einen Rückblick auf nunmehr eine verloren gegangene Traditionsapotheke nehmen.rah