Amokgerücht legt Schwächen offen

Kommunikation der Schulleitung untereinander in der Kritik / Aufarbeitung vielfach gefordert

Bad Gandersheim. Nachdem sich die Aufregung über die Polizeiaktion am Freitagmorgen zur Verhinderung eines eventuellen Amoklaufes ein wenig gelegt hat, erlaubt dies einen Blick auf das, was zunächst nicht so sehr im Vordergrund stand, aber dennoch rasch eine große Zahl Betroffener in sozialen Netzwerken, möglicherweise aber auch direkt gegenüber der Schule ihren Unmut loswerden ließ. Es kristallisierte sich bald eine deutliche Kritik an der sehr unterschiedlich gehandhabten Informationspolitik der Schulleitungen heraus, die ganz offensichtlich auch noch einiges an Nacharbeit erfordert.

Zur Erinnerung: Die Polizei war am Freitagmorgen auf Bitten der Leitung der Oberschule tätig geworden, weil am Donnerstag Gerüchte über einen eventuell geplanten Amoklauf an eben dieser Schule von Fahrschülern im Bus aufgeschnappt worden waren. Sie sollen von Schülern des Gymnasiums weitergegeben worden sein.

Am Gymnasium selbst hatte es rund eineinhalb Wochen davor tatsächlich einen – nur intern beziehungsweise im Zusammenwirken mit der Polzei behandelten – Vorgang gegeben, wo eine Schülerin konkrete Drohungen gegen Mitschüler in sozialen Netzwerken ausgesprochen haben soll. Die daraus abgeleitete Gefahr eines Amoks war aber bereits als nichtexistent ermittelt worden, die Schülerin ist seither suspendiert.

Mit hoher Sicherheit hat sich das dort entstandene Gerücht eines am Gymnasium geplanten Amoks verselbständigt und wurde nun im Schülerbus auf die Oberschule übertragen, die ihrerseits Vorsicht walten ließ und am Donnerstag nicht nur die Polizei konsultierte und mit dieser Maßnahmen absprach, sondern auch die Eltern noch abends über die mögliche Bedrohung sowie die getroffenen Gegenmaßnahmen informierte.

Der Polizeieinsatz indes fand am Freitagmorgen nicht nur am Schulzentrum für die Oberschule statt, sondern ebenso am Gymnasium, der Grundschule und vorsorglich auch dem Kindergarten „Kunterbunt“ am Ende des Schulzentrums-Geländes. Eltern von Grundschülern und die der Gymnasial-Schüler aber waren nicht informiert worden – und das löste Reaktionen von großer Sorge bis Wut aus.

Unter den ersten Meldungen des Gandersheimer Kreisblattes am Freitagmorgen zu dem Polizeieinsatz (wobei zu dem Zeitpunkt bereits vermeldet werden konnte, dass es offenbar keine konkrete Bedrohung gebe) reichten die Kommentare von „schön, dass man sowas bei der Arbeit erfahren muss und die Kinder in der Schule sind“ bis hin zu großer Enttäuschung gegenüber der Schulleitung, die nach Ansicht der Kommentatoren bei ihnen das Vertrauen verspielt habe.
Schulleiter Kilian Müller, der am Freitagmorgen verständlicherwqeise kaum telefonisch erreichbar war – so auch nicht für das GK – meldete sich im Laufe des späteren Vormittags dann bei allen Eltern mit einer E-Mail. In dieser hieß es, dass nach Erkenntnissen und Einschätzung der Polizei zu keiner Zeit eine Gefahrenlage bestanden habe. Auf eine umfassende Vorabinformation von Schülern und Eltern sei daher verzichtet worden. Auch das vermochte indes Kritiker nicht verstummen zu lassen.

Lob sprachen demhingegen die Eltern der Oberschüler der Schulleitung für die sachliche Information aus. Diese, so Schulelternratsvorsitzende Bianca Augustin-Köhler, sei angemessen gewesen und habe keinerlei Panik ausgelöst, zumal den Eltern freigestellt war, ihre Kinder daheim zu behalten.

Augustin-Köhler brachte dann aber auf den Punkt, was auch viele Eltern von Gymnasialschülern kiritisiert hatten: Es sei Fakt, hieß es da weiter, dass in der Sache, die möglicher Auslöser des Gerüchtes war, keine Kommunikation zwischen Gymnasium und Oberschule stattgefunden habe. Es sei daher eine klarzumachen, dass zwischen allen Schulformen bei schwerwiegenden Problemen ein Austausch von den Eltern nicht nur gewünscht, sondern klar gefordert werde. Mobbing, Mobbing-Gerüchte und Mobbing-Opfer müssten sehr ernst genommen werden. Zudem wünsche man sich, dass der betroffenen Schülerin nun keine Brandmarkung entgegenschlage, sondern ihr professionelle Unterstützung an die Seite gestellt werde.

An dieser Stelle wendet sich dann auch wieder der Blick auf den eigentlichen Auslöser all dessen. Der drehte sich um eine Schülerin, von der bekannt geworden war, dass sie eine Art „Todesliste“ erstellt haben soll, auf der sie Opfer notierte, die sie bei einer Amoktat umbringen wollte. Die Liste sei publik geworden, die Polizei war eingeschaltet, die Schülerin ist wie gesagt zur Zeit suspendiert.

Im Dunkeln bleibt bei all dem, wie es überhaupt erst soweit kommen konnte. Ob es vorab Anzeichen für ein Mobbing und tatsächlich nachweisliches Mobbing gegeben hat. Ob die Schule reagieren musste und es gegebenfalls getan hat. Das soll, so hatte es am Freitag die Presseprecherin des Regionalen Landesamtes ja gesagt, soweit möglich aufgearbeitet werden.

Wünschen würden sich das ohne Zweifel auch viele Eltern. In den Kommentaren zu dem Vorfall wurde eines nämlich auch immer wieder angesprochen und deutlich: Die Oberschule sei beim Thema Mobbing deutlich weiter als andere Schulformen. Die dort geleistete Präventionsarbeit sei erkennbar und wirke auch. Demhingegen werde im Gymnasium gerade beim Thema Mobbing oftmals nicht hinreichend sensibel reagiert und manches zu schnell auf das jugendliche Alter geschoben, so Elternkommentare. Ob dem so ist, dazu bietet der aktuelle Fall vielleicht besten Anlass, es einmal aufzuarbeiten.rah