Kritik von Jens Witzke

Bist du ein Addams?

Dies ist wohl die Kernfrage bei dem Comedy-Musical „Die Addams Family“, welches am vergangenen Freitag seine Premiere bei den 60. Gandersheimer Domfestspielen feierte. Was ist schon normal? Sind anders erscheinende unnormal, nur weil sie sich im Denken, Handeln und ihren Interessen von der Allgemeinheit abheben? Diese Fragen werden in dem großartigen Spaß mit sehr viel Witz und Augenzwinkern beantwortet, wenn die skurrilen Addams auf die Spießigen Beineckes trifft. Anlass ist das bekannt machen der Eltern, da sich die beiden Kinder dieser so unterschiedlichen Familien in einander verliebt haben. Regisseur/Intendant Achim Lenz beweist einmal mehr, dass er es bestens versteht das richtige Ensemble zusammen zu stellen und ein hervorragendes Theaterstück zu inszenieren. In dem von Sandra Becker geschmackvollen und passend erstellten Bühnenbild und den authentischen Kostümen fühlt man sich sofort bei den Addams zuhause. Das Stück beginnt mit einem Lachen auf dem Gesicht und diese Haltung behalten die Gesichtsmuskeln bis zum Schluss bei.

Bad Gandersheim. Lucas Baier demonstriert mit seinem komödiantischen Talent als Familienoberhaupt Gomez Addams seine Vielseitigkeit, nachdem er bereits im vergangenen Jahr als Tony Manero brillierte. Ihm zur Seite spielt Miriam Schwan überzeugend seine Gattin Morticia, die genau weiß an welchen Schrauben sie bei Ihrem Mann drehen muss um ihren Willen durch zu setzen. In dem wunderbaren Zusammenspiel der beiden merkt man ganz schnell, das die „sonderbaren“ Addams, nichts anderes sind als eine ganz normale Familie. Er versucht sich stets als Held und Macher dar zu stellen und möchte es allen Recht machen. Doch wenn die holde Gattin ruft, befolgt er artig ihre Anweisungen.

Dass Komik garantiert ist, wenn Männer Frauenrollen spielen, wissen wir spätestens seit Charlys Tante und Mrs. Doubtfire. Sven Olaf Denkinger füllt als Grandma diese Fußstapfen bestens aus. Fehmi Göklü hat schon in den unterschiedlichsten Rollen bewiesen, warum man ihn sich jedes Jahr aufs Neue auf der Bühne wünscht. Sein Onkel Fester reiht sich nahtlos in seine exzellenten Performances ein. Sein liebenswerter Charakter „begleitet“ die Zuschauer auch nach Ende des Stückes, wenn sie die Tribüne verlassen. Lassen Sie sich einfach überraschen.

Jan Kämmerer füllt die Rolle des wortkargen Butlers Lurch mit viel Liebe zum Detail. Oft im Hintergrund agierend, aber trotzdem immer irgendwie im Mittelpunkt. Nach seiner großartigen Darstellung des „Peter Pan“ schafft es Stephan Luethy, als masochistisch veranlagter Junior Pugsley Addams, ebenfalls die Herzen der Zuschauer zu gewinnen. Seine Schwester Wednesday Addams wird sehr überzeugend von Florentine Kühne dargestellt. Es war für sie bestimmt nicht leicht, in einigen Szenen den mürrischen Gesichtsausdruck zu behalten, wenn sich die Zuschauer vor Lachen nicht mehr einkriegten.

Es ist ihre Geschichte vom Mädchen, welchem Lachen, Freude und Emotionen völlig fremd waren und das auf einmal dieses Kribbeln verspürt, wenn man sich zum ersten Mal verliebt, um die das Musical aufgebaut ist. Sie verliebt sich in den schüchternen, anfangs ängstlichen Lucas Beinecke wundervoll gespielt von Jan Rogler. Ihm zur Seite stehen seine Eltern Alice Beinecke, herrlich Susanna Panzner, als leicht verklemmte Mutter, in welcher lodernder Vulkan brodelt und, endlich wieder einmal auf der Domfestspielbühne, Guido Kleineidam als spießiger Vater Mal Beinecke, der nur noch an Ansehen und Finanzen denken kann. Selbstverständlich sind auch das „eiskalte Händchen“ und Cousin Itt in dem Musical vertreten.

Es wäre unfair einen der Akteure in diesem Stück hervor zu heben, denn alle Akteure spielen auf einem Level und sorgen so für eine fabelhafte Inszenierung. Die Schauspieler überzeugen durch ihre Darstellung, Tanz und ihrem Gesang. Begleitet von der bestens aufgelegten Festspielband unter der Leitung von Patricia Martin. Welche in diesem Stück übrigens ein Besonderes Entree bekommt. So wurde eine Band noch nie bei den Domfestspielen eingeführt. Für die Choreographie zeichnet sich, wie in den vergangenen Jahren erneut Marc Bollmeyer verantwortlich. Auch für die Addams Family hat er sich eine abwechslungsreiche und stimmige Choreographie einfallen lassen. Man darf jetzt schon auf die nächste Premiere gespannt sein. Nach dem überwältigen Erfolg von „Saturday Night Fever“ in der letzten Spielzeit, steht auch in diesem Jahr mit „Fame“ ein großes Tanzmusical auf dem Spielplan. Ich wünsche Marc Bollmeyer und seinem Team schon jetzt gute Endproben und ein „Toi Toi Toi“ für die Aufführung am Freitag.

Dem Premieren Publikum scheint es genauso gut gefallen zu haben. Der beste Beweis dafür war, dass sofort nach der Schlussszene alle Zuschauer aus ihren Sitzen sprangen und minutenlang Standing Ovation gaben. Selbst bei der Zugabe blieben alle stehen.

Lassen Sie sich also diese schrecklich nette Familie auf keinen Fall entgehen. Zwei Stunden voller Spaß und schwarzem Humor in denen man den Alltag einfach Alltag sein lassen kann.. Denn irgendwie sind wir doch alle etwas Addams.red