Corona-Grundwissen: „Da draußen geistert noch so mancher Unsinn durch die Gegend“

Aufklärung von einem Hausarzt im Brennpunkt des aktuellen Geschehens: Einfach an die Regeln halten ist das Beste

Dr. Peter Ruhnau (rechts) mit dem einen Teil seines Teams im auf die besonderen aktuellen Verhältnisse eingerichteten Empfangsraum der Praxis. Der zweite Teil des Teams arbeitet immer zu anderen Zeiten, damit kein Team das andere anstecken könnte.

Bad Gandersheim. Obwohl die Corona-Krise uns nun schon seit rund zwei Wochen in Atem hält, alle Fernseh- und Internetkanäle voll mit Informationen sind und das Thema längst auch das Regime über das Medium Zeitung übernommen hat, mangele es den Menschen auf der Straße immer noch an Informationen, wie sie sich am besten verhalten sollte, um gesund durch die Zeiten zu kommen. Oder das Richtige zu tun, falls es sie doch erwischt.

Der das sagt, hat täglich mit Patienten zu tun. Dr. Peter Ruhnau auch mit solchen, die als Corona-Verdachtsfälle gelten: Er ist mit Vollschutzanzug und Atemmaske in der Lage, Abstriche zu machen und zur Testung einzuschicken. In einem separaten, nicht zur Praxis gehörenden Raum hat er das in den letzten zehn Tagen zwei- bis dreimal täglich getan. „Das kann ich meinen Patienten anbieten, weil ich über die entsprechende Schutzausrüstung verfüge. Das ist beim Hausarzt keinesfalls die Regel, weshalb es das bei den meisten Kollegen auch nicht gibt“, sagt der Mediziner, und ist damit schon mitten im Thema.

Was soll ich tun, wenn ich das Gefühl habe, es hat mich erwischt? Mich auf den Weg zu Hausarzt oder Ambulanz machen?

Nein! Auf gar keinen Fall, lautet die klare Absage Ruhnaus. Telefonieren die richtige Antwort. Zum Beispiel mit der allenthalben verbreiteten Nummer 116117. Dort hört man sich die Lage am anderen Ende des Hörers an und sagt dann, was als Nächstes passieren soll. In der Regel bei entsprechendem Ausmaß an Symptomen wird ein Abstrich organisiert. Bislang wurde das zum Beispiel mobil vorgenommen.

Seit Dienstag nun hat der Landkreis Northeim sein erstes stationäres Testzentrum bekommen. Es steht in Einbeck am PS.SPEICHER. Nach rund zwei Wochen der Planung mit der Suche nach einem geeigneten Platz scheint der nun gefunden, die Arbeit ist aufgenommen worden. Zwischen 14 und 18 Uhr täglich sollen dort ab jetzt zentral Abstriche bei Verdachtsfällen genommen werden.

Keiner, der verdächtige Symptome an sich verspürt, braucht sich aber nun in der Hoffnung auf den Weg zu machen, einfach bei Erscheinen einen Abstrich gemacht zu bekommen. „Sie würden sofort abgewiesen und zurückgeschickt, also gar nicht erst versuchen“, so Ruhnau zu den Modalitäten. Das Testzentrum funktioniere nur auf Zuweisung. Die wiederum nimmt der Hausarzt vor. Er kann nach Begutachtung des Patienten täglich ab 10 Uhr bis abends die Anmeldung vornehmen, für die es dann einen Termin zur Vorstellung gibt, zu dem man dann zum Einbecker Testzentrum fahren muss.

Testen nicht das Problem – die Auswertung ist der Flaschenhals

Im Zusammenhang mit den Tests räumt Dr. Ruhnau auch mit einem Missverständnis auf, das scheinbar in weiten Teilen der Bevölkerung vorliegt: Der Abstrich als solches erfordert keine besondere Ausstattung: „Das praktisch nur ein simples Wattestäbchen“, so Ruhnau. Das wird dann gut gesichert im Teströhrchen an ein Labor geschickt, wo die sogenannte PCR-Methode durch Vervielfältigung den Nachweis über das gefundene Erbgut des Virus führt.

„Die Labore sind der Flaschenhals. Wieviele Menschen wir tatsächlich testen können, hängt an den Kapazitäten der Auswertung. Meine Testes gehen nach Göttingen zu Amedis, dort werden rund 1.000 Tests am Tag durchgeführt. Davon dürften vielleicht ein Drittel im Moment Corona gegolten haben, ein weiteres Drittel der Grippe und der Rest zahlreichen weiteren Krankheitserregernachweisen. Innerhalb der 1.000 kann es nun nach Lage prozentuale Verschiebungen geben, aber eben nicht mehr als 1.000 Tests“, erklärt der Mediziner den Engpass.

Die Testungen aus dem Landkreis Northeim werden deshalb nicht ortsnah ausgewertet, sondern nach kalter Lagerung über Nacht am nächsten Tag in einem Labor in Dortmund. Dort waren noch Kapazitäten zu finden, die eben bundesweit einfach Grenzen haben. Binnen 24 bis 48 Stunden liegen dann die Ergebnisse vor.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn noch mehr Verdachtsfälle getestet werden könnten, aber das geht es aufgrund fehlender Kapazitäten nicht. Deshalb müsse es jüngere Patienten mit Coronaverdächtigen Symptomen nicht wundern, dass man ihnen den Test nicht anbiete. In den allermeisten Fällen sei ja keine lebensbedrohliche Gefahr zu erwarten.

Grundsätzlich abzulehnen sind andererseits ebenfalls erhältliche „Corona-Schnelltests“. Sie haben sich nicht als zuverlässig erwiesen und können so zu falschen Ergebnisse und Folgerungen führen.

Kriterien angepasst

Gerade in den letzten Tagen sind wieder Kriterien angepasst worden. Zum Beispiel für die Testung per Abstrich. Dieser sollte bislang für die Gruppen 1 und 2 bei Verdachtsfällen vorgenommen werden, die nach den Symptomen eine Erkrankung erwarten ließen. Weiter in allen Fällen, in denen bereits Verdacht oder Diagnose auf Lungenentzündung vorlag.

Seit Dienstag ist dies erweitert worden um die Gruppe 3: Beim Auftreten von Symptomen soll sofort ein Abstrich gemacht werden, wenn der Betroffene zu den Berufsgruppen Mediziner oder Pflegepersonal gehört oder im Krankenhaus tätig ist. Gleiches gilt für Menschen in sogenannten Risikogruppen.

Eine zweite Änderung hat es bei der Krankschreibung gegeben: Diese wird nunmehr gleich bei entsprechender Beurteilung auf 14 Tage ausgestellt. Die Ärzte seien angewiesen, dies großzügig zu handhaben, so Ruhnau.

Und noch ein paar Irrtümer...

Einem weiteren sich ausbreitenden Irrtum widersprach der Mediziner mit Hinweis auf die – aus seiner Sicht – Unsitte, sich mit Handschuhen von Ansteckung schützen zu wollen: „Wozu? Das Virus dringt nicht durch die Haut ein“, erklärt er. „Warum sollte ich deshalb versuchen, die Hand mit der engen Hülle drumrum zu schützen, es droht ihr keine Gefahr. Die entsteht doch erst dann, wenn die Hand zum Gesicht geführt wird. Mit oder ohne Handschuh, das ist völlig egal. Am besten abgewöhnen“.

Im Gegenteil könnten Handschuhe sogar kontraproduktiv sein, sagt der Arzt weiter. Die Hand schwitze darin. Feuchtigkeit weiche die Haut auf und mache damit auch die natürliche Barriere durchlässiger. Das könne eher zur Gefahr werden als ohne Handschuhe.

Auf die Handhygiene komme es daher am allermeisten an. Das Händewaschen mit Seife. Nicht einmal so sehr die fast zum Superschutz hochstilisierte Desinfektion: „Die braucht es eigentlich nur, wenn man sich sonst gerade die Hände mal nicht waschen kann“, sagt Ruhnau. Das sei ansonsten ausreichend lange und mit Seife durchgeführt komplett ausreichend.

Grundlegend natürlich: Einfach Abstand halten. Tröpfchen aus dem Mund des Gegenübers schaffen die zwei Meter in der Regel nicht, sie landen vorher auf dem Boden. Das genau klappe leider gerade in Einkaufsmärkten noch nicht so, wie es sein sollte. Immerhin sei zu beobachten, dass diese nun strengere Regelungen erlassen und auch die Durchsetzung überwachten.

Auch die Plexiglasschutzwände haben vielerorts schon Einzug gefunden, um zum Beispiel Kassiererinnen im nahen Kundenkontakt besser schützen zu können. Für die eigene Praxis natürlich auch unumgänglich, ob am Anmeldetresen zum Schutz der Arzthelferinnen einschließlich Anstandshalter vom Tresen oder auf dem Arzttisch im Behandlungszimmer selbst. Höchstmöglicher Schutz geht vor. Was nicht einmal aufwändig und teuer sein müsse, lacht Ruhnau. Die Lösung für die eigene Praxis hat man mit einfachen Mitteln selbst gebaut.

Letzte Frage: Angst vor dem Erkranken? Nein, sagt Dr. Ruhnau. Er, wie viele andere Mitmenschen könne ja nicht einmal wissen, ob man nicht vielleicht einen unbemerkten oder kaum von andere aktuellen Symptomen wie Heuschnupfen unterscheidbaren Krankheitsverlauf schon durchgemacht habe. Ein gesunder Durchschnittsmensch müsse sich darüber auch keine Gedanken machen, das passiere und gehe auch wieder.

Ruhnau geht dann auch davon aus, dass die 29 am Mittwoch bekannten Infizierten im Landkreis nur die alleroberste Spitze des Eisberges sind. Hinter sich gebracht haben eine Infektion vielleicht schon Hunderte oder gar über Tausende Einwohner im Landkreis, denn aufgrund der Verläufe wird die Dunkelziffer so lange eine sehr große bleiben, wie es keine flächendeckenden Tests geben wird. Womit vermutlich nie zu rechnen ist.

Eher schon mit die Virus-Ausbreitung dämpfenden Medikamenten oder einem Impfschutz noch in diesem Jahr. Da gebe es jetzt schon erfolgversprechende Ansätze und gute Fortschritte. Die wir alle nutzen können, wenn wir es unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen gesund bis dahin schaffen.rah