Das Musical „Fame“ auf der Dombühne

Wunderbar leidenschaftlich begeisterte das Ensemble / Rezension von Tina Fibiger

Im Mittelpunkt des turbulenten Geschehens stehen die Studenten der amerikanischen Musicalschule mit ihren Triumphen, Niederlagen, großen Karriereträumen und bitteren Enttäuschungen.

Bad Gandersheim. Das Herzklopfen hält an. Nach den ersten warm ups, wenn nun die Jury Schritte und Drehungen begutachtet, das dramatische Solo und den Sound der Stimme. Der erste Bewerbungstestlauf mag zaghaft schüchtern anmuten oder auch smart und vielleicht sogar ein bisschen provokant. Doch schon da ist schon so viel Herzblut im Spiel. Mit dem Musical „Fame“ in der Inszenierung von Marc Bollmeyer erobert das Ensemble sein Publikum unmittelbar, wunderbar leidenschaftlich und enthusiastisch. Für die zehn Newcomer an der New Yorker High School of Performing Arts“ geht es natürlich um Karrierewünsche und Erfolgsträume, aber auch um die Barrikaden, die dafür zu überwinden und zu überspielen sind.

Mit Fleiß und Disziplin allein ist es eben auch nicht getan. Schon gar nicht, wenn Gefühle dazwischen funken, die Lehrer mit Lob eher sparsam sind und sich zwischendurch auch immer wieder die Frage stellt, ob sich die ganze Mühe überhaupt lohnt. Schlomo (Hermann Bedke) würde liebend gern die Karrierepläne seines Vaters durchkreuzen und nicht als Geigenvirtuose enden.

Da beflügelt ihn die Band mit Grace (Selly Meier) und Goody (Lucas Janisch), erst recht wenn die ebenso umschwärmte wie ehrgeizige Carmen (Julia Waldmayer) ihm dafür so traumschöne Texte schreibt. Joe (Daniel Wagner) pokert immer wieder mit seinem Charme, während Mabel (Stefanie Köhm) ständig mit der Lust auf Pizza und Chips hadert und der falschen Gewichtsklasse für eine Laufbahn als Tänzerin. Nick (Lucas Baier) stürzt sich von Anfang an mit ganzer Leidenschaft in die klassischen Dramen- und Tragödienhelden und möchte jetzt nicht unbedingt von der schüchternen Serena (Sarah Wilken) angehimmelt werden. Nicht nur bei den Ballett- Etüden bekommt die coole Pose von Tyrone ( Dinipri Collins Etebu) von seiner Partnerin Iris (Claudia Artner) einige Dellen.

Sogar nach einer spontanen Performance, die selbst seine Lehrerin Miss Bell (Miriam Schwan) begeistert. Dazu pocht Miss Sherman (Susanna Panzner) bei allen Talenthoffnungen auch noch auf solide Bildung und nicht nur auf künstlerische Klasse weil ja keineswegs sicher ist, dass es nach der Ausbildung mit der Karriere einfach so klappt. Schauspiellehrer Mr. Myers (Sven Olaf Denkinger) und Musiklehrer Mr. Steinkopf (Guido Kleineidam) machen ebenfalls nur selten Mut.

Natürlich halten auch sie ihr Fach für das Wichtigste und verschanzen sich wachsam hinter Reclamheft und Bachnoten, wenn die Klasse mal wieder eigenwillige oder eben leichtsinnige Wege geht. Aber genau diese Eigenwilligkeiten sind es, mit denen die „Fame“-Träumer punkten, ob sie leichtsinnig sind und Hollywood Glamour spekulieren oder einfach nur naiv auf eine erfolgreiche Zukunft setzen. Ängste und Unsicherheiten machen die Runde, Frust und Erschöpfung. Aber sie machen auch die Erfahrung was es bedeutet, in einer Bühnenfigur etwas über sich selbst zu erfahren und wie viel Power eine klassische Melodie freisetzt, wenn sie einfach mal frech aufgepeppt wird.

Diesen Enthusiasmus mit allen Höhen und Tiefen teilen die Schauspieler, Tänzer und Sänger mit ihren Bühnenfiguren, wenn sie deren alltägliche Erfahrungen mit all den Sehnsüchten, Gefühlsstürmen und Irritationen auf der Dombühne zum Strahlen bringen. Regisseur Marc Bollmeyer hat sie darin auch in seinen Choreographien beflügelt.

Da begeistern nicht nur die präzisen Schrittkombinationen und die gewagten Hebefiguren, die Bollmeyer für das gesamte Ensemble arrangiert hat, sondern besonders die bewegenden Nahaufnahmen, wo Text, Musik und Choreographie die Geschichte jeder Figur so berührend lebensnah vertiefen. Zwei Schauplätze illustrieren die „Fame“ Kulisse.

Ein Ghettoblastergestell, auf dem sich wunderbar posieren und beobachten lässt, wenn es nicht gerade als Schließfach für Pizzavorräte und Bühnenoutfit gebraucht wird. Auf der wuchtigen Etagere an der linken Bühnenseite sind Buchrücken abgebildet und auch hier wirkt das Plateau wie ein Ort, um den Gang der Ereignisse im Blick zu haben. Sie bilden auf der gesamten Spielfläche szenische und choreographische Inseln für die vielen Episoden, in denen die jungen Talente auch mit ihren Niederlagen reifen und ihre Erfahrungswelt bereichern.

Tyrone wird sich mit seiner Lese- und Schreibschwäche arrangieren und mit Iris seinen Weg gehen, und Mabel hat einfach das Hauptfach gewechselt, um weiterhin Chips und Pizza genießen zu können. Dann erleben Nick und Serena mit Romeo und Julia ihre Traumbesetzung nicht nur als Traumpaar in schönster Romantik. Am Ende fehlt nur Carmen auf der Abschlussfeier. Ihr tödlicher Absturz in die Drogenszene und wird von Schlomo mit einer bewegenden musikalischen Widmung betrauert, der sich ihre Gefährten und Lehrer anschließen, um sich dann weiterhin Mut zu machen.

Für Karriereträume ebenso wie für kritische Beobachter, die vermutlich noch lange Selbstzweifel auslösen,, was den geforderten absoluten Einsatz angeht. Auch Grace, Goddy und Joe werden wohl weiter nach den Sternen greifen. Und die funkeln jetzt umso schöner auf der Dombühne mit dem „Fame“-Ensemble und dem musikalischen Team unter der Leitung von Ferdinand von Seebach, und werden von ihrem Publikum mit viel Beifall enthusiastisch gefeiert.red