Das „Weihnachtsmärchen“ von der reichen Stadt Bad Gandersheim

Oder: Wie aus „8,7 Millionen Guthaben“ mal eben nur noch eine Portokasse übrig blieb

Bad Gandersheim. Es wäre ja einfach zu schön gewesen – und so viele Probleme hätten sich flugs in Luft auflösen können. Das „Weihnachtsmärchen“ von der angeblich reichen Stadt Bad Gandersheim nahm in diesem Jahr seinen Anfang mit der Sitzung eines Finanzausschusses in der vergangenen Woche. Dort wird üblicherweise von der Verwaltung eine Aufstellung vorgelegt, in der die aktuelle Liquiditätslage der Stadt dargelegt wird.

Das Blatt bekam auch ein Nichtausschussmitglied in die Hand und – als gelernter Banker mit Zahlen bewandert – begann der Beobachter diese einfach mal zu addieren.

Und kam am Ende auf die stattliche Summe von rund 8,74 Millionen Euro. Die muss die Stadt auf der hohen Kante liegen haben, schlussfolgerte der Mann mit glänzenden Augen und setzte das „Weihnachtsmärchen“ von der Stadt „die im Geld schwimmt“ über seinen Internet-Blog in die Welt.

Dumm nur, dass er dabei einen – früher schon einmal begangenen – Rechenfehler eingebaut hatte: Er hatte sich beim Zusammenrechnen als „Liquidität“ Mittel angeeignet, die die Stadt keineswegs selbst auf dem Konto hat, sondern auf die sie per Haushaltsbeschluss im Notfall berechtigt wäre, zurückzugreifen. Sogenannte Kassenkredite, das „Schuldengift“ jedes Kommunalhaushaltes, an dem Bad Gandersheim schon einmal fast zugrunde gegangen wäre.

Allein rund drei Millionen Euro dieser Mittel verschwanden so im – von Stadtkämmererin Claudia Bastian in der Ratssitzung in letzter Woche noch einmal ausdrücklich dargelegten – Handstreich aus der „Reich-Rechnung“. Schwupps waren es nur noch rund 5,74 Millionen Euro, die der Stadt tatsächlich als eigene Mittel zur Verfügung stehen, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen. Auch das hört sich doch aber noch geradezu fantastisch an für eine Stadt, die nach außen immer um den letzten Heller zu kämpfen hat.

Doch die gedanklichen Fehler in der Rechnung gehen weiter: Von der genannten Restsumme gehören rund 2,2 Millionen den Stadtwerken. Die müssen damit ihren Betrieb im Bereich Wasserversorgung, Abwasser- und Niederschlagswasserentsorgung sowie Bauhof und Grünbetrieb am Laufen halten sowie die geplanten Investitionen decken. „Zu holen“ gibt es da nichts, was „über“ wäre. Zumal die Stadtwerke für die Zukunft Großes planen, dazu in Kürze mehr.
So sind es am Ende rund 3,6 Millionen Euro, die im allgemeinen Verwaltungshaushaltsbereich noch zu finden sind. Aber davon ließen sich doch noch so viele Begehrlichkeiten bedienen, impliziert das inzwischen eher zum kleinen Nikolaussack geschrumpfte „Weihnachtsmärchen“. Corona-Fonds zum Beispiel. Oder Steuergeschenke an die Bürger. Und noch so Vieles mehr, was man sich in der Weihnachtszeit gern wünschen möchte.

„Pustekuchen“, bescheinigt die Kämmererin diesen Ideen: Der ganz große Batzen dieser aktuellen Liquidität ist mit dem verabschiedeten Haushalt bereits verplant, quasi ausgegeben. Ein weiterer Teil war im Rahmen der Jahresrechnung 2019 für Rückstellungen, unter anderem für unterlassene Instandhaltung sowie nicht verbrauchte Haushaltsmittel für geplante und beschlossene Investitionen zu berücksichtigen, was übrig bleibt, füllt allenfalls die Portokasse.
So bleibt vom „Weihnachtsmärchen“ der „reichen Stadt“ am Ende nichts weiter als die Erkenntnis: Nicht erst seit der Bankenkrise wissen wir, dass man Banklehrlingen nicht ungeprüft zutrauen sollte, mit Geld umgehen und richtig rechnen zu können. Das gilt erst recht, wenn es um noch komplexere Dinge wie einen kommunalen Haushalt geht.

Und die Moral der Geschicht? Hätte er mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Dann müssten jetzt nicht so viele Menschen enttäuscht sein, dass ihnen Märchen erzählt wurden.rah