Der Aufstieg zur Kurstadt

Der Kur- und Verkehrsverein erzählt Geschichte(n) an Telekomkasten an der Dr. Heinrich-Jasper-Straße

Der Telekomkasten an der Dr. Heinrich-Jasper-Straße erzählt jetzt ein Teil Bad Gandersheims Geschichte in Bildern.

Bad Gandersheim. Die Anfänge der heilenden Quellen von Gandersheim gehen weit zurück. Bereits Roswitha von Gandersheim hat von der Entdeckung der Quellen in ihrer Gondolf-Legende berichtet. Sie berichtete, das Kranke von weither anreisten, um von den Heilquellen zu trinken. Die Flurnamen „Auf dem Salzberg“ oder „An der Salzwiese“ deuten darauf hin. Auch das Kloster Brunshausen liegt nicht zufällig an der Roswithaquelle. Im 19. Jahrhundert fand man dort mittelalterliche Wasserleitungen. Die Heilquellen zu vermarkten, erschien Ende des 19. Jahrhunderts ein Ausweg aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Stadt, die mit der Auflösung des Reichsstiftes Gandersheim 1810 begonnen hatte.

Der Anschluss an das Bahnnetz 1856, der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands nach der Reichsgründung 1871 und die Ansiedlung verschiedener Behörden aufgrund der Aufwertung Gandersheims zum Kreissitz, verhalf der Kleinstadt mit damals circa 2400 Einwohnern nicht aus der wirtschaftlichen Talfahrt herauszukommen. Die zarten Bestrebungen einen Kurort zu etablieren, nahmen durch den aus Mengeringhausen stammenden Arzt Adolf Leonhardi deutlich an Fahrt auf. Viele angesehene Gandersheimer Bürger, unter anderem der Bankier Louis Ballin, unterstützen seine Bestrebungen. Betreiber des neuen Bades sollte die am 1. Juli 1878 gegründete Aktiengesellschaft sein. Das erste Badehaus war ein einfaches, mit Dachpappe eingedecktes Gebäude, unterhalb des Kantorbergs gelegen. Das Badehaus wurde innerhalb von vier Wochen, nach dem Entwurf des Braunschweiger Baumeisters Bosse und des Architekten Liebold aus Holzminden, errichtet. Das Baugrundstück stelle die Stadt zur Verfügung. Erst im Laufe der folgenden Jahre wurde aus dem sumpfigen Gelände durch die Bemühungen des Verschönerungsvereins, ein für die Kurgäste einladender Park. In unmittelbarer Nähe zum Badehaus entstand 1876 das Waldschlößchen, das damals als Kurhaus bezeichnet wurde. 1883 wurde das Wilhelm-Augusta-Stift gebaut. Die Aktiengesellschaft war mit einem Startkapital von 41.000 Mark gegründet worden, 276 Aktien wurden meist an Gandersheimer Bürger ausgegeben. Nach anfänglichen Erfolgen geriet die AG in finanzielle Schieflage. Die Gebäude und die Anlagen mussten saniert werden. Die Soleleitung von Brunshausen zum Badehaus war marode. Konkurrenz bekam der Badebetrieb durch die aufstrebenden Badeort Salzdetfuth, Salzderhelden oder Salzhemmendorf.

Die finanziellen Schwierigkeiten schienen gelöst, als der Apotheker Erich Bohlen aus Wernigerode das Herzog-Ludolfbad 1897 erwarb. Er plante ein neues, viel größeres Badehaus. Dazu erweiterte er das bestehende Gelände mit seinen rund vier Hektar um weitere sieben Morgen Land. Der Neubau lag ziemlich genau am Standort der heutigen Reha-Klinik im Kurpark. Leider wurde das Kurhaus nie eröffnet. 1899 muss Bohlen Konkurs anmelden. Das bereits angeschaffte Inventar wurde durch Rechtsanwalt Lungershausen versteigert. Teile des neuen Inventars, unter anderem das Tafelgeschirr, können im städtischen Museum besichtigt werden. Bohlen hat in das Projekt rund 255.000 Mark investiert. 1917 erwarb Dr. Friedrich Brunotte das Gelände. Die Firma Wilhelm Eilert pachtete einen Teil des Geländes, um eine Firma zur Mineralwasserabfüllung zu errichten. Die benachbarte Bondy-Schule nutzte weitere Geländeteile als Sportplatz. Brunottes Bestrebungen scheiterten an der hohen Inflation.

Um die Bestrebungen Gandersheims zu einem schmucken Kurort zu unterstützen, wurde 1878 der Verschönerungsverein gegründet. Das Kurhaus lag in einer öden Umgebung. Der kleine und große Osterberg war unbewaldet. Teile des Clusberges wurden gerade aufgeforstet. Der Verschönerungsverein legte zwischen 1878 und 1916 rund 20 Kilometer Spazierwege an. Ende der 1920er-Jahre nahm der Bekanntheitsgrad des Solbad-Roswitha zu. Für heutige Datenschützer unvorstellbar, wurden seit Sommer 1928 die „Amtlichen Kurlisten“ veröffentlicht. In diesen Listen wurden die Namen der Gäste, Beruf, Heimatort und der Beherbergungsbetrieb in Gandersheim erwähnt. Die meisten Gästen strömten aus den Großstädten Hamburg, Hannover, Braunschweig, Leipzig oder aus den Ballungszentren des Ruhrgebiets herbei. Ein weiterer Neubau, das „Solbad Roswitha“, wird 1925 errichtet. Am 5. Oktober 1932 war im Gandersheimer Kreisblatt zu lesen, dass der Braunschweigische Minister des Inneren aufgrund des Paragraphen 4 der Städteverordnung der Stadt Gandersheim gestattet, zukünftig die Ortsbezeichnung „Bad Gandersheim“ zu führen. Dieser Namenszusatz würdigt den erreichten Standard als Fremdenverkehrsort und Heilbad.
Während der NS-Zeit machte man damit Werbung, dass ein gutes NSDAP-Mitglied in Bad Gandersheim gut kuren könne, denn Gandersheim wäre judenfrei. Nach dem Krieg begann der Badebetrieb wieder recht schnell. Im Juni 1949 wurde der Kurpark an der Hildesheimer Straße eröffnet. 1955 stiftete die Alte Leipziger das Brunnenhäuschen im Kurpark. Die Stadt richtete mit der Kurverwaltung einen eigenständigen Bereich in der Verwaltung ein. Der „Kur- und Verkehrsverein Bad Gandersheim am Harz“ unterstütze die aufstrebende Stadt. Der Bauboom der folgenden Jahre verbesserte die Infrastruktur. Ein neues Kurmittelhaus wurde an der Hildesheimer Straße 1971 eröffnet. Die Kur-Krise der 1990er-Jahre ließ das einstige Zugpferd der Stadt straucheln. Die Landesgartenschau wird diesem wichtigen Bereich mit finanzieller Unterstützung des Landes zu neuem Glanz verhelfen. Eine Sanierung aus einem Guss.

Der Kur -und Verkehrsverein stellt zurzeit die „Bad-Geschichte“ im Schaufenster der Familie Funke in der Moritzstraße aus. Ein wertvoller Beitrag, um die Badgeschichte lebendig zu halten, ist mit freundlicher Unterstützung der Diakonissen Mutterhauses an der Dr.-Heinrich Jasper-Straße entstanden. Das Bild vom Solbad-Roswitha von 1925 wird umrahmt von Diakonisse Karin Hansen, ehemalige Pflegedienst Leitung, Jenny-Miriam Kuhlmann, Vorstand und Geschäftsführerin der Diakonissen Mutterhaus-Salem Gruppe und Carmen Görlich, Vorstandssekretärin.red