Der lange Weg zum papierlosen Büro

Grünen-Fraktion ist zwei Jahre nach dem Antrag tief enttäuscht / Weitere „digitale Baustellen“

Ergebnis von etwas mehr als drei Jahren Ratsarbeit: Heinrich Hohls hatte alle Unterlagen aus dieser Zeit mal auf einen Haufen gepackt.

Bad Gandersheim. Das Thema rollt weiter: Die Diskussion um die Digitalisierung der Ratsarbeit ist in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit sichtbar in Gang gekommen. Dabei ist das Thema an sich gar nicht so neu. Denn immerhin wird über ein Update des bestehenden Ratsinformationssystems zur Erweiterung dessen Funktionen auf ein vollwertiges System für digitalisierte Ratsarbeit schon seit Jahren diskutiert und seit April 2019 liegt ein konkreter Ratsantrag dazu vor.

Die Fraktion der Grünen hatte seinerzeit beantragt, die notwendigen Schritte zur papierlosen Ratsarbeit auf den Weg zu bringen. Das ist auch heute noch Auftrag an die Verwaltung, das Fazit der Grünen in einer Videokonferenz mit dem Gandersheimer Kreisblatt nun bald zwei Jahren nach Antragsstellung aber mehr als ernüchternd: „An sich ist bislang so gut wie nichts passiert!“, stellen Heinrich Hohls und Oliver Brzink als die beiden Ratsvertreter der Grünen fest.
Mit ihrem Antrag auf papierlose Ratsarbeit, so Heinrich Hohls, habe man natürlich zuvorderst ein effizientes Arbeiten im Sinn gehabt. Die digitale Verfügbarkeit von Ratsvorlagen, Begründungen und Antragspapieren, aber vor allem auch Plänen und anderen Begleitdokumenten könne die Ratsarbeit deutlich beschleunigen. Bislang geht dies alles nur per Aktenordner und in großen Papierbergen.

Letzteren hat Ratsmitglied Heinrich Hohls, der im Herbst 2017 als Nachrücker für Christiane Michaelis in den Rat gekommen war, einmal wörtlich genommen und den Berg an Unterlagen, die er in den letzten knapp dreieinhalb Jahren von der Stadt für seine Ratsarbeit ausgehändigt bekommen habe, für ein Foto zusammengestellt. Das Ergebnis ist oben zu sehen. Die sieben abgebildeten Aktenordner seien dabei noch nicht einmal alles, einige Unterlagen seien bereits wieder geschreddert, so Hohls.

Die abgebildete Menge ist dann mal 21 auf die Zahl der Ratsmitglieder zu nehmen. Daneben wird natürlich auch die Verwaltung an vielen Stellen mit den gleichen gedruckten Unterlagen ausgestattet. Und die kooptierten Mitglieder der Ratsausschüsse ebenso. Die Zahl des hier mit Unterlagen zu versorgenden Personenkreises liegt nochmals zusätzlich nahe der 50!

So ist leicht vorstellbar, welche enormen Mengen an Papier jährlich bewegt werden – und im Falle einer weitestgehend papierlosen Ratsarbeit eingespart werden könnten. Was praktiziertem Umweltschutz gleichzusetzen ist, weshalb nicht zuletzt gerade die Grünen dieses Thema dringend vorantreiben möchten.
Umso enttäuschender für die kleine Fraktion, so Dr. Trude Poser als Kandidatin der Grünen bei der letzten Stadtratswahl, dass zwei Jahre verstrichen sind, in denen keine wirklichen Fortschritte auf dem Weg zur papierlosen Ratsarbeit zu beobachten seien. Immer wieder verweise die Verwaltung darauf, dass sie sich mit der Beschaffung des dafür nötigen Upgrades des Ratsinformationssystemes befasse. Wann der endlich geschehe, stehe aber weiter in den Sternen.
Ratsherr Oliver Brzink fügte seinen Eindruck an, die Verwaltung arbeite nur dann anscheinend wirklich zielgerichtet, wenn die Antragstellung möglichst konkret gehalten sei und keinen Spielraum zum Ausweichen biete. Vielleicht müsse die Fraktion genau das noch einmal aufgreifen und einen bedeutend genaueren Arbeitsauftrag vom Rat verabschieden lassen.

Die Diskussion um ein Vorankommen in der papierlosen Ratsarbeit fällt nun durch Corona auch noch mit der Diskussion um die Möglichkeit von Online-Sitzungen zusammen. Auch hier zeige die Verwaltung bislang wenig Elan, zeitnahe Lösungen zu präsentieren, so die Grünen. Es gehe dabei vordergründig weniger um die Frage, ob die Ratsmitglieder eigene oder gestellte Technik nutzen würden, sondern den technischen Rahmen, den die Verwaltung für die Online-Sitzungen schaffen müsste. An dem fehle es im Gegensatz zu anderen umliegenden Kommunen noch immer.

Und, um das Thema Digitales bei der Stadt abzurunden: Auch den städtischen Internetauftritt betrachten die Grünen als „Baustelle“. Die bisherige Präsenz der kommenden Landesgartenschaustadt sei unübersichtlich und erfülle nicht den Zweck, Bad Gandersheim werblich zu vertreten. Auch dieses Thema müsse kurzfristig angepackt werden.rah