Ein Bäcker als Namensgeber einer Straße

Neues Stromkastenbild am Durchgang „Reutergasse“ neben der Volksbank

Susanne und Michael Scholz vor dem neuen Stromkasten.

Bad Gandersheim. Die kleine Gasse, die aus Richtung der Wilhelmsburg oder dem Barfüßerkloster nur von Fußgängern passiert werden kann, endet auf einem kleinen freien Platz, heute zwischen Volksbank und einem mit viel Liebe zum Detail renovierten Gebäude, dass heute die Niederlassung der DEVK-Versicherung von Susanne Scholz beherbergt.

In der Häuserchronik von Kurt Kronenberg können wir erfahren, dass diese Gasse wahrscheinlich um 1490 entstand, als Herzog Wilhelm der Jüngere von Braunschweig ein Stadtschloss errichten ließ. Er schuf diese Verbindung zur Stadt, damit er nicht auf das ihm feindlich gesinnte Stiftskapitel angewiesen war. Somit besaß er einen direkten Zugang zum Schloss, ohne die Stiftsfreiheit betreten zu müssen.

Auf dem freie Platz vor der Einmündung der Reutergasse in die Moritzstraße befand sich, wenige Schritte die Moritzstraße in südliche Richtung hinauf, eine Brunnenanlage. Die Wasserentnahme für die Nachbarn war kostenlos, die Häuslinge (Mieter) mussten dafür bezahlen. Die Nachbarschaft war für die Unterhaltung der Brunnen verantwortlich. Dieser Unterhaltungspflicht wurde scheinbar nur sehr zögerlich nachgekommen, denn es gab häufiger Unfälle durch ungesicherte Luken.

In dem Buch der Geschichtswerkstatt „Nachbarschaften der Stadt Gandersheim“ wird berichtet, dass unter anderem 1860 ein Reisender einen Bericht im Wochenblatt des Kreises Gandersheim veröffentlichte, der die Hygiene und die Wasserqualität der offenen Brunnenanlagen in Frage stellte. Es wurde beobachtet, dass mit einem schmutzigen Eimer, in dem vorher Küchenabfälle transportiert worden waren, Wasser aus der Tiefe des Brunnens geschöpft wurde.

Bei Seuchen oder Hochwasser, wenn die Brunnen der Stadt nicht nutzbar waren, konnten die Bürger den Seuchenbrunnen an der Northeimer Straße zur Wasserentnahme nutzen, denn dieser wurde mit Wasser vom Kühler versorgt. Mit dem Bau der ersten Wasserleitung 1874 entschärfte sich das Problem.
Das Bild auf dem Versorgungskasten Ecke Reutergasse/Moritzstraße wurde von Susanne und Michael Scholz gesponsert und zeigt eine Aufnahme von 1959. Auf der linken Seite, nicht im Bildausschnitt zu sehen, stand bis 1981 ein mit Schindel behangenes Fachwerkhaus. Das Haus aus dem 14. Jahrhundert bewohnte der Bäckermeister Johann Georg Reuter, der der Gasse seinen Namen gab.

Warum er Namensgeber dieser Gasse wurde, ist leider nicht bekannt. Postalisch tritt dieser Straßenname nicht in Erscheinung, denn die angrenzenden Häuser haben ihre Eingänge von anderen Straßen, sodass seit ihrem Bestehen kein Postbote je nach ihr gesucht hat. Diesem Bäckermeister folgten vier weitere Bäcker.

Über dem Ladeneingang wies bis zu seinem Abriss ein Schild auf einen der Vorbesitzer des Hauses Böttchermeister Phillipp Dröge. Seine Nachkommen boten in späteren Zeiten hier Spielwaren an. 1981 wurde die Filiale der Gandersheimer Volksbank hier errichtet. Das Objekt spiegelt den Zeitgeist der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wieder. Das angedeutete Fachwerk täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es einen Fremdkörper in dieser Straße darstellt.
Das Haus auf der rechten Seite von der Reutergasse hat seinen Charme bewahren können. Die alte Holztür und die wunderschöne Schaufenstereinfassung sind noch erhalten. Bauherr war Claus Borcholt 1539. Die nachfolgenden Eigentümer bilden den Querschnitt der Bevölkerung Gandersheim ab. Ratsherren, Bürgermeister, Schuhmachermeister, Kürschner, Seifensieder und Ackerbürger lebten unter seinem Dach. Auf der Aufnahme von 1959 ist Otto Sturm „Sanitätshaus“ Ladeninhaber. Seit 2005 ist das Haus im Eigentum des Ehepaar Scholz.

Der Kur- und Verkehrsverein bedankt sich recht herzlich bei Susanne und Michael Scholz für die Unterstützung der Aktion „Stromkästen erzählen Geschichte(n)“.red