Engagiert in der Erinnerungsarbeit

Zeitzeugin Rozette Kats aus Amsterdam kommt im Oktober zu Gesprächen mit Schülern in die Oberschule Bad Gandersheim

Silke Doepner beim Besuch der Ausstellung in der Oberschule Bad Gandersheim.

Bad Gandersheim. Die Oberschule Bad Gandersheim steht für ein faires Miteinander und pädagogische Innovation. Durch den Titel „Schule ohne Rassismus ­– Schule mit Courage“ verpflichtet sie sich, Projekte und Vorträge zu gestalten und den Gedanken einer weltoffenen und toleranten Schule zu leben. Gedenkfahrten ins Konzentrationslager Buchenwald, die alljährliche Gedenkveranstaltung am 4. April im Bereich des Klosters Brunshausen, die Besuche des Sozialarbeiters Fadi Saad oder zuletzt die Wanderausstellung des Anne-Frank-Zentrums spiegeln dies wider. Ganz in dieser Linie wird im Oktober die Zeitzeugin Rozette Kats zu Gast an der Oberschule sein, von ihrem Erlebten berichten und mit den Schülern ins Gespräch kommen. Außer diese Einrichtung wird sie die EKS Northeim und Rhumetalschule Katlenburg-Lindau aufsuchen und zusätzlich eine Abendveranstaltung in der Alten Synagoge in Einbeck ausrichten.

Die Niederländerin, Jahrgang 1942, erfuhr am Vorabend ihres sechsten Geburtstages, dass sie das Kind jüdischer Eltern ist, die den Holocaust nicht überlebt haben. Ihr Onkel, der einzige weitere Überlebende der Familie, vermag nicht, über die ermordeten Verwandten zu sprechen. Ihren Rettern und Pflegeeltern spielte Rozette das fröhliche Kind vor, doch es plagten sie Ängste und mit zunehmendem Alter auch Fragen über das Leben und Sterben ihrer Eltern.

Erst Mitte der 1980er Jahre bekam sie von ihrem Onkel, der schwer erkrankt war, das Hochzeitsbild ihrer Eltern. Später fand sie heraus, dass rund drei Monate vor der Deportation der Eltern von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau ihr Bruder geboren wurde. Es war ein langer und schmerzlicher Prozess für Kats, mit dem Schatten der Vergangenheit leben zu lernen, der ihr vor allem durch ein vielfältiges Engagement in der Erinnerungsarbeit auf beeindruckende Weise gelungen ist.

Das hautnahe Erleben einer Zeitzeugin und das direkte Gespräch mit ihr hat bei ähnlichen Projekten an Schulen einen bewegenden Eindruck bei den Schülerinnen, Schülern und dem Lehrpersonal hinterlassen: ein eindrucksvolles Aufarbeiten deutscher Geschichte in der direkten Konfrontation mit Betroffenen – diese Möglichkeit wird sich in naher Zukunft nicht mehr oft bieten. „Ich habe drei Schulen ausgesucht, in denen Offenheit und Interesse an der Auseinandersetzung mit Demokratie und Gefahren für die Demokratie gezeigt wird“, erklärt Silke Doepner, Leiterin des lokalen Aktionsplans des Bundesprogramms Demokratie leben, das Mittel für präventive Projekte zur Demokratieförderung und gegen Rechtsextremismus bereitstellt. Kats komme bereits zum dritten Mal in den Landkreis Northeim, erklärt sie.

Jörg Bachmann vom Verein Kultur im Esel in Sülbeck, der sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für Aufklärung über die NS-Zeit einsetze, habe die Zeitzeugin vor drei Jahren über einen Antrag erstmals in den Landkreis geholt. „Die Frau ist so faszinierend und kann so gut erzählen, dass wir ihn gebeten haben, sie jedes Jahr wieder einzuladen, weil es Zeitzeugen nicht ewig geben wird“, betont Doepner.art