Es tut sich was: Stadt geht nun doch bei Sitzungen in die Online-Offensive

Verwaltungsvorlage zu Nachtragspunkt aus Rat kritisiert: Festhalten an Präsenzsitzungen komplett unzeitgemäß

Bad Gandersheim. Die öffentlich auch im GK geführten Diskussionen haben – sicher im Zusammenwirken mit Entwicklungen rund um Bad Gandersheim – offenbar Wirkung gezeigt: Nachträglich wurde in die Ratssitzung am Donnerstag – wie gewohnt als Präsenzsitzung abgehalten – ein Tagesordnungspunkt aufgenommen, unter dem die Frage diskutiert werden sollte, wie die Stadt unter den Maßgaben des Paragraphen 182 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes Online-Sitzungen als Videokonferenzen abhalten könnte. Bis vor Kurzem noch hatte die Verwaltung die dazu nötigen Schritte eher auf die lange Bank schieben wollen und als Thema des neuen Rates nach der Wahl im September angesehen.

Doch der Druck aus den Fraktionen wuchs und damit auch der Handlungsbedarf in der Verwaltung. Eine Vorlage wurde erstellt und als Nachtragspunkt kurzfristig auf die Tagesordnung der Sitzung vom Donnerstag gehievt. Die Vorlage indes spielte in der Ratssitzung gar keine Rolle mehr, weil die Ratsmitglieder inhaltlich mit ihr offensichtlich nicht zufrieden waren. Dem dort Vorgeschlagenen habe man nicht zustimmen können, ließ Niklas Kielhorn durchblicken.
Statt dessen gab es eine längere inhaltliche Diskussion im Verwaltungsausschuss. Ziel sei gewesen, schilderte Ratsvorsitzender Jürgen Steinhof dem Rat, eine zeitnahe Lösung für Videokonferenzmöglichkeiten zu finden. Dazu habe die Verwaltung auch intensiv recherchiert, welche Voraussetzungen dafür nötig seien.

Drei konkrete Punkte hätten dabei im Vordergrund gestanden: Zum ersten die Frage, wer aus den betreffenden Gremien grundsätzlich lieber per Video an einer Sitzung teilnehmen würde. Diese Frage wurde am Donnerstag im Rat den Mitgliedern dieses Gremiums auch gestellt. Und fand ein überraschend deutliches Ergebnis: Von 15 anwesenden Ratsmitgliedern (sechs fehlten an diesem Tage) würden zwölf lieber an einer Videokonferenz teilnehmen.

Da diese Grundstimmung schon im Verwaltungsausschuss erahnt wurde, war zum zweiten beschlossen worden, mit der nächsten Verwaltungsausschusssitzung gleich einen konkreten Versuch zu starten. Die Sitzung wird als erste überhaupt versuchsweise als reine Videokonferenz stattfinden.
Und zum dritten ist auch der nächste Schritt für öffentliche Sitzungen bereits geplant: Analog zu dem, was in Nachbarkommunen bereits gut läuft, soll der Stadtentwicklungsausschuss am 25. Februar in einer sogenannten Hybrid-Sitzung stattfinden. Das bedeutet, der Ausschuss wird (vermutlich überwiegend) in Präsenzsitzung zusammenkommen. Auch die Öffentlichkeit kann in Präsenz teilnehmen, aber eben nun auch in einem Online-Stream aus der Ferne an der Sitzung teilhaben.

Die Erfahrungen dieser beiden Versuche sollen dann ausgewertet werden, um einen sicheren Weg zu finden, auch die nächste Ratssitzung mindestens als Hybrid-Sitzung durchführen zu können. Was angesichts der hohen Zahl an Ratsmitglidern, die nicht in die Präsenzsitzung kommen würden, die Sache sogar noch einfacher mache, so Jürgen Steinhoff.

Zusätzlich war ein Antrag der Grünen eingereicht worden, den Heinrich Hohls darlegte und der dann auch gleich einstimmig zur Beratung in die nächste Fachaussschusssitzung überwiesen wurde. Darin heißt es unter anderem: Die Verwaltung wird beauftragt, nachfolgend aufgeführte Schritte in die Wege zu leiten, um papierlose Ratsarbeit und Hybridsitzungen zu ermöglichen:

1. Die Ratsmitglieder werden mit Tablets für die papierlose Ratsarbeit und für Hybridsitzungen ausgestattet oder bekommen – falls gewünscht – einen Zuschuss in angemessener Höhe (Beispiel: Stadt Einbeck = 300 Euro) für die Selbstanschaffung der Geräte.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Rat eine Kostenaufstellung für die bisherige Art der Ratspost (Papier, Druck, Umschläge, Versand, Personalkosten,..) und für das vorhandene Ratsinformationssystem vorzulegen.

3. Die stadteigenen Mitarbeiter sind fortzubilden für Ratsinformationssystem und Hybridsitzungen.

In der Begründung des Antrages setzten sich die Grünen mit der Ratsvorlage der Verwaltung auseinander. Wörtlich hieß es da: „Punkt 2 der Beschlussvorlage Drucksache Nr. 841/18 ist in keiner Hinsicht akzeptabel: Ausschließlich Präsenzsitzungen durchzuführen ist nicht zeitgemäß und auch nicht verantwortungsbewusst. Man kann davon ausgehen, dass es nicht das letzte Mal ist, dass solche besonderen Situationen wie die jetzige Pandemie eintreten. Die in Punkt 1 dargelegte Ausarbeitung der Vorschläge lässt nur den Schluss zu, dass die Verwaltung nicht wirklich interessiert ist, die Online-Sitzungen zu ermöglichen.“

Das stand in der Vorlage

Die Vorlage wies im ersten Vorschlagspunkt aus, dass es Hybridsitzungen geben solle, die maximal 90 Minuten dauern sollten. Dafür sei ein Aufwand von rund 32.000 Euro für zehn solche Sitzungen im Jahr zu veranschlagen.
Punkt zwei der Ratsvorlage schlug als Alternative vor, grundlegend bei Präsenzssitzungen zu bleiben, die in ausreichend großen Räumen durchgeführt werden sollten.

Die Verwaltung hatte in der dreiseitigen Vorlage genauer die Umstände beschrieben, unter denen Videokonferenzen und Online-Sitzungen stattfinden könnten. Technische Hilfe aus Nachbargemeinden wie Kalefeld oder Einbeck gebe es keine. Bei der Stadt Göttingen machte die Stadt eine Firma ausfindig, die für 3200 Euro je Sitzung technisches Equipment stellt und die Sitzung betreuen würde. Daraus leitete sich der finanzielle Ansatz bei einer Mindestabnahme von zehn Sitzungen pro Jahr ab.

Auch unter den Ratsmitgliedern hatte die Verwaltung die technische Vorausetzungen erfragt. Fünf (von 21) gaben gar keine Rückmeldung, bei einem gibt es keine Kamera (Bild ist Voraussetzung für Videokonferenzen), bei drei Ratsmitgliedern ist der Internetanschluss zu schwach für gleichzeitig Bild und Ton, lediglich drei Ratsmitglieder verfügen über Headsets. Andererseits haben nur zwei Ratsmitglieder mitgeteilt, ausschließlich Präsenzsitzungen zu bevorzugen.rah