Festspiele: Marketing-Quantensprung

Virtual Reality und 360-Grad-Panoramen machen die Domfestspiele ganz neu erlebbar

Bad Gandersheim. Aufgefallen sind sie – trotz sehr dezenter, zurückhaltender Arbeit – ohne Zweifel vielen Festspielbesuchern: Michaela Hundertmark und Michael Mehle, Fotografenteam aus Göttingen, waren während der gesamten Festspielzeit in Bad Gandersheim unterwegs, besuchten alle Stücke, erkundeten den Backstagebereich, die Maske, Schneiderei, Bühnenbildnerei, ließen eine Drohne über dem Festspielplatz aufsteigen und sammelten riesige Datenmengen, aus denen nun Ergebnisse bei der Bilanz-Pressekonferenz der Domfestspiele vorgestellt werden konnten, die für das Marketing eine Art Quantensprung bedeuten.

Der Webauftritt der Domfestspiele ist seit etwas mehr als einer Woche topmodern, so modern wie wohl kein anderer vergleichbarer Festspielort.

Seinesgleichen findet er in unmittelbarer Nähe auf dem Klosterhügel in Brunshausen. Für den Klosterhof war das Göttinger Fotografenteam vor einiger Zeit schon tätig gewesen, über das Ergebnis hatte das GK bereits berichtet. Über die Arbeit in Brunshausen war auch der Kontakt zu den Domfestspielen zustande gekommen.

Der erste große Schritt zum neuen „Virtual Reality“-Web (VR) war die Aquise großer Mengen an Bildern und Videos. Normale wie sehr spezielle, für die Mehle und Hundertmark eine sogenannte 360-Grad-Kamera einsetzen. Technisch ein Würfel mit mehreren GoPro-Kameras, die alle Blickwinkel gleichzeitig erfassen. Das ungewöhnliche Gerät dürfte bei der Arbeit der beiden Göttinger am meisten für Aufmerksamkeit gesorgt haben. Hinzu kamen normale Videosequenzen und viele Fotos bei nahezu allen Veranstaltungen der Domfestspiele.

Das Ergebnis der nachfolgenden Produktionsarbeit ist ein 360-Grad-Webauftritt, eine virtuelle Realität im Computer. Die können Nutzer sowohl an ihrem PC daheim, als auch aber gerade mobil mit Smartphone oder Tablet nutzen und erhalten einen faszinierenden Einblick in die Domfestspiele.

Vom großen Überblick bis in kleine Abteilungen

Zunächst startet eine Weltkugel, die sich als Innenstadt Bad Gandersheims unter dem Betrachter ausbreitet. Der Festspielplatz ist aus der Luftperspektive zu sehen und der Betrachter kann Bild und Blickwinkel nach Belieben verändern. Im Bild finden sich – sofern nicht abgeschaltet – sogenannte „Hotspots“. Das sind anklickbare Punkte, über die der Besucher weitergehen kann. Zum Beispiel hinter die Bühne, in die technischen Abteilungen, zur Kartenzentrale oder auch einfach Eindrücken aus den Stücken.

Auch die wieder als große Rundum-Panoramen mit besetzter Tribüne, weshalb sich der eine oder andere Zuschauer dabei auch wiederfinden mag. In den Stücken sind sowohl Still-Panoramen als auch jeweils ein 360-Grad-Video integriert. Also auch im bewegten Bild, kann sich der Betrachter drehen. Weitere Hotspots – in diesem Fall mit einem „i“ als Informationspunkte gegenzeichnet – ebnen zum Beispiel den Weg zu den Mitgliedern des Ensembles.

Das alles ist für alle fünf Produktionen dieses Jahres abrufbar, wobei zu einigen Stücken mehr Szene und auch zum Beispiel ein Eindruck von der Premierenfeier hinzugefügt werden konnten. Auch die Studiobühne in Brunshausen ist mit dabei.

Sogar der Probenbetrieb kann betrachtet werden: Ob Orchester, Schauspieler, Licht- und Tontechniker, allen wurde über die Schulter geschaut. Der Besucher des Webauftrittes der Domfestspiele bekommt Eindrücke, die den meisten bislang eher unbekannt geblieben sein dürften. Theaterfest, Freitags im Zelt und andere Aktivitäten sind eingebunden und aufrufbar.

Natürlich zählt am Ende, wenn es den Domfestspielen gelingt, dadurch Besucher anzulocken. Der Bildreiz dürfte dazu ohne Zweifel seinen Beitrag leisten, rechnen tut es sich aber erst, wenn die Kasse klingelt, also Tickets geordert werden. Selbstverständlich ist auch dieser entscheidende Schritt integriert.

Zum einen, indem sich Besucher außer einen bunten Sitzplan nun die Tribüne vorab aus allen Blickwinkel anschauen und einen Lieblingsplatz finden können. Ob dieser dann auch gebucht werden kann für die Vorstellung der Wahl, ist über die Weiterleitung in die Kartenzentrale, die ebenso ein eigenes Panorama hat, schnell feststellbar. Dort können die Tickets dann auch gleich geordert werden.

Die Schönheit eines bislang so noch nie dagewesenen Auftritts der Domfestspiele paart sich damit am Ende mit dem Komfort, der den Festspielen weitere Besucher zuführen sollte.

Nicht zu vergessen am Ende ein weiterer Aspekt, der schon am Beispiel des ähnlichen Auftritts des Klosterhofes von großer Bedeutung war: Die Vernetzung über den eigenen Horizont hinaus. Nicht nur bildlich gesprochen, denn der Betrachter im Luftbild kann sich auch im Umfeld der Kernstadt umschauen und findet dann eben auch das Kloster Brunshausen als nächstliegenden „Hotspot“, zu dem sich ein „Weiterflug“ lohnen könnte.rah