Freibad: Kritik am Beratungsverfahren

Ehemaliger Geno-Vorstand Jens Tschäpe empfindet Richtungsumkehr zu Naturbadausrichtung als nicht nachvollziehbar

Hier nahm es seinen Anfang: In der eingeschobenen Ratspräsentation am 25. Juni wurden drei Varianten für eine Sanierung vorgestellt; am Ende gab der Rat in einem Stimmungsbild dem Naturbad die Präferenz. Kommenden Donnerstag soll eine solche Sanierung beschlossen werden.

Bad Gandersheim. Nicht einmal eine Woche, dann will der Rat der Stadt in einer zusätzlich eingeschobenen Sitzung am Donnerstag der kommenden Woche eine weitere wegweisende Entscheidung treffen: Es geht um das Freibad, genauer darum, auf welche Weise denn nun die in die Landesgartenschau integrierte Totalsanierung geschehen soll. In Vorschlag steht dafür – wie bei der Einwohnerversammlung im Freibad im Juli von einem Vertreter der planenden Firma Polyplan Kreikenbaum vorgestellt – eine Neuausrichtung als Naturbad.

In der Einwohnerversammlung hatte dies so gut wie keine Nachfragen ausgelöst. Wohl aber im Nachgang. In einem Leserbrief im GK formulierte es Jens Tschäpe, der bis März noch Vorstandsmitglied der Bad-Betriebsgenossenschaft war, drastisch: „Blaues Bad statt grünem Teich“ lautete seine Forderung. Dahinter stand vor allem der Hinweis, dass die nun verfolgte Ausrichtung, das Bad als Naturbad zu sanieren, im Widerspruch zu einem Ratsbeschluss aus dem Jahre 2018 und allen bislang verfolgten Planungen stehe.

Tatsächlich hatte der Rat vor zwei Jahren einen Beschluss gefasst, das Freibad grundlegend zu sanieren. Die vorbereitenden Beratungen hatten seinerzeit zu dem Beschlussvorschlag geführt, dabei die grundsätzliche Badform und -Technik beizubehalten, also – wie es technisch heißt – ein sogenanntes „DIN-Bad“ zu erstellen. Bäder dieses Typs zeichnen sich vor allem durch die technische Wasseraufbereitung, in der Regel mit Chlor, aus. Als Veränderungen waren im Wesentlichen die Halbierung des Schwimmerbeckens auf nur noch 25 Meter Länge sowie Trennung der Wassertechnik von der des Hallenbades vorgesehen.

Dem stimmte der Rat vor zwei Jahren zu, es folgten Antragsstellungen für Fördermittel, die vor allem aus dem Bereich der Zuschüsse für energetische Sanierungen auch eingeworben werden konnten. Doch ein schon für 2019 an sich angepeilter Baubeginn erfolgte nicht. Es ging statt dessen ins Jahr 2020, und die Frage der Freibadsanierung geriet durch den Zeitverzug in andere Fahrwasser.

Einen Einfluss auf die Sanierung hatte der Zusammenhang mit der Landesgartenschau auch schon vor zwei Jahren. Da bezogen sich Einbindungsvorstellungen aber eher auf die landschaftliche Gestaltung zum Beispiel der Liegewiese durch Abflachung und Schaffung von Möglichkeiten, die Gande stärker mit als Attraktion zu nutzen. Nun verlagerte sich das Interesse im laufenden Jahr auch direkt auf die Beckensanierung.
Grund dafür war auch, dass die Einbindung des neuen Freibades in die LaGa die Chance eröffnete, darüber mehr Mittel in das Projekt einfließen zu lassen, als wenn die Sanierung als eigenständiges Projekt der Stadt durchgeführt würde. Im Zuge dieser Überlegung wurde dann eine Planungsausschreibung im Frühjahr vorgenommen, die von der Firma Polyplan Kreikenbaum gewonnen wurde.

Polyplan machte sich an die Substanzanalyse. Neben Betonuntersuchungen im Bad selbst wurde die grundlegende Ausrichtung in zwei Workshops erneut überprüft. Vor allem Mitglieder der Genossenschaft, Mitarbeiter im Bad und einige Interessierte beteiligten sich daran. Dabei sei erstmals deutlich geworden, dass die bislang verfolgte Ausrichtung möglicherweise nicht der beste Weg sei.

Am 25. Juni – für viele überraschend, weil in der Tagesordnung gar nicht vorgesehen – gab es dann in der Ratssitzung im Forum der Oberschule eine erste Ergebnis-Präsentation durch die Polyplan. Drei Möglichkeiten standen zur Debatte, eine schied aus Zeitgründen bereits aus. Es verblieben in Vorschlag als grundsätzliche Richtungen die Sanierung des Freibades in etwa wie 2018 beschlossen oder der Umbau zu einem Bad mit biologischer Klärung. Polyplan legte seinerseits die Präferenz klar auf die letztere Variante.

Ein Beschluss wurde Ende Juni zwar vom Rat nicht gefasst, wohl aber nach der Präsentation ein „Stimmungsbild“ abgefragt, in welcher Richtung Polyplan eine verfeinerte Planung vorantreiben solle. Das Votum fiel – entgegen des bestehenden Ratsbeschlusses – an dieser Stelle deutlich für ein Naturbad aus. Diese Variante (und auch nur noch sie) wurde dann kaum vier Wochen später am 21. Juli in bereits deutlich ausgearbeiteter Planung bei der Einwohnerversammlung im Freibad vorgestellt.

Soweit der Zeitablauf der Entwicklungen, die sich vornehmlich erst im Laufe des letzten halben Jahres in 2020 abgespielt haben. Ein Halbjahr, das ohne Zweifel stark geprägt war durch die Einschränkungen, die von der Corona-Pandemie ausgehen. Nichts desto Trotz, so Jens Tschäpe in einem Gespräch mit dem Gandersheimer Kreisblatt, verwundere nicht nur ihn, dass der Wandel und die Entscheidung weitgehend an der Öffentlichkeit vorbei erfolgt seien.
In Folge seines Leserbriefes habe er Zustimmung zu seiner kritischen Haltung erhalten. Darin sei auch hinterfragt worden, warum die Bad-Betriebsgenossenschaft zwar über den Workshop und ein eigenes Votum in den Prozess eingebunden gewesen sei, aber nur mit etwa einem Dutzend Personen bei über 1000 Genossenschaftsmitgliedern. Vorstand und Aufsichtsrat – zusammen acht Amtsträger – hätten zwar einstimmig die Naturbad-Lösung befürwortet, ob das aber bei einer Befragung aller Genossenschaftsmitglieder auch so eindeutig gewesen wäre, wagte Tschäpe mindestens zu bezweifeln.
Da wegen Corona ja bislang auch keine Genossenschaftsversammlung für dieses Jahr hat stattfinden können, gab es gar keine Einbindung der Genossenschaftsmitglieder. Die hätte man aber – genauso wie die Einwohnerversammlung – vorab im Freibad mit Gandeon-Hilfe durchführen können; wenn man es gewollt hätte, sagt Tschäpe.

Ähnlich intransparent und ohne Zweifel auch von einem zunehmend spürbaren Zeitdruck getrieben sieht Tschäpe die politische Entscheidungsfindung. Angefangen von einem eher spontan wirkenden „Stimmungsbild“, das am 25. Juni die Weiterplanung in Richtung Naturbad gelenkt habe, bis zur dem für die kommende Woche nun anstehenden Ratsbeschluss, der das Fakt werden lassen soll. Eine vorbereitende Ausschusssitzung – in der auch die Öffentlichkeit vielleicht noch die Chance gehabt hätte, das Thema intensiver zu durchleuchten – gab es ebensowenig.

Das GK fragte zu diesem Eindruck im Rathaus nach. Bürgermeisterin Franziska Schwarz bestätigte, dass zur Zeit noch ein Ratsbeschluss für das Freibad aus 2018 bestehe, ein Sanierung als DIN-Bad vorzunehmen. Auch sie sei im Juni von der neuen Richtung, nun ein Naturbad zu favorisieren, zuerst überrascht, von den dafür vorgebrachten Argumenten aber dann ebenso überzeugt gewesen.

Zu diesen Argumenten habe unter anderem gehört, dass einerseits die Sanierung in den Kostenrahmen passen musste, zum anderen mit Blick auf die Nachhaltigkeit die Betriebskosten in den Folgejahren niedrig gehalten werden sollte. In diese Vorgaben habe am besten das Naturbad gepasst.
Schwarz wollte den Vorwurf, die Bürger seien über die Absichtsänderung nicht ausreichend informiert worden, so nicht gelten lassen. Zum einen habe das GK ausführlich schon aus der Juni-Ratssitzung berichtet, zum anderen habe es die ausführliche Vorstellung der aktuellen Planungsrichtung bei der Einwohnerversammlung vor rund 200 Teilnehmern gegeben. Die Bürgermeisterin gestand aber zu, dass aufgrund der Urlaubszeit der politische Beratungsprozess etwas anders als normal abgelaufen sei.

Für die SPD-Fraktion gab deren Fraktionsvorsitzender Niklas Kielhorn dem GK auf Nachfragen zur Kenntnis, der Rat habe auch das Recht, bestehende Beschlusslagen in einer anderen Richtung zu ändern. Das geschehe mit der Frage der Freibadsanierung gerade. In seiner Fraktion habe es nach der Vorstellung der verschiedenen Varianten eine große Mehrheit für die biologische Wasseraufbereitung gegeben.

„Wir sollen als Politiker zukunftsweisende Entscheidungen treffen. Die sieht unsere Fraktion in dem vorgeschlagenen Naturbadmodell gegeben“, machte Kielhorn die Haltung seiner Fraktion vor der Ratssitzung am kommenden Donnerstag deutlich. Eine endgültige Festlegung will die Fraktion aber erst noch am kommenden Montag treffen.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende gestand zu, dass der Entscheidungsprozess noch transparenter hätte sein können. Andererseits bestehe aber zunehmend Druck, jetzt eine Entscheidung zu treffen, damit Ausschreibungen und Umsetzung überhaupt noch zeitgerecht bis zur Landesgartenschau zu schaffen seien – egal, um welches Modell es letztendlich gehe.

CDU-Fraktionsvorsitzender Timo Dröge sah sich am Donnerstag noch außer Stande, zu sagen, wohin seine Fraktion tendieren werde. Einen Tag vor dem Rat finde kommenden Mittwoch noch eine Verwaltungsausschusssitzung statt, wo es zusätzliche Informationen zum Thema geben solle. Die wollten er und seine Fraktion erst abwarten.

Für seine Person sagte Dröge aber, er stehe mit seiner Position näher bei dem, was Jens Tschäpe vertreten habe. Der Beschluss aus 2018 habe vor allem das Ziel gehabt, ein für Familien attraktives Bad zu schaffen. Dem liefen manche Überlegungen des Naturbadplanes nach seiner Ansicht eher zuwider, wenn man dort zum Beispiel die beiden Nichtschwimmerbecken ganz verschwinden lasse. Zudem sollte mit dem auf der Verfüllungsfläche des Schwimmerbeckens vorgesehenen Wasserspielplatz ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen werden.

Den politischen Beratungsgang empfand Dröge als „sehr unglücklich“. Die erste Präsentation sei unangekündigt gelaufen, er habe sie wegen eines Urlaubs nicht erleben können. Weitere Informationen seien tröpfelnd und oft nur sehr kurzfristig gekommen. Trotz der Urlaubszeit hätte man zu einem Ausschuss einladen können. Leider seien auch die Ratsfraktionen wohl nicht in die vorangegangenen Workshops eingebunden gewesen, Gespräche mit der Geno, in denen man sich über die Entscheidung für ein Naturbad hätte austauschen können, habe es auch nicht gegeben.

Für Jens Tschäpe ist die Kritik am Verfahren indes nur ein Teil seiner offen vorgetragenen Besorgnis. Der andere bezieht sich auf die Badform Naturbad grundsätzlich. Worin Tschäpe hier Gefahren sieht und aus seiner Sicht klar das DIN-Bad für Bad Gandersheim vorziehen würde, berichtet das GK in einer weiteren Ausgabe.rah