„Friederike“ fleddert ganze Landstriche

Zahlreiche Schäden auch in Bad Gandersheim und Umgebung / Feuerwehren fast überall seit Mittag im Einsatz

Einer der gravierendsten Schäden in der Region war in Wrescherode zu verzeichnen. Hier hatte ein Sog um die Hausecke den gesamten Südgiebel (Ziegelmauerwerk) oberhalb der Erdgeschossebene herausgezogen und eine riesige Öffnung geschaffen.

Bad Gandersheim. Das Prinzip Hoffnung stirbt zuletzt. Am Donnerstag starb es einen schnellen Tod, denn bereits die ersten Böen des Wintersturmes „Friederike“ machten deutlich, dass der Kelch diesmal wohl nicht an unserer Region so vorüber ziehen würde, wie manches Mal zuvor und zuletzt bei „Burglind“. Diesmal lagen Bad Gandersheim und Umland ziemlich genau in der Zugbahn der Starkwindfelder, in denen Spitzenböen jenseits der Stärke 12 zu erwarten waren.
Dabei war der Vormittag noch vergleichsweise ruhig. Während im Harzraum vorsichtshalber schon gar keine Schule stattfand, ging in der Roswithastadt alles seinen geregelten Gang. Allenfalls dramatische Bilder, die im Internet bereits aus den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen zu sehen waren, machten ein mulmiges Gefühl.

In Absprache mit dem Schulträger nahmen dies mindestens die Oberschulen in Bad Gandersheim und Kalefeld zum Anlass, den verbleibenden Zeitspielraum zu nutzen, um die Kinder nach der vierten Schulstunde nach Hause bringen zu lassen. In anderen Schulen ging der Unterricht weiter, die Busheimfahrten nach 13 Uhr fielen bereits in die Sturmzeit – glücklicherweise sind keine Zwischenfälle bekannt geworden.

Gegen Mittag frischte der Wind merklich auf, bald schon donnerten kräftige Böen durch die Straßen. Und nicht lange danach hallten erste Martinshörner durch die Stadt. Von da an hatte die Einsatzleitstelle in Northeim alle Hände voll zu tun, denn die Bäume kippten zum Teil wie fallende Dominosteine.

Auf der Stiftsfreiheit und im Pump kamen Meldungen von herabgewehten Dachziegeln, die an beiden Stellen wohl auch Kraftfahrzeuge getroffen hatten. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Aus allen Bereichen, und am stärksten betroffen natürlich höher gelegenen, gingen Einsatzmeldungen ein. Zwischen Hachenhausen und Harriehausen fiel ein sehr schwerer Baum über die Straße und unterbrach die Verbindung. Wäre er auf einem Auto gelandet, hätte es Tote gegeben, zum Glück war aber niemand in der Nähe.

Aus vielen kleinen, abgerissenen Ästen, die bald schon zahlreiche Straßen und Wege übersäten, wurden schnell größere. Am Kurhausparkplatz krachte ein solcher direkt neben der Einfahrt auf ein Gashinweisschild und zertrümmerte es. Nur wenige Meter weiter hatten die Böen in der Füllekuhle ältere Bäume regelrecht zerlegt, sie waren kreuz und quer über den Fußweg gestürzt. Im Garten der Generationen fiel eine große Fichte einfach um. Die Wurzelkuhle machte deutlich, warum der Sturm mit vielen Bäumen so leichtes Spiel hatte: Sie stand voll Wasser. Der Boden ist zur Zeit mangels Frost extrem feucht und weich.

Ganze Wand herausgerissen

„Kurz nach den heftigsten Böen wollte ich wissen, wie meine Minigewächshäuschen davon gekommen sind. Eines war zehn Meter weiter und drei Meter höher im Birnbaum gelandet, das andere wild zerfleddert. Was ich dann sah, zeigt die Gewalt der stürmischen Friederike“, berichtet der Wrescheröder Ulrich Schröter. „Sie hat mit ihrem Sog um die Hausecke den gesamten Südgiebel (Ziegelmauerwerk) oberhalb der Erdgeschossebene herausgezogen und eine riesige Öffnung geschaffen. Gegen manche Naturgewalten ist der Mensch machtlos und man kommt ins Grübeln, was uns der Klimawandel noch alles bescheren wird“, so sein Donnerstag-Fazit.

Obwohl in weiten Bereichen der Bahnverkehr bereits eingestellt oder wenigstens stark eingeschränkt war, befand sich gegen 13.30 Uhr der ICE von Hamburg nach Stuttgart im Bereich Bad Gandersheim. Dort endete die Fahrt nahe Gehrenrode an der dortigen Überholstelle. Ein leichterer Baum hatte sich auf die Oberleitung und den Gleiskörper gelegt und der Zug den Baum gestreift sowie zu Teilen überfahren: Sofortiger Nothalt auf freier Strecke war die Folge.

Noch während die Notfallmanager der Bahn die nächsten Schritte zur Heranführung eines Ersatzzuges veranlasst hatten und die Feuerwehren zur Beseitigung der Bäume alarmiert worden waren, fiel ein weiterer Baum auf den stehenden Zug. Daraufhin sei Schmorgeruch in dem getroffenen Waggon festgestellt worden, was zur Evakuierung des vorderen Zugteiles führte.

Zugleich mussten die festsitzenden Reisenden – nachdem sie bereits instruiert worden waren, wie man über Rampen in den Ersatzzug umsteigen sollte – nun erfahren, dass dieser auch durch Bäume aufgehalten worden war. Statt Abholung drohte nun also ein Verweilen, bis die Strecke mit einem Bauzug soweit wiederhergestellt war, dass der Zug per Diesellok nach Hannover zurückgezogen werden konnte.

Trotz der ungemütlichen Aussicht – auch die Heizung im Zug war mangels Strom ausgefallen – nahmen es die meisten Reisenden offenbar verhältnismäßig gelassen hin, so zumindest der Eindruck von außen. Außer den Feuerwehren war aber auch der Rettungsdienst im Einsatz, im Zug musste eine Person wegen Atembeschwerden behandelt werden. Nach über vier Stunden Zwangspause war die Freude dann groß, als sich der Zug mit einem Ruck wieder in Bewegung setzte.

Während dieser Einsatz vornehmlich von den Feuerwehren Altgandersheim und Bad Gandersheim begleitet wurde, riefen am Nachmittag Sirenen die Feuerwehren Clus und Dankelsheim zusammen: Auf der Verbindungsstraße zwischen beiden Orten war ein Baum gekippt – und wie vor Jahren schon einmal – auf der Stromleitung gelandet. Die hielt und riss nicht. So schwebte der Baum nun quer über der Straße, die dadurch aber unpassierbar wurde.
Die Feuerwehren Clus und Dankelsheim und der Energieversorger nahmen die Stelle in Augenschein. Aufgrund der anhaltenden Windlage mit Gefahr weiterer möglicher Baumstürze sowie die hereinbrechende Dunkelheit zwangen aber dazu, die Arbeiten auf den Freitag zu verschieben. Die Strecke blieb über Nacht komplett gesperrt.

Über den gesamten Nachmittag gab es immer wieder Einsätze rund um kippende oder gefallene Bäume. Ob in der Braunschweiger Straße in Bad Gandersheim, wo der Baum fast auf ein Haus gestürzt war, auf dem Lahberg, wo es eine Reihe Bäume flachlegte und an zahllosen anderen Stellen im Stadtgebiet, immer wieder musste gesägt und gezogen werden, um die Sicherheit wiederherzustellen.

Ungezählt sein dürften die kleineren Schäden an Dächern, Autos, weggerissenen Gartenteilen, Planen und anderem mehr. Selbst ein schwerer Doppel-Altkleidercontainer am Netto-Parkplatz konnten den Böen nichts entgegensetzen und kippte rücklings. Der dahinter stehende Zaun verhinderte ein komplettes Umfallen auf den Fußweg, ist nun aber seinerseits geschädigt.

Noch gar nicht abzusehen ist, welche Schäden der Wintersturm in den forstwirtschaftlichen Bereichen verursacht hat. Auch so schon aber war an vielen Stellen zu sehen, dass in den Wäldern eine größere Zahl an Bäumen dem Winddruck nachgegeben hat. Die Beseitigung der Sturmschäden wird so wohl auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.