Gandersheimer Geschichte(n): Das Barfüßerkloster

Vom Franziskanerkloster über Universität und Likörproduktion zum Wohnquartier mit Flair

Als Sponsoren dieses Stromkastens, der eine Aufnahme des Straßenzugs von 1910 zeigt, haben sich die Familien Fuchs, Albig, Petzold und Herr Erichson zusammengeschlossen.

Bad Gandersheim. Wenn man heute durch die Stadt wandert, weist nur noch ein kleines Straßenschild auf ein geschichtsträchtiges Viertel hin, das Barfüßerkloster. Gründer dieses Ordens war Franz von Assisi. Sie wurden auch Bettelmönche genannt, weil sie wie die Orden der Dominikaner und Augustiner-Eremiten ihren Lebensunterhalt durch milde Gaben bestritten; nicht wie die alten Orden der Benediktiner aus eigenem Grundbesitz und Vermögen.

Die Gründung dieses Franziskanerklosters in Gandersheim geht auf Herzog Heinrich den Älteren im Jahr 1501 zurück. Die Gründung des Klosters führte zu Streitigkeiten mit dem Stift, denn die Einrichtung eines Franziskanerklosters bedeutete einen Angriff auf die Pfarrrechte der Abtei. Die Äbtissin konnte sich bei den Verhandlungen allerdings durchsetzen und erreichte, dass die Franziskaner die Stiftskirche nicht nutzen durften, das Stiftskapitel allerdings bei der Fronleichnamsprozession mit dem Kreuz in die Barfüßerkirche einziehen konnte.

Der Herzog förderte die Gründung des Klosters, da bereits seit 1490 die Wilhelmsburg als städtische Residenz erbaut worden war und man eine loyale geistige Gemeinschaft in unmittelbarer Nachbarschaft haben wollte. Die Klosterkirche diente während der Zeit ihres Bestehens als Herzogengrablege. Elisabeth von Stolberg, Ehefrau des Herzogs Wilhelm dem Jüngeren von Braunschweig und der Enkel Andreas wurden hier beigesetzt.

Im Jahr 1532 ereignete sich die Geschichte, die heute immer gern bei den Stadtführungen erzählt wird und die Fantasie über Jahrhunderte bis heute bewegt. Der vorgetäuschte Tod und das Begräbnis der Edelfrau Eva von Trott im Barfüßerkloster, die die Geliebte des Herzogs Heinrich des Jüngeren war, fesselt heute noch die Zuhörer. Er ließ für die angeblich auf der Durchreise in Gandersheim an der Pest gestorbene ein prunkvolles Begräbnis von den Mönchen inszenieren.

Noch während die feierliche Trauerfeier im Kloster stattfand, befand sich Eva von Trott auf dem Weg zur Stauffenburg. Martin Luther griff in seiner Schmähschrift „Wider Hans Worst“ das Verhalten des katholischen Fürsten an und verurteilte dieses scharf. Eva von Trott wurde wie eine Gefangene auf der Staffenburg gehalten, ohne Kontakt zur Bevölkerung und stets dem Herzog zur Befriedung seiner Lust willig unterworfen.

Während der Besetzung Gandersheims durch die schmalkaldischen Truppen wurde nach dem Sarg gegraben. Der Betrug flog auf. Die Eltern klagten auf dem Reichstag zu Regensburg auf „Herausgabe“ der Tochter. Eva von Trott wechselte mehrfach den Wohnsitz, erst auf die Liebenburg, später nach Hildesheim, wo sie 1567 verstarb.

Herzog Heinrich der Jüngere als glühender Verfechter des katholischen Glaubens, konnte nicht verhindern, dass bereits zu seinen Lebzeiten die Städte Braunschweig und Goslar protestantisch wurden. Sie wollten gezielt gegen den regierenden Herzog ihre Unabhängigkeit unter Beweis stellen und wurden vom Schmalkaldischen Bund unterstützt. Herzog Heinrich der Jüngere konnte ebenfalls nicht verhindern, dass der Sohn Julius sein Nachfolger wurde und die Regierungsgeschäfte übernahm.

Durch einen Unfall in der Jugend körperlich eingeschränkt, war er für eine „geistliche Laufbahn“ vorgesehen. Er war Anhänger der neuen Lehre. Herzog Julius stützte sich auf den Augsburger Vertrag, der dem Landesherren das Recht einräumte, für seinen Machtbereich die Religion vorzugeben.

Mit Einführung der Reformation durch Herzog Julius wurde das Kloster 1569 aufgelöst. Er investierte in die Gebäude des ehemaligen Klosters und gründete das Paedagogium illustre, eine Vorstufe einer Universität. Erneut gab es Streitigkeiten mit dem Stift. Das Stift lehnte jegliche Unterstützung ab und die Kanoniker weigerten sich, Vorlesungen zu halten. Die Bürger lieferten keine Lebensmittel und die Bader gewährten den Studenten keinen Zutritt in die Badehäuser.

Zwei schwere Unwetter machten die große Zukunft Gandersheims als Universitätsstadt endgültig zunichte. In den tiefer gelegenen Straßen der Stadt soll das Wasser „zweimannshoch“ gestanden haben. Seuchen drohten, Häuser waren eingestürzt und viele Menschen obdachlos. Herzog Julius verlegte die Lehranstalt nach Helmstedt.

Nach dem großen Stadtbrand im Jahr 1580 dienten die Gebäude als Notunterkunft für die Brandopfer. Ende des 17. Jahrhunderts musste die Klosterkirche wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Die Klostergebäude brannten am 22. Januar 1834 ab. Heute erinnert nur ein verwitterter Grabstein an das Kloster.

Viele Gebäude in dem Wohnviertel wurden auf alten Kellergewölben errichtet. Um 1900 siedelten sich weitere Wirtschaftsbetriebe in Gandersheim an. Dazu gehörte auch die Likörfabrik im Barfüßerkloster des Kaufmanns Hans Lochte aus Alfeld. Der hatte den Betrieb von seinem Schwiegervater August Schütte übernommen. Schütte war Mitglied des Stadt-Magistrats, später Mitglied des Braunschweigischen Landtags und des Deutschen Reichstags.

Heute ist das Wohnviertel ein Ort der Begegnung, unter anderem ein Zentrum für Salutogenese. Die Bewohner treffen sich während des Altstadtfestes zur Klosterwache, um gemeinsam zu feiern und gemeinsam gegen die ungeliebten Randerscheinungen einer solchen Großveranstaltung vorzugehen. Man lebt hier ruhig in diesem geschichtsträchtigen Viertel der Stadt. Der KVV bedankt sich bei den Anwohnern des Barfüßerklosters.red