VON Tina Fibiger

Gelungene Nachlese für Flower Power-Fans

Band und Ensemble der Domfestspiele ließen das Musical „Hair“ im Irmgart-Benesch-Kulturhof noch einmal aufleben

Stimmung wie zu Woodstock-Zeiten.

Bad Gandersheim. Am Piano hat Patricia Martin die Moderation für das „Hair-Nachspiel“ übernommen, unmittelbar nach einer weiteren enthusiastisch gefeierten Vorstellung. Sie strahlt, denn sie könnte jeden Song mitsingen. Und wenn ihr Mikrofon mit dem Sternenbanner Outfit gerade nicht gebracht wird, kommt der Background Chor dann auch nicht nur von den Tasten. Mit „Aquarius“ macht das Flower Power Ensemble gleich zum Auftakt Stimmung für die Woodstock Aera und die vielen tollen Bands, die den „Summer of 69“ 50 Jahre danach noch immer unvergesslich machen.

„In diesem Spirit geht’s gleich weiter“, verkündet Tim Müller mit „I’m a believer“ von den Monkeys, die damals mit ihrer Show vor allem die Fernseheltern als langhaarige, ewig gut gelaunte Boy Group verschreckten und damit die Teens umso mehr begeisterten. Mit dem 69er Sommerhit von Bryan Adams schwärmen sich Daniel Eckert und Rebecca Manui Stahlhut in die Herzen ihres Publikums, das natürlich erneut mitschwingt und tanzt und dabei manchmal auch in Erinnerungen schwelgt. Erst recht mit dem Beatles Hit „Hey Joe“, wo Carina Shamila auf einen vielstimmigen Chor vertrauen kann, der den Song wie eine Hymne strahlen lässt. Das vergnügt nun Patricia Martin erneut, die zur late Show im Kulturhof  auch eine „Quiz-Time“ arrangiert hat. Die Zuschauer kennen sich aus in den alten Charts, egal ob es um die legendäre „Abbey Road“ geht oder Joni Mitchells musikalische Woodstock Träume von einem Gold glänzenden Sternenhimmel.

Damals wie heute kollidierte die Flower Power Offensive  mit dem Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmheit mit der gesellschaftspolitischen Stimmungslage, um auch von empörten Moralisten attackiert und ins Abseits gestellt zu werden. Von wegen Sex and Drugs and Rock’n Roll. Ein Augenzwinkern über die mitunter verqueeren und manchmal sehr strapaziösen Zeiten ist dann auch mit im Spiel, wenn Sven Olaf Denkinger noch einmal als Drag Queen posiert und seine wunderbare Show jetzt auf das Musical „La Cage aux Folles“ überträgt. Sexuelle Freiheit meinte ja auch damals die sexuelle Selbstbestimmtheit, egal ob homosexuell, lesbisch oder bisexuell. Und weil die Kämpfe noch längst nicht ausgestanden sind, berührt der Song umso mehr, in dem Daniel Eckert diesem ewige Versteckspiel und den Anpassungszwängen eine Stimme gibt. In den alten Songs steckt eben auch ganz viel aktueller Stoff, den das „Hair-Ensemble“ gerne frech zuspitzt, etwa wenn es um die globale Erwärmung geht Esther Conter, Elena Otten und Vera Weichel kontern die Tunes aus Hair gegen eine atomar verseuchte Welt mit einem „Hallo Schwefeldioxit“  und einem „tief atmen“.  Der Zauber von Katarzyna Gorczyca vertreibt die dicke Luft ganz unmittelbar, wie schon im „Zauberer von Oz“, wo ihre Gilda die reisenden Gefährten immer wieder optimistisch stimmte. Da werden sogar die beiden Munchkins (Sabine Romanczak, Jakob Urbanski) zu verspielten und knuffigen guten Geistern, die ihr Publikum mit den schönsten Grimassen fröhlich stimmen.

An die leidenschaftliche Aufbruchstimmung im Summer of 69 knüpft Ether Conter mit einem ebenso leidenschaftlichen „Je veux“ in einem berührenden Duett mit Ferndinand von Seebach an der Posaune an. Mit seiner Posaune grooved er dann  auch ganz wunderbar, wenn Rebecca Manui Shahlut mit „Dream a little Dream of me“ die Phantasie Flower Power Fans beschwingt. Die genießen nun das ganz spezielle Ständchen von Stephan Luethi, von dem ein Kritiker meinte, seine Stimme klinge wie die von Phil Collins und sagen sich bei dem Song „I’ll be there“ auch gern, why not.

Sven Olaf Denkinger möchte gern noch ein bisschen Magie auf die Bühne zaubern und zaubert hinreißend. Dazu Patricia Martin ein weiteres magisches Rätsel auf Lager, wenn sie die Melodie aus der Fernsehserie „Zauberhafte Jeannie“ anspielt. Die errät das Publikum natürlich ebenfalls und dazu  Larry Hagmann in der Rolle eines Astronauten als störrischem Gefährten der Magierin, um sich von Ferdinand von Seebachs Posaune erneut in himmlische Sphären locken zu lassen. „Fly me to the moon“ lockt Katarzyna Gorczycas „Glinda“ und die beiden „Munchkins“ auch wieder herbei. Mit den Beatles und der Aussicht auf „Strawberry Fields Forever“ verzaubern sie zunächst vor allem Patricia Martin, der sie einen rosa verpackten Zaubertrank verehren, auf das der Sektkorken nach der Show auch mächtig knallt. Doch noch einmal wird die optimistische Botschaft von Liebe und Magie besungen, in die sich Vera Weichsel mit Barbara Streisands Song „People“ und ihren ganz besonderen Verliebtheiten hinein träumt.

Sven Olaf Denkingers Ankündigung, „ so Herrschaften, 69 ist jetzt vorbei“, boykottiert das tanzende, rhythmisch klatschende Publikum mit großem Vergnügen. Es wartet bereits auf die euphorische Hymne, „Let the Sunshine in“, bei der Samuel Pitt den Chor der Stimmen wieder so kraftvoll dunkel grundiert. Nach dem enthusiastischen Beifall für das „Nachspiel“ ist noch ein Nachspiel fällig. Mit der Titelmelodie aus „Hair“. Die Partystimmung hält an und so feiern Flower Power Woodstock Fans jetzt einfach weiter.red