Geöffnete Kanaldeckel führen zu Problemen

Verstopfungen und Rückstau im Abwasserkanalsystem nach Starkregen / Hohe Kosten / Tipps zum Vermeiden von Hochwasserschäden

Astrid Schelle zeigt auf den Deckel eines Abwasserkanals (im Foto links), der auch und gerade im Überflutungsfall niemals geöffnet werden sollte und den Regenwassereinlauf eines Niederschlagswasserkanals (rechts). Auch bei diesem sollte im Überflutungsfall bestenfalls der Schmutzfangkorb darunter entnommen und das Gullygitter dann wieder eingesetzt werden, so die Bitte der Betriebsleiterin.

Bad Gandersheim. Die starken Regenfälle vor zwei Wochen und das damit verbundene Hochwasser haben ein Problem deutlich gemacht: Mit der guten Absicht, die durch vollgelaufene Straßen in Ackenhausen und Altgandersheim entstandenen Gefahrensituationen zu entschärfen, seien auch Deckel von Abwasserkanälen geöffnet worden, sagt Astrid Schelle, Leiterin des Eigenbetriebs Stadtwerke, und berichtet von entsprechenden Beobachtungen städtischer Mitarbeiter.

Die Folge sei gewesen, dass Niederschlagswasser in das Abwasserkanalsystem floss, das aber für diese Mengen nicht dimensioniert ist. „Wenn das im gesamten Stadtgebiet passiert, wäre das fatal“, betont Schelle.

Beim Hochwasser im vergangenen Jahr sei die Zahl der gezogenen Kanaldeckel geringer gewesen. Doch nicht  nur die Wassermengen seien ein Problem: Das Kanalsystem werde zerstört, weil durch die geöffneten Deckel Steine, Äste, Schlamm und anderes, was im Wasser schwimmt, in die Netze hineingespült werden. Es könne Verstopfungen und einen Rückstau von Fäkalien geben, die in den Straßen irgendwann hochkommen. Mögliche Folge für Privathäuser, solange der Rückstau nicht beseitigt ist: Toilettenspülungen fließen nicht mehr ab. Nicht zuletzt bestehe durch die geöffneten Deckel die Gefahr, dass Menschen hin­einstürzen. Schon um Leben zu schützen, müssten die Deckel daher grundsätzlich geschlossen bleiben.

Der Einsatz von Spülwagen könne bei Verstopfungen in vielen Fällen nicht mehr helfen. Tiefbaufirmen müssten mit dem Bagger alles aufschachten, was erhebliche Vermögensverluste verursache. Dies führe letztendlich zu Gebührensteigerungen. Weil beim Hochwasser im vergangenen Jahr außer Deckeln von Schmutzwasserkanälen auch die von Regenwasser-Gullyeinläufen sowie fest eingebaute Rechen geöffnet wurden, seien Schäden am Gemeinwesen in Höhe von 12.000 Euro in beiden Kanalsystemen entstanden.

Mit Spülwagen allein habe sich der entstandene Stau im Kanalsystem nicht mehr beseitigen lassen, so Schelle. An drei Stellen seien Tiefbaufirmen zum Einsatz gekommen, was die hohe Schadenssumme widerspiegele. Im Vergleich zum Vorjahr seien vor zwei Wochen mehr Schmutzwasserkanaldeckel geöffnet worden. Wie hoch die Schadenssumme im Kanalsystem dieses Mal sei, lasse sich noch nicht beziffern.

Problematisch seien nicht nur Verstopfungen im Kanalsystem, sondern beim vergangenen Hochwasser auch die Situation in der Kläranlage gewesen. Dort war das Notauffangbecken bis zur Oberkante gefüllt. Weil die Hebeanlage im Bereich Dreilinden, die Fäkalien auf eine andere Höhe pumpt, an diesem Abend durch einen Stromausfall ausgefallen war, wurde ein Mitarbeiter durch einen automatischen Notruf alarmiert. Als er an der Kläranlage eingetroffen war, sah er, dass die beiden Notauffangbecken vollliefen, erzählt Schelle. Er habe die Schnecken im Zulaufpumpwerk beschleunigt, damit mehr in die weitere Verarbeitung hochgefördert werde.

In Bad Gandersheim gibt es ein Kanalnetzwerksystem, das den Ablauf des Niederschlagswassers – und davon getrennt – des Abwassers in gesonderten Kanälen vorsieht. In der Kläranlage werde das Abwasser aufbereitet, um es dann der Gande wieder zuzuführen. Das Niederschlagswasser werde an unterschiedlichen Stellen ins Gewässer eingeleitet.

Für den Bürger gibt es verschiedene Möglichkeiten, sein Eigentum zu schützen, verdeutlicht die Leiterin. Dazu zählen Sandsäcke. Während des Einsatzes seien in Altgandersheim mehr Sandsäcke benötigt worden als vor Ort waren. Inzwischen ist der Vorrat aufgefüllt worden. „Man lernt aus jedem Schadensereignis wieder neu hinzu“, sagt Bad Gandersheims Bürgermeisterin Franziska Schwarz. Nach jedem solchen Hochwasserereignis gebe es eine Besprechung, um auszuloten, was verbessert werden könne.

Durch den Einbau von Rückstauklappen könnten bei einem Rückstau im Kanalsystem das entsprechende Wasser nicht in das Haus einstauen und Toiletten nicht überlaufen, nennt Schelle eine weitere Möglichkeit. Ein Grundstück sollte wenig versiegelt, Regenwasser genutzt, Trinkwasserressourcen geschont und sich so mit dem Wasserkreislauf beschäftigt werden. Am unteren Ende eines abfallenden Grundstücks empfehle sich das Anpflanzen von Bäumen. Außerdem sollte dafür gesorgt werden, dass eine Abflussrinne vorhanden ist.

Generell gelte es, die Ruhe zu bewahren. Die Einwohner könnten gewiss sein, dass es Menschen gibt, „die ihnen helfen und die sie auch alarmieren, wenn sie in Gefahr sind“.

Im Wasserhaushaltsgesetz gebe es viele Vorgaben, die dazu beitragen sollen, Problematiken zu verhindern, die mit starken Regenfällen in Verbindung stehen. Generelles Ziel müsse sein, die Fließgeschwindigkeit des Wassers zu verlangsamen. „Alle wollen, dass es schneller abfließt, aber wir müssen das Gegenteil versuchen“, so Schelle. Versiegelte Flächen sollten vermieden werden. Es müsse versucht werden, vor Ort kleinere Maßnahmen durchzuführen. „Wenn jeder eine Zisterne hätte, könnte man eine Menge auffangen“, nennt sie ein konkretes Beispiel.

Während eines Hochwasserereignisses würden viele Menschen bei den Stadtwerken anrufen und denken sie seien alleingelassen. „Wir haben ganz viele Informationen im Hintergrund“, so die Betriebsleiterin und nennt als ein Beispiel die Pegelstände. Beim vergangenen Hochwassereinsatz seien außer der Feuerwehr und Polizei ein Netzwerk von acht städtischen Mitarbeitern im Einsatz gewesen, jeweils einer von Stadtwerken und Kläranlage, ein Vorarbeiter vom Baubetriebshof, sein Stellvertreter, eine Person der Rufbereitschaft, ein Elektriker vom Baubetriebshof, ein Mitarbeiter vom Wasserwerk und  Bürgermeisterin Franziska Schwarz.

Fortlaufend seien Lageberichte erstellt worden, um Gefahrenprognosen erstellen zu können, berichtet Schelle, für die Hochwasserereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen. „Alles, was die Umwelt schont, ist auch ein Beitrag zum Hochwasserschutz“, lautet ihr Fazit. Das Vermeiden von Plastik und Müll nennt sie als konkrete Verhaltenstipps.art