Geschichte(n): Der Römische Kaiser

Vom Gästehaus des Herzogs von Braunschweig zum modernen Geschäfts- und Ärztehaus

Steffi und Hans-Peter Blei vor dem historischen Bild des Römischen Kaisers.

Bad Gandersheim. Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig (1489 bis 1568) hegte eine Vorliebe für die Stadt Gandersheim und hielt sich häufig auch längere Zeit, teilweise bis zu vier Monaten, hier auf. Zu seinen Residenzen zählen außer Gandersheim noch Wolfenbüttel und das Jagdschloss Fürstenberg an der Weser. Auch außerhalb dieser Zeit weilte der Fürst in Gandersheim, wenn es die Staatsgeschäfte erforderten oder ihn persönliche Bindungen wie die zu Eva von Trott hier fesselten. Nach ihm residierte sein Sohn und Nachfolger Herzog Julius (1568-89) mehrfach hier.

Für den Herzog wurde die Burg 1530 umgebaut. Besonderen Wert wurde auf die Verteidigungsanlagen gelegt, da der Herzog viele Feinde im Land hatte. Er befahl den Abriss der Bürgerhäuser am Südrand des heutigen Plangartens. Die Entschädigung der Hausbesitzer sollte das Stift leisten.

Da er auch während seines Aufenthaltes in Gandersheim regiert, musste eine Kanzlei eingerichtet werden; Kanzler, Räte und Sekretäre waren unterzubringen. Eine starke Leibwache sorgte für seine Sicherheit; ein Marschall, Hauptleute und Landsknechte bildeten seinen Hofstaat. Notwendig waren ein Arzt, Apotheker, Barbier und Kämmerer, nicht zuletzt Mundkoch, Weinkellner, Büchsenmeister, Jäger und viele andere. Deshalb wurden in jener Zeit viele Häuser in der Stadt von herzoglichen Beamten und Dienern gekauft, gemietet oder neu erbaut.

Residierte der Herzog hier, dann kamen viele Besucher, die unterzubringen waren. Es war deshalb Herzog Heinrich, der den Bau eines Gasthauses unmittelbar vor der Burg anregte und förderte. Er wurde dadurch Gründer des damaligen Hotels „Römischer Kaiser“.

Am 1. Oktober 1533 schloss er mit einem ihm bekannten Weinschenk Peter Rigler aus der Stadt Braunschweig einen Vertrag ab. Der Herzog förderte den Bau eines Gasthauses in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schloss und Rigler verpflichtete sich Unterkünfte nach Bedarf bereitzuhalten.

Da der Grund und Boden dem Reichsstift gehörte, hätte der Herzog den Bau des Gasthauses an dieser Stelle nicht veranlassen dürfen. Das führte zu Streitigkeiten mit dem Stift, die erst 1547 mit einen Vertrag mit der Äbtissin Magdalena von Chlum beigelegt werden konnten. Da das Objekt nicht abgerissen werden konnte, wurde der Betreiber verpflichtet, zukünftig einen Pachtzins an das Stift zu leisten. 1566 veräußerte das Reichsstift auf Befehl des Herzogs die Schenke an Hans Köhler. Weitere Besitzer waren Bürgermeister oder mindestens Ratsherren der Stadt. In der Häuserchronik der Stadt Gandersheim von Kurt Kronenberg kann die Vielzahl der Hausbesitzer nachgelesen werden.

Im Herbst 1998 ersteigerten die heutigen Besitzer Hans-Peter und Steffi Blei das sanierungsbedürftige Objekt. Im November des gleichen Jahres ereignete sich das Jahrhunderthochwasser. Allen sind noch die Bilder von Booten in der Burgstraße im Gedächtnis. Mit viel Liebe zum Detail und Tatkraft weckten die neuen Hauseigentümer den geschichtsträchtigen Gasthof aus seinem Dornröschenschlaf. Heute beherbergt das Haus einen bekannten Optiker und zahlreiche Ärzte praktizieren in dem historischen Gebäude.

In der Toreinfahrt kann man auf einer Holztafel die Geschichte des Hauses nachlesen. Der Römische Kaiser gehört seit der Renovierung zu den Juwelen im historischen Stadtbild. Das Bild auf dem Stromkasten zeigt eine größere Gesellschaft um 1930 vor der Gaststätte. Nach längerer Recherche konnte anhand der Fahne ermittelt werden, dass die Gruppe wohl zu der Lebensreformbewegung gehören muss. Die Lebensreformbewegung war eine hauptsächlich bürgerlich dominierte Bewegung, an der auch viele Frauen teilnahmen. In der Körperkultur ging es darum, unter dem Eindruck von Industrialisierung und Verstädterung den Menschen zum Ausgleich viel frische Luft und Sonne zu verschaffen.

Einige Bereiche der Lebensreformbewegung, wie zum Beispiel die Naturheilkunde oder der Vegetarismus, waren in Vereinen organisiert und erfuhren regen Zulauf, was sich in den Mitgliederzahlen widerspiegelt. Eine solche Vereinigung soll auch in Bad Gandersheim bestanden haben.

Der Kur- und Verkehrsverein bedankt sich ganz herzlich bei der Familie Blei, die bereits bei den verschiedensten Unternehmungen des KVV mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat.red