Helios: Veränderungen am Klinikstandort Bad Gandersheim

Lage weiter schwierig: Geriatrie lohnt sich vor Ort nicht – Verlagerung dieses Angebotes nach Northeim die Folge

Die Helios Klinik Bad Gandersheim: Der Fachbereich Geriatrie soll nun nach Northeim verlagert werden.

Bad Gandersheim. In den zurückliegenden Jahren wurde durch Veränderungen und Neustrukturierungen versucht, das Leistungsspektrum der Helios Klinik Bad Gandersheim zu erhalten und zu erweitern. Doch die Situation vor Ort ist weiterhin schwierig, die Zahl der Patienten seit Jahren rückläufig. Am Donnerstag hat die Klinikleitung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Schließungsabsicht der Geriatrie informiert.

Die besondere Situation während der Corona-Pandemie nicht eingerechnet, waren 2015 bis 2019 in der Helios Klinik Bad Gandersheim durchschnittlich nur rund 60 Prozent der Betten belegt, Tendenz fallend. Seit Jahren bereits verzeichnet die Klinik ein negatives Betriebsergebnis.

Dies ist zum einen Folge des medizinischen Fortschritts, durch den viele Eingriffe und Behandlungen ambulant erfolgen können und als stationäre Therapien nicht mehr vergütet werden. Zum anderen wenden sich Patienten zunehmend an größere Krankenhäuser, die über ein deutlich breiteres, interdisziplinäres Leistungsspektrum mit spezialisierten Fachabteilungen und eine Notfall- und Intensivmedizin für schwere Krankheitsverläufe verfügen. Gleichzeitig wächst der Druck auf kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum.

Fehlende Perspektiven für die Geriatrie

„Die Vorhaltung personeller Mindestbesetzungen und multiprofessioneller Teams als Abrechnungsvoraussetzung, gerade auch im Bereich der Geriatrie, ist für kleinere Kliniken deutlich schwieriger als für große Krankenhäuser, die Synergieeffekte nutzen können“, erklärt Klinikgeschäftsführer Johannes Richter. „Die Auslastung unserer geriatrischen Station lag 2019 bei nur 46 Prozent. Vor diesem Hintergrund beabsichtigen wir, die Geriatrie in der Helios Klinik Bad Gandersheim angesichts fehlender Perspektiven in diesem Jahr zu schließen“.

Northeim in 2021 mit eigenem Versorgungsangebot

Hinzu kommt, dass die Helios Albert-Schweitzer-Klinik Northeim noch in 2021 eine eigene Geriatrie eröffnet, um dem lokalen Bedarf gerecht zu werden. Ihre deutlich breitere interdisziplinäre Ausrichtung macht eine umfassende, ganzheitliche Betreuung älterer Menschen möglich, eine umfangreiche radiologische Diagnostik, konsiliarische Mitbehandlungen und eine intensivmedizinische Versorgung eingeschlossen.

Beispielsweise gibt es in der Northeimer Klinik eine Abteilung für Neurologie, die in Zusammenarbeit mit der Geriatrie deutlich umfassendere Möglichkeiten der Demenzabklärung bietet. Auch ist vor Ort ein Dialysezentrum vorhanden. Da Behandlungsverläufe geriatrischer Patienten oft durch überwachungspflichtige Erkrankungen und Komplikationen geprägt sind, trägt auch die vorhandene Intensivstation in Northeim zu einer erhöhten Versorgungsqualität bei.
„Eine vergleichbare fächerübergreifende Zusammenarbeit, Diagnostik und Therapie ist in unserer Klinik nur in eingeschränktem Rahmen möglich. Dadurch ist in der Helios Klinik Bad Gandersheim mit einem erheblichen Rückgang geriatrischer Patienten zu rechnen, die künftig vorrangig das medizinische Angebot in Northeim nutzen werden“, erläutert Johannes Richter und ergänzt: „Ein Großteil unserer geriatrischen Patienten stammt aus Northeim und umliegenden Ortschaften, nur sehr wenige aus Bad Gandersheim selbst. Damit besteht im direkten Einzugsgebiet der Klinik kaum Bedarf für geriatrische Behandlungen. Rund 40 Prozent der Verlegungen aus anderen Kliniken in unsere Geriatrie erfolgt aktuell aus der Helios Albert-Schweitzer-Klinik Northeim“.

Große Verbundenheit und regionale Perspektiven

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dem Haus eng verbunden, oft über Jahrzehnte hinweg. Sie alle tragen mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement dazu bei, die Patienten in der Helios Klinik Bad Gandersheim optimal zu versorgen und haben gerade in den letzten Monaten bei der Versorgung der COVID-19-Patienten ganz besonderes geleistet. „Mit Blick auf das Wohl der Erkrankten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Herausforderungen der letzten Jahre stets mit einer hohen Bereitschaft zum Wandel und starkem Zusammenhalt begegnet. Bei der Umstrukturierung der Klinik zur zentralen Einrichtung für die Behandlung nicht-intensivpflichtiger COVID-19-Patienten war dies deutlich spürbar. Ihrem großartigen Einsatz für und in der Helios Klinik Bad Gandersheim gilt mein aufrichtiger Dank“, betont der Klinikgeschäftsführer: „Umso mehr bedauern wir es, im Rahmen der geplanten Schließung der Geriatrie nicht mehr allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Arbeitsplatz in unserer Klinik bieten zu können“.

Mit dem Betriebsrat werden jetzt Gespräche zu Interessenausgleichsverhandlungen über die beabsichtige Schließung der Geriatrie aufgenommen. Die umliegenden Helios Klinikstandorte in Northeim, Herzberg, Salzgitter und Hildesheim haben bereits großes Interesse signalisiert, so vielen Kolleginnen und Kollegen wie möglich eine Weiterbeschäftigung in den eigenen Reihen anzubieten.

„Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation arbeiten wir an verschiedenen Zukunftskonzepten, um unserer Klinik eine sichere Perspektive zu geben. Dazu führen wir Gespräche mit möglichen lokalen und regionalen Kooperationspartnern“, so Johannes Richter.

Geriatrie (Altersmedizin)

In der Geriatrie werden Patienten ab 70 Jahren und älter behandelt. Sie kommen meist nach der Versorgung ihrer akuten Erkrankung im jeweiligen Fachbereich (zum Beispiel aus der Orthopädie mit einem Schenkelhalsbruch oder der Inneren Medizin bei Herz-Rhythmus-Problemen) in die Geriatrie und erhalten dort ein spezielles Behandlungsangebot, das gezielt auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingeht. Denn: Ältere Menschen leiden häufig nicht nur unter einer akuten Erkrankung, sondern unter mehreren (chronischen) behandlungsbedürftigen Krankheiten.

Zudem verarbeitet der Stoffwechsel Medikamente langsamer, die Regenerationsphase ist verlängert, die Mobilisation erschwert. Im Rahmen einer Verletzung/ Erkrankung besteht unter anderem eine erhöhte Gefahr für Komplikationen und Folgeerkrankungen sowie einer Verschlechterung oder des Verlustes der Selbstständigkeit. Um die Patienten bestmöglich zu versorgen und zu behandeln, arbeiten in der Geriatrie Ärzte, Pflege, Therapeuten und Sozialdienst im Team eng zusammen.red