„Jeanne d’Arc“ in neuem Gewand

Premiere im Probenzentrum der Domfestspiele / Theaterpädagoge Lukas Keller schildert Entstehungsprozess

Die Spielfreude war den Darsteller durchweg anzusehen.

Bad Gandersheim. Einmal im Leben müsste man Schauspieler sein. Große Emotionen, ein ekstatisches Publikum, das Spotlight und tosender Applaus – wer hat nicht schon einmal davon geträumt, zu einem Star zu avancieren, und von der Welt für seine Schauspielkunst geliebt zu werden. Diesen Traum werden vielleicht auch die acht Darsteller des Extra-Ensembles der Gandersheimer Domfestspiele gehabt haben, bevor sie den Entschluss getroffen haben, ihre Fähigkeiten auf der Bühne zu erproben.

Katharina Abeler, Caroline Linke, Karin Renneberg, Rolf Renneberg, Magnus Heitmann, Jeanette Schmitz, Kristin Mössinger-Germer und Lothar Germer sind die Darsteller des Extra-Ensembles die am vergangenen Freitag mit ihrem Stück „Jeanne d’ Arc“ Premiere im Probenzentrum der Domfestspiele feierten. Unter der Leitung von Lukas Keller, Theaterpädagoge der Gandersheimer Domfestspiele, haben sie in etwa sechs Monaten das Theaterstück auf die Beine gestellt und mit Inbrunst und Spielfreude ihrem Publikum präsentiert.

„Ich mache Bildungsarbeit“, beschreibt Keller seine Tätigkeit. Es ginge darum, den Darstellern zu helfen, sich künstlerisch zu verwirklichen. Nach dieser Philosophie geht Kellers Prozess weit über das bloße Einstudieren von Texten und auf der Bühne präsentieren hinaus.
Zunächst konnten sich das Ensemble kennenlernen. Zahlreiche Gespräche mündeten schließlich in der Entscheidung, „Jeanne d’Arc“ auf die Bühne zu bringen. Das Stück konnte nämlich von den Darstellern „erwählt und erarbeitet“ werden. Keller hatte bewusst keine Vorgaben gemacht, um die Möglichkeit zu bieten, eine persönliche und individuelle Nähe zum Material aufbauen zu können.

Es kristallisierte sich schnell heraus, dass sich die Akteure mit dem Rollenbild der Frau auseinandersetzen wollten. Daraufhin seien sie auf „Jeanne d’Arc“ gestoßen. „Dann haben wir in drei Stufen die finale Fassung des Stückes festgelegt“, erinnert sich der Theaterpädagoge. Eingangs wurden das Original und die Schillertexte („Die Jungfrau von Orleans“) studiert und gespielt. In der zweiten Stufe hatten die Schauspieler die Freiheit das Stück frei zu interpretieren und sich so der eigenen Fassung zu nähern. „Es gab derbe Sprüche, es wurde geflucht und beleidigt“, verriet Keller amüsiert. Abschließend ergab sich im letzten Schritt die finale Form durch die in der Praxis erprobten Änderungen und erdachten Dialoge. So sei etwa aus der stolzen Kriegerin Jeanne d’Arc eine geschickte Diplomatin geworden, was Anklang zur aktuellen Situation in der Ukraine finden sollte.

Das Extra-Ensemble ist in seiner jetzigen Konstellation seit 2017 zusammen. Die erste eigene Produktion stellte die Gruppe 2019 mit „Evangelio“ auf die Beine. „Viele Mitglieder sind sogar schon länger dabei – damals im sogenannten ‘Extra-Chor’“, berichtete Keller.

Im März dieses Jahres war die Stückfassung fertig. So konnten die Schauspieler mit jahrelanger Erfahrung und einem individuell gestalteten Theaterstück die eigentliche Fleißaufgabe angehen – das Proben. „Ich achte in dieser Phase auf die Gesamtästhetik und Kontinuität“, beschrieb der Pädagoge seinen Prozess. Im Einzelnen gebe er den Ensemble-Mitgliedern Spielaufgaben beziehungsweise Korrekturen, die sie in ihr Spiel integrieren können. Dadurch werde das Gesamtwerk Stück für Stück optimiert.

Am vergangenen Freitag feierte „Jeanne d’Arc“ also Premiere und das Ensemble konnte ihrer Spielfreude freien Lauf lassen. Eben diese Spielfreude sei für Keller das Wichtigste bei derartigen Projekten. „Ich will Spielfreude wecken oder bereits vorhandene erhalten“, erklärte er. Entsprechend stolz und glücklich war er nach der Aufführung, die mehr als 60 Gäste begeistern konnte. „Ich freue mich für das Ensemble“, resümiert Keller. Nach einem halben Jahr kontinuierlicher Arbeit könne die Gruppe nun die Früchte ihrer Anstrengungen genießen.kw