Kippt der Kletterturm den Clusturm: Werden Stadtmittel umgewidmet?

Realisierung des Clusturmwiederaufbaus in diesem Jahr kaum realistisch / Aber 60.000 Euro dafür im Etat

Die Situation heute: Nur noch der Steinsockel des Turmes wurde erhalten. Der Turm in alter Höhe sollte darauf wiedererrichtet werden. Mittel dafür stehen hälftig im Haushalt der Stadt. Werden sie nun, weil die Gegenfinanzierung fehlt, einem anderen Projekt gewidmet?

Bad Gandersheim. Er war einmal der Stolz der Stadt. Ein hoher Aussichtsturm auf dem Clusberg, im Volksmund als der Clusturm bekannt. Im Jahrhundertwendejahr 1900 wurde das Bauwerk eingeweiht, seinerzeit erhob es sich rund 23 Meter über den Waldboden und ermöglichte über die Baumwipfel hinweg einen weiten Blick bis in den Harz oder das Weserbergland.

Wer heute auf den Clusberg hinauffährt, was bis kurz vor den Turm möglich war und ist, findet keinen Turm mehr, sondern nur noch den Rest, den steinernen Sockel von etwa zehn Metern Höhe. Der gesamte Holzoberbau war in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts baufällig geworden, die Stadt setzte kein Geld ein, um ihn zu sanieren, am Ende stand der Rückbau bis auf eben den Sockel.

Nur noch einen „Stummel“ des einst stolzen Turmes zu sehen, schmerzte viele Gandersheimer schon lange. Immer wieder einmal gab es Ideen zum Wiederaufbau, die aber fast immer allein an der Finanzierung scheiterten. Vor einigen Jahren trat ein Privatmann an die Stadt heran und bot ihr an, das Projekt voranzutreiben, wenn man ihm den Turm verkaufe. Die Stadt lehnte ab.

Danach blieben aber weiter Interessierte an der Idee und versuchten, diese im Rahmen der Planungen für die Landesgartenschau voranzutreiben, wobei mit dem Clusturm eine außerhalb des eigentlichen Geländes liegende Attraktion geschaffen werden sollte. Tatsächlich sah es im vergangenen Jahr noch recht gut für Realisierungschancen aus. Kostenschätzungen waren eingeholt, ein ungefährer Rahmen stand.

Die Finanzierung sollte auf zwei Beinen stehen: Die eine Hälfte – rund 60.000 Euro – sollte im Stadthaushalt verankert werden, wofür sich auch tatsächlich eine Mehrheit fand. Die andere, das war der Vorbehalt im Beschluss, sollte über Spenden eingeworben werden. Dies zu bündeln, wurde die Bürgerstiftung gebeten, die Führungsrolle zu übernehmen. Anfang 2020 gaben sich alle Beteiligten optimistisch, im Laufe des Jahres bereits einen wesentlichen Teil der Gegenfinanzierung einzufahren.

Daraus ist leider praktisch nichts geworden, müssen wir am Beginn des Jahres 2021 feststellen. Seitens der Bürgerstiftung bestätigte Achim Lidsba dem GK, dass das Projekt wohl auf Eis liege. Für das letzte Jahr erwartete Signale aus der Politik seien nicht erfolgt, seither ruhe still der See.

Das bestätigte auf der anderen Seite Stadtratsmitglied Oliver Brzink, der sich als einer der Befürworter für das Projekt stark gemacht und den Mittelantrag gestellt hatte. Man habe interfraktionell noch verabredet, zu einer großen Spendenaktion aufzurufen. Doch bevor die starten konnte, kam Corona. Und unter den dann folgenden Umständen habe es weder die nötigen Treffen gegeben noch habe man es für gebührlich erachtet, in wirtschaftlich angespannten Zeiten die Einheimischen um Spenden für das Turmprojekt zu bitten. Das Jahr ist verloren.

Was insofern bitter ist, weil mit 2021 das Jahr begonnen hat, in dem der Etat der Stadt die Mittel für einen eventuellen Aufbau vorsieht. Aber eben nur, wenn die andere Hälfte der Finanzierung auch stünde, wovon wie geschildert keine Rede sein kann. Eine Realisierung zur Landesgartenschau wird damit bereits sehr unwahrscheinlich.

Und vielleicht wird sie nun sogar durch die Landesgartenschau ganz gekippt. Bekanntermaßen gibt es seit einigen Monaten die ambitionierte Idee, im Bereich des Seeparks, praktisch direkt neben dem Campingplatz, eine große Kletter- und Eventanlage in das Landesgartenschaugelände zu integrieren, die auch danach noch viele Jahre eine Attraktion für die Stadt bleiben würde. Nach den ersten Vorstellungen hat der Rat die Idee sehr begrüßt und ein Vorantreiben der Planungen befürwortet.

Nun steht der nächste wichtige Schritt an: Der Rat soll am 19. Januar einen Grundsatzbeschluss fassen, um das Projekt konkret anzupacken. Der Grundsatzbeschluss ist nötig, weil die Stadt zusammen mit den Investoren gemeinsam in das Projekt einsteigen soll. Immerhin geht es um ein Bauvolumen für diese Anlage von allein rund vier Millionen Euro. Dazu soll eine Investoren GmbH gegründet werden, der auch die Stadt angehört. Sie würde das Gelände, auf dem die Anlage errichtet werden soll, für 15 Jahre vertraglich abgesichert an die künftigen Betreiber verpachten.

Zahlreiche rechtliche und haftungsrechtliche Umstände sind zu klären. Das alles soll nach dem Grundsatzbeschluss jetzt schnellstens vorbereitet werden. Unabhängig davon hätte der Rat aber zu einzelnen Punkten dann noch Beschlüsse zu fassen, wenn dazu konkrete Vorlagen möglich sind.

Natürlich wird der Einstieg in dieses Projekt Kletter- und Eventanlage die Stadt auch Geld kosten. Und da kommt die Verbindung zum Clus­turmprojekt wieder ins Spiel. Eine klare Aussage, was mit den für den Wiederaufbau des Clusturms eingestellten 60.000 Euro passiert, wenn diese absehbar im Jahr 2021 nicht abgerufen werden, gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es liegt aber nahe, dass eine Umwidmung der Mittel auf ein Projekt, das durchaus auch als Konkurrenz zum Clusturm gesehen werden kann – in punkto Attraktivität wie nachhaltiger Wirkung für Gäste ganz sicher –, möglich wäre und vielleicht auch hinter den Kulissen bereits in Betracht gezogen wird. Zumal es der Stadt in einem Etat, der nach der Verabschiedung des Nachtrags im Dezember mit einem Fehlbetrag von rund 1,5 Millionen Euro endet, nicht leicht fallen würde, zusätzliche Mittel für das Projekt auf dem LaGa-Gelände ausfindig zu machen.

So besteht am Ende eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich das Projekt Clus­turm-Wiederaufbau mindestens jetzt zugunsten des greifbaren Projektes Kletter- und Eventanlage gekippt wird. Es bleibt für viele, die es gern gesehen hätten, vermutlich weiter ein schöner Traum, von erhöhtem Platz auf dem Clusberg den Blick in die Weite schweifen zu lassen.rah