Von Claus-Ulrich Heinke

Kirchenmusikalische Ära endet

Domkantor Martin Heubach ab Ende Januar im Ruhestand / Konzert am dritten Advent

Martin Heubach und die Capella Vocale, einer der Klangkörper, die er in Bad Gandersheim führte.

Bad Gandersheim. „Du machst Seelen gesund und hältst uns vital“. So schrieb es die Domkantorei Bad Gandersheim ihrem Dirigenten Martin Heubach zum 30-jährigen Bestehen im Jahre 2010 ins Jubiläumsbuch. Nun endet acht Jahre später am dritten Advent mit der Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach eine insgesamt 38-jährige Partnerschaft. Denn der Domkantor, zugleich auch als Kirchenmusiker für die ganze Propstei zuständig, geht Ende Januar des kommenden Jahres in den Ruhestand.

Damit neigt sich eine kirchenmusikalische Ära dem Ende zu, die den Dom als Ort profilierter Kirchenmusik weit über die Grenzen der Stadt hinaus zu einem Magnet für Besucherinnen und Besucher gemacht hat. Was hat den Pastorensohn getrieben, Kirchenmusiker zu werden? „Da kommen mehrere Einflüsse zusammen“, erzählt er bei einer Tasse Tee. „Meine musizierenden Eltern, die sonntäglichen Bachkantaten im Radio und vor allem der Kirchenmusikdirektor an St. Nicolai in Kiel, Hans Gebhard. Bei ihm durfte ich schon als Sopran-Knabe mitsingen. Da erlebte ich, wie die Kirchenmusik direkt die Herzen der Menschen erreichen kann und so zu einem wesentlichen Teil der Verkündigung wird.“

Nach dem Studium an der Musikhochschule Lübeck und einem Studienjahr in Toronto kam er in die Roswithastadt Bad Gandersheim und ist hier bis heute geblieben. Und sofort legte er richtig los. Bald gab es den Kinderchor „Domstifte“, die Junge Kantorei und die Kantorei der Erwachsenen. Und natürlich die immer wieder neue phantasiereiche Gestaltung der Gottesdienste. „Mir liegt viel daran, dass das Orgelspiel die Bedeutung der Choralworte wiedergibt“.
Aber auch die Kantorei ist oft dabei. „Es ist wirklich bemerkenswert, dass die Kantorei nicht nur gerne Konzerte singt, sondern immer auch für den musikalischen Sonntagsdienst bereit ist“, schwärmt Heubach mit Wärme in der Stimme von „seinen“ Chören. Neben den sonntäglichen Gottesdiensten stehen Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Andachten in Altenheimen und zahlreiche Einsätze in verschiedenen chorischen Gemeindegruppen bis heute oft dichtgedrängt in seinem Terminkalender. 

Mit den ersten Amtsjahren wuchs auch die Erfahrung, wie man qualifizierte Kirchenmusik organisieren muss. „Ich habe immer versucht, der Musik eine gute Verwurzelung in der Gemeinde zu schaffen, ohne dabei die gebotenen künstlerischen Ansprüche zu vernachlässigen“, betont der Kantor. Es war dabei für ihn nicht immer einfach, alle Erwartungen unter einen Hut zu bekommen.

Gleichwohl baute er im Laufe der Jahre zusammen mit einem engagierten Team eine regelrechte Dommusik auf, die ihresgleichen sucht. Dabei erwies sich die Entscheidung, aus dem Förderverein der Dommusiken heraus den Trägerverein „Concerto Gandersheim“ zu gründen, als kluger Weg. Denn damit wurde die erforderliche organisatorische Struktur geschaffen, die es bis heute ermöglicht, die oft komplizierten finanziellen und organisatorischen Abläufe zu steuern, die für einen professionellen Anspruch selbstverständlich sind. So erst konnten ab 2001 neben den regelmäßigen Domkonzerten die Internationalen Dommusiktage und eine Fülle anderer herausragender Ereignisse weitergeführt werden. „Mir ging es immer darum, mit den Menschen aus der Region kirchenmusikalische Kultur zu gestalten,“ sagt Heubach in seiner Rolle als Intendant von „Concerto“. Daneben konnte er aber auch international erfolgreiche Ensembles und herausragende Einzelkünstler für Konzerte im Dom verpflichten.

Inzwischen waren auch Chöre und Orchester aus anderen Regionen auf den künstlerisch und organisatorisch gleichermaßen starken Kirchenmusiker aufmerksam geworden. Jahrelang war er zum Beispiel regelmäßiger Gastdirigent der Oppelner Philharmoniker. Der Göttinger Knabenchor oder auch der schwedische semiprofessionelle Kammerchor aus Lund baten ihn um Leitungsphasen. „Ganz wichtig wurde mir auch die Entdeckung, wie Stimm-training und Persönlichkeitsbildung zusammenhängen.“ Das brachte er dann in die kirchenmusikalische Arbeit durch erfolgreiche Stimmbildungsangebote ein. Und auch in der Chorarbeit spielte das eine wichtige Rolle, was im Temperament der Probendynamik auch mal zu dem schönen Satz zerrinnen kann: „Nehmt den Forteklang aus den Füßen, nicht aus den Haaren!“ Ein wenig Stolz zeigt der Kirchenmusiker beim Bericht, dass er auch nach Dänemark und Frankreich zu chorischen Stimmbildungskursen eingeladen wurde.

Eine wichtige Rolle spielt für Martin Heubach der Kammerchor Capella Vocale. „Diese Gemeinschaft ist zum großen Teil aus der anfänglichen Jugendchorarbeit hervorgegangen. Wir treffen uns einmal im Monat zu intensiven Proben und pflegen dort vor allem die anspruchsvolle schöne a-capella-Musik“. Man erlebt dieses Vokal-Ensemble aber auch bei gemeinsamen Auftritten mit der Kantorei. Und voller Freude erzählt er von Singkreis „Cantamus“, den er als wöchentliches auf die Gemeinde bezogenes Angebot gegründet hat.

„Wir müssen die Musik auch wieder zu den Kleinen bringen. Sonst brechen uns nicht nur Traditionen weg“, erklärt Heubach. So gründete er zusammen mit anderen das Projekt „Domsingschule“, das mit Fördergeldern in Kindergärten, Grundschule und dem Gymnasium das Singen fördern will. Schönes Motto dabei: „Meine Stimme zählt“.

Am dritten Advent, 16. Dezember, versammelt der Domkantor noch einmal die Chöre um sich. Der Jugendchor der Domsingschule, die Capella Vocale und die Domkantorei musizieren von Johann Sebastian Bach das Magnificat und das Weihnachtsoratorium.  International renommierte Solisten und das Göttinger Barockorchester wirken ebenfalls mit. Das Konzert beginnt um 17 Uhr.

Was war ihm in all den Jahren wichtig? „Mir geht es natürlich immer darum, gute Musik zu machen, insbesondere Kirchenmusik. Ihre Themen können für alle, die Aktiven und die Hörenden, in gleicher Weise zur Tiefe und Weite des christlichen Glaubens führen. Dabei öffnet der Klang transzendentale Erfahrungen, die über irdische Dimensionen hinausführen. Das zu entdecken und zu befördern, hat mich all die Jahre bewegt und wurde mir und anderen immer wieder zu einem besonderen Geschenk.“red