Klappbare Brücken oder ein Tunnel

Stadt Goslar hat viele Ideen für den Hochwasserschutz

Nach dem Hochwasser 2017 glich der Bereich am Trollmönch einem Schlachtfeld. Künftig soll ein Maßnahmenbündel die Schäden in der Altstadt so gering halten wie möglich.

Goslar. Wie kann sich die Stadt Goslar besser vor Hochwasser schützen? Mit dieser Frage haben sich Stadtverwaltung und Freiwillige Feuerwehr Goslar in den vergangenen Monaten nach dem verheerenden Hochwasser 2017 beschäftigt. Die gesammelten Ideen haben Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk, Mitarbeiter der Stadt sowie Stadtbrandmeister Christian Hellmeier nun bei einer Bürgerinformation im „Schiefer“ vorgestellt.

„Wenn wieder so ein Unwetter kommt, werden wir wieder keinen hundertprozentigen Schutz garantieren können“, sagte der Oberbürgermeister zu Beginn der Veranstaltung. Aber, so war er sich mit Thomas Moll, Fachdienstleiter Umwelt und Gewässerschutz, einig: Ziel muss sein, die Schäden in der Stadt so gering wie nur möglich zu halten.

Am Tag des Hochwassers entstand eine Abflussmenge von 2500 und 2600 Liter pro Sekunde pro Quadratkilometer. Normalerweise liege das Mittel bei 15 bis 20 l/s. So schlugen 36 Kubikmeter Wasser pro Sekunde auf die Altstadt auf – und das, obwohl fünf Kubikmeter pro Sekunde in den Oker-Grane-Stollen abgeleitet werden konnten.

„Die Abzucht ist historisch nicht für solche Mengen ausgelegt“, erklärte Moll. Der geschätzte Gesamtschaden liege bei rund 10 Millionen Euro, berichtete der Leiter der Unteren Wasserbehörde und gab zunächst einen Sachstand über die Reparaturarbeiten. Am Theresienhof wurden neue Brücken sowie eine Sohlschwelle gebaut, zerstörte Böschungen wurden repariert und gesichert, Ufermauern wieder aufgebaut. Die weggespülte Mauer am Trollmönch hingegen sei nur provisorisch gesichert worden. Sie wurde auf etwa 30 Metern Länge zerstört. Die Stadt muss sich laut Moll noch überlegen, wie sie gestaltet wird. Denn es galt, den Engpass oberhalb der Trollmönch-Brücke zu beseitigen.

Eine Möglichkeit sei, die Mauer abzusenken und damit den Fußweg überströmbar zu machen. Eine Schutzmauer würde dann direkt vor die Hauswand gesetzt. Alternativ ließe sich der Gehweg verkleinern, um den Querschnitt der Abzucht zu erweitern. Auch eine Kombination wäre denkbar. Daneben müssten etliche Brücken verbessert werden, wie Moll betonte – abnehmbar, klappbar, schwenkbar. Es soll sich kein Treibgut mehr sammeln und das Wasser aufstauen.

Daher wurde auch der zentrale Treibgutfänger wieder aufgerichtet, nachdem die Flut ihn unterspült hatte. Ein weiterer Treibgutfänger soll dieses Jahr im Winterbachstal errichtet werden.

Ein weiterer Ansatzpunkt sind Rückhaltemöglichkeiten. Während der Herzberger Teich vergleichsweise wenig Wasser fassen könnte, wäre ein Rückhaltebecken im Winterbachstal eine denkbare Entlastung. Bei einem Fassungsvermögen von 750.000 Kubikmeter Wasser schlagen die Kosten mit rund sieben Millionen Euro zu Buche.

Trotz Nachbesserungen an der Abzucht und Rückhaltebecken käme bei einem Gesamtzufluss von 40 Kubikmeter pro Sekunde immer noch zu viel Wasser in der Altstadt an. 20 Kubikmeter pro Sekunde könnte die Abzucht verkraften. Molls Idee: Notabflussbahnen für Restmengen. So wäre ein Hochwasser-Entlastungstunnel südlich der Altstadt rein technisch machbar. Kostenpunkt grob geschätzt: zwei Millionen Euro für 700 Meter Tunnel. „Wir werden dieses Wasser anders nicht loswerden“, betonte Moll.

All die skizzierten Möglichkeiten sind zunächst Ideen. Sie müssen noch durchgerechnet und beraten werden. Das dauert seine Zeit. Mit einem Rückhaltebecken sei vor fünf Jahren nicht zu rechnen.

Stadtbrandmeister Christian Hellmeier und Tim Meißner, Leiter des städtischen Fachdienstes Sicherheit und Ordnung, erläuterten die geplante Optimierung des Bevölkerungsschutzes. Eine Arbeitsgruppe hat ein Hochwasserkonzept für die gesamte Stadt erstellt. Zum einen wurde die von der Bürgerschaft gewünschte Frühwarnung aufgegriffen. Als Ende der 90er Jahre der Bevölkerungsschutz zurückgefahren wurde, blieben in Goslar 25 Sirenenstandorte erhalten, wie Tim Meißner erläuterte. Nun gebe es die Überlegung, einen Alarm zur Warnung der Bevölkerung einzuführen. Durchsagen sollen ebenso möglich sein. Die Feuerwehr will nach und nach Fahrzeuge und Geräte wie Sandsackfüllmaschine und Schmutzwasserpumpen sowie bessere Ausrüstung für die Einsatzkräfte anschaffen. Um das ohnehin schon knappe Personal zu entlasten, müsse die Wehr mit besserer Technik arbeiten, so Hellmeier. Junk ergänzte: „Wir werden mehr Geld bereitstellen müssen um aufzurüsten.“ Der Brandschutz dürfe nicht vernachlässigt werden.

Sandsackausgabestellen und Evakuierungspunkte sind ebenso Teil des Konzeptes. Verwaltung und Feuerwehr appellierten außerdem an die Anwohner, für Eigenschutz durch Sandsäcke und mobile Schutzsysteme zu sorgen und sich zu informieren. Eine Möglichkeit seien zum Beispiel Smartphone-Apps wie NINA oder KATWARN. Oliver Kasties, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste, stellte zudem eine neue Technologie vor, mit der derzeit noch am Institute for Applied Software Systems Engineering, kurz IPPSE, geforscht wird. Daraus könnte ein städtischer Hochwasser-Meldedienst entstehen.red