LAGA: Verschiebung auf 2023

Begründeten die Verschiebungsabsicht: von links Kai Schönberger, Landrätin Astrid Klinkert-Kittel, Bürgermeisterin Franziska Schwarz, Geschäftsführer Ursula Stecker und Thomas Hellingrath.

Bad Gandersheim. Die Landsgartenschau in der Roswithastadt steht unmittelbar vor einem Beschluss, auf 2023 verschoben zu werden. Das machten am Mittwochmorgen die Verantwortlichen von Durchführungsgesellschaft, Stadt und Landkreis in einer Pressekonferenz deutlich. Beschließen muss dies schlussendlich die Gesellschafterversammlung, die dazu aber noch die Weisungsbeschlüsse von Stadtrat und Kreistag an die aus diesen Gremien in die Gesellschafterversammlung entsandten Mitglieder abwarten muss.

Der Stadtrat tagt am 16. Dezember, der Kreistag einen Tag später, wann die Gesellschafterversammlung beschließt, ist aktuell noch offen, es wird aber ohne jeden Zweifel sehr zeitnah nach den beiden genannten Gremien der Fall sein.

Unabhängig von diesem noch ausstehenden Verfahrenslauf darf aber schon jetzt mit größter Sicherheit angenommen werden, dass es zu keiner anderen Lösung für die aktuellen Probleme kommen wird. Weder steht eine Absage zur Debatte – die wolle niemand, machte am Mittwochmorgen Landrätin Astrid Klinkert-Kittel deutlich – noch lassen sich Szenarien, die für das kommende Jahr durchgerechnet wurden, überzeugend vertreten, zumal teurer als die Verschiebung.

Allgemeine Öffentlichkeitsinformation über die Gründe

Bürgermeisterin Franziska Schwarz, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Landesgartenschau ist, begrüßte am Mittwochmorgen die Medienvertreter im Ratssaal. Medieninteresse gab es natürlich, aber es hielt sich angesichts der Schwere dessen, was hier verkündet werden sollte, auch wieder in überschaubaren Grenzen. Immerhin wird auch im NDR-Fernsehen über die mögliche Verschiebung berichtet werden.

Schwarz leitete die Mitteilung ein, indem sie die Coronapandemie als wesentlichen Treiber der Problemlage, mit der es die LAGA nun zu tun habe, identifizierte. Alle Beteiligten von Land bis Durchführungsgesellschaft wollen eine attraktive und erfolgreiche Landesgartenschau auf die Beine stellen. Nach Abwägung aller Szenarien komme nur die Verschiebung als sinnvoll in Frage. Dies aus vielen Gründen, nicht zuletzt den finanziellen.

Landrätin Astrid Klinkert-Kittel fügte hinzu, ein Stein sei in den letzten Wochen derart zum anderen gekommen, dass man jetzt vor einer Art „Mauer“ stehe. Auch sie finde sich auf der Seite der Empfehlung für eine Verschiebung wieder. Eine „Schmalspurversion“ der LAGA dürfe es nicht geben, sie appelliere zugleich vehement dafür, die LAGA stattfinden zu lassen. Daher sei die Verschiebung um ein Jahr eine gute Entscheidung. Die Landesgartenschau bleibe für Bad Gandersheim und Südniedersachsen eine Riesen-Chance.

Geschäftsführer begründen

Besonderes Interesse lag natürlich darin, die Hintergründe für die Empfehlung detaillierter erläutert zu bekommen. Diesen Part übernahmen die Geschäftsführer der LAGA, Ursula Stecker und Thomas Hellingrath. Stecker bezeichnete die Landesgartenschau als das „größte Fest in Niedersachsen“. Das sei eine komplexe Veranstaltung, bei der es bei Weitem nicht nur um das Bauen gehe, das für viele derzeit so im Vordergrund der Debatte stehe. Dabei sei der Veranstaltungsrahmen, die vielen Events und das ganze Drumherum viel schwerwiegender als die bauliche Vorbereitung.

Viel sei nach wie vor in gutem Fluss. Aber alle Teile des Räderwerks LAGA müssten gut ineinandergreifen, stocke es irgendwo, stocke es auch anderswo. Anfang November habe sich verstetigt, dass es durch die vierte Coronawelle zunehmend Probleme gebe, die den Start im April 2022 in ernste Gefahr bringen. Das sei im Monatslauf von Tag zu Tag offensichtlicher geworden, so dass der Aufsichtsrat und später der Rat unterrichtet wurden, man müsse sich mit Szenarien zur Lösung des Problems befassen. Natürlich waren auch Landkreis und Land informiert.

Stecker legte auch Details von Problemen dar: So gebe es akut einen Mangel an Aluminium, der bei der Herstellung von Schildern, die jetzt planmäßig bestellt werden sollten, plötzlich Lieferfristen von einem halben Jahr gebe. Das hieße, sie würden zum Start der LAGA gar nicht zur Verfügung stehen und könnten erst im Mai „nachgerüstet“ werden. Gerade der Start aber sei mit den ersten Wochen extrem wichtig für den Ruf der LAGA: „Die ersten Wochen entscheiden das ganze LAGA-Jahr“, so Stecker.

Bekannt gewesen seien schon länger die Engpässe und Kostensteigerungen beim Holz. Auch hier seien trotz ausreichend frühen Bemühens inzwischen Teile, wie sie zum Beispiel für den Bau von Pavillons notwendig seien, nicht mehr rechtzeitig zum Start Mitte April lieferbar, da sie ja schon im Februar oder März spätestens hätten da sein müssen.

Im Baubereich gibt es Probleme des „Ineinanderfassens“ von Abläufen. Dort, wo zum Beispiel im Freibad die Baustraße wieder zurückgebaut werden müsste, um dem Caterer den zugedachten Platz auf der Liegewiese bis spätestens Ende Februar freizumachen, könnten die Bauarbeiten nicht im vorgesehenen Rahmen beendet werden. Umgekehrt kann der Caterer ansonsten nicht zum Start der LAGA beginnen.

Warnende Signale kamen auch von den Busbetreibern. Sie gehen jetzt bereits davon aus, Busfahrten wegen Corona unter Umständen erst ab Mai 2022 wieder ins Auge zu fassen. Landesgartenschauen, so Stecker, rechnen aber mit rund 20 Prozent Besuchern über diesen Tourismuszweig: „Die würden uns so in den ersten vier entscheidenden Wochen unter Umständen schon fehlen, was die Erfolgsaussichten in 2022 deulichst schmälert“ – und damit eine mit Gewalt noch angepeilte Ausrichtung im nächsten Jahr zu einem deutlich teureren und noch riskanteren Unterfangen werden ließe, als die anderen Szenarien mehr kosten.
Dazu trügen auch sogenannte „Beschleunigungskosten“ bei, wenn man auf diese setzen wolle. Gemeint sind damit Mehrkosten, mit denen Bauarbeiten doch noch schneller voran und Material­engpässe umgangen werden könnten. Das Defizit für eine Ausrichtung in 2022 würde damit deutlich über die fünf Millionen steigen.

Selbst beim für die LAGA nicht minder wichtigen Sponsoring hake es. Partner der LAGA hätten die gleichen Lieferschwiergkeiten für ihre Beiträge. In der Summe werde dadurch Vieles, was den Ablauf der LAGA betreffe, zum gegenwärtigen Zeitpunkt so schwer oder gar mehr planbar, dass man nun noch rechtzeitig darauf reagieren und die Reißleine ziehen könne.

Bis vielleicht in den Januar noch mit Macht weiter zu versuchen, doch 2022 mit aller Kraft zu erreichen, halte sie für fahrlässig, fügte Franziska Schwarz zum Zeitpunkt an. Jetzt sei es noch früh genug, die Schritte zu ergreifen, um eine gesicherte Ausrichtung in 2023 auf den Weg zu bringen. Das werde eine Menge Arbeit mit sich bringen, zum Beispiel die Verträge für rund 1500 bereits geplante Veranstaltungen alle um ein Jahr weiterzutragen: „2022 würde im Verschiebungsfalle für die Durchführungsgesellschaft keineswegs ein ‘ruhiges’ Jahr werden“, so Schwarz.

Thomas Hellingrath griff noch einmal die Zeitschiene auf. Die Durchführungsgesellschaft sei im August 2019 gestartet. Mit einem Zeitplan, wie er für andere Landesgartenschauen vollkommen ausreichend war. Niemand habe zu der Zeit ahnen können, welches Ungemach ab Februar/März 2020 bereits mit der Corona-Pandemie über die LAGA hereinbrechen sollte. Trotzdem habe man es bis Frühherbst dieses Jahres geschafft, alles noch für einen Start im April 2022 auf Kurs zu haben. Aus diesem sei man erst durch die vierte Welle wirklich herausgeworfen worden, weil diese in zahlreichen bereichen zu Problemeskalationen führe.
Jetzt stehe man an einem Punkt, wo niemand mehr seriös einen Start Mitte April 2022 propagieren könne. Dabei gehe es nicht um die immer wieder vordergründig diskutierten Baustellen oder Material­engpässe, sondern um das verzahnte Gesamtsystem, das inzwischen an vielen Stellen stocke. Viel Arbeit komme nun vor allem auf das Marketing zu. Auch dort aber fehlen zur Zeit viele Puzzleteile, die einfach nicht rechtzeitig geliefert werden können.

Der finanzielle Teil

Von besonderem Interesse war natürlich auch noch die finanzielle Seite einer möglichen Verschiebung. Ursula Stecker machte deutlich, dass es sich bei den bereits öffentlich kolportierten Zahlen um den Defizitausgeich und nicht um eine „Kostenexplosion“ handele. Bereits bei der Planung sei man ja sicherheitshalber von einem Defizit von rund einer Million Euro ausgegangen, für das es seitens des Landkreises ja eine Unterstützungszusage über eine halbe Million gab.

Nach den Berechnungen für das Verschiebungsszenario steigt die Defiziterwartung auf 4,7 Millionen Euro, also um 3,7 Millionen Euro. Dies zu einem Teil durch Kostensteigerungen, vor allem aber die Weiterbeschäftigung der Durchführungsellschaft um ein weiteres Jahr und „Erhaltungskosten“. Die zusätzlich befürchteten 3,7 Millionen mehr Defizit sollen durch Unterstützung durch das Land Niedersachsen, den Landkreis und einen erhöhten Stadtanteil aufgefangen werden.

Wobei man offen lassen müsse, ob es am Ende überhaupt zu einem Defizit in dieser Höhe komme, denn es sei mit „Puffer“ und sozusagen als schlechtes Erwartung gerechnet worden. Läuft die LAGA wie erhofft gut, dann könne das Defizit auch deutlich geringer ausfallen.
Die bereits kritisierte Parallelität mit einer NRW-LAGA 2023 in Höxter sehen die Verantwortlichen als kein Problem. Sie biete sogar eher Chancen, bei denen die Marketingabteilung noch viele Möglichkeiten sehe und nutzen könne.

Keine Dauersperrungen?

Und auch zum Thema Baustellen in 2022 gab es eine, wenn auch noch ungeprüfte Aussage: Es werde Bereiche geben, die man im kommenden Jahr auch im Falle der Verschiebung nach ihrer Fertigstellung bereits öffnen und den Bürgern zugänglich machen könne. Für dem Spielplatz Plangarten, den Weg entlang der Gande und die Füllekuhle steht dies offenbar sowieso außer Frage, weil sie mit Mitteln aus dem Programm Stadtgrün gebaut wurden und zudem außerhalb des eigentlichen LAGA-Gebietes liegen.

Auch Bereiche in diesem könnten aber unter Umständen schon vor der LAGA freigegeben werden. Das sei aber derzeit noch völlig ungeprüft und nicht durchdiskutiert. Die Gefährdung des Vorsteuerabzugs, wie es bei manch anderer Verschiebung als Argument für die weitere Sperrung gegeben hatte, spiele aber hier offenbar keine Rolle als Hinderungsgrund, so Ursula Stecker.rah