Landkreis unter Zugzwang: Gefahr im Verzug?

Anlieger drängen auf Ersatzvornahme bei der Beräumung der Brandstelle / Gelangen stetig Schadstoffe in den Boden?

Die verbrannte Hecke im Vordergrund ist neu gepflanzt, der Carport repariert – doch täglich grüßt Diana und Michael Riemer (links) sowie Wilhelm Kühne als Nachbarn der Brandstelle nach wie vor das Schreckensereignis. Sie hoffen nun, dass der Landkreis in Ersatzvornahme endlich für Beräumung des Grundstückes sorgt.

Hachenhausen. Stellen Sie sich vor, sie waren in höchster Gefahr, ihr eigenes Hab und Gut zu verlieren, weil es beim Nachbarn katastrophal brannte. Dass ein solches Ereignis schwer traumatisch ist, wird niemand bezweifeln. Sicher ebensowenig, dass es dann wenig hilfreich ist, wenn man auch fast ein Jahr nach dem Ereignis das alles täglich wieder vor Augen hat. Traumabewältigung ist damit fast unmöglich.

In dieser Situation finden sich die unmittelbaren Nachbarn der Brandstelle in Hachenhausen wieder. In wenigen Wochen ist das schlimme Ereignis schon ein Jahr her. Auf der Brandstelle selbst sieht es aber immer noch aus, wie wenige Wochen nach dem Feuer. Die erhoffte Beräumung des Brandschutts ist noch immer nicht erfolgt. Es sieht nicht nur schlimm aus, es riecht auch zuweilen nach Feuer. „Dann sind die Bilder jener Nacht sofort wieder da, du rennst herum und schaust, woher der Brandgeruch kommt, ob schon wieder was brennt. Besonders schlimm ist das nachts“, sagt Wilhelm Kühne, dessen Bungalow durch das Feuer direkt in Mitleidenschaft gezogen worden war und zeitweilig in Gefahr stand, ebenfalls in Flammen aufzugehen.

Die Belästigungen durch die unberäumte Brandstelle sind aber noch deutlich weitreichender. Natürlich gibt es jede Menge feine Brandreste, die vom Wind aufgewirbelt und in der Umgebung verteilt werden. Die kleinen schwarzen Partikel lassen sich überall nieder, besonders gern auf metallischen Gegenständen. Die greifen sie sogar an, es gibt Lackschäden und Rostfraß. Solchen konnte Kühne zum Beispiel auf seinem Briefkasten oder dem Auto mehrfach dokumentieren. Nebenan liegt der Spielplatz am Dorfgemeinschaftshaus. Hachenhauen hat viele junge Kinder, und diese benutzen den Platz auch gern.

Niemand weiß allerdings, welcher Gefahr sie sich dabei aussetzen, denn auch auf den Spielgeräten lagern sich erkennbar der Rußstaub und Partikel von der Brandstelle ab, die kaum 15 Meter entfernt liegt. Manche Eltern lassen derweil ihre Kinder vorerst nicht mehr auf den Spielplatz. Da seit August letzten Jahres, nachdem die Untersuchungen auf der Brandstelle zur Feststellung einer Brandursache – in deren Zuge letztmalig Umschichtungen des Brandschutts auf dem Grundstück stattfanden – abgeschlossen worden waren, dort nichts mehr passiert ist, gehen nicht nur die umliegenden Anlieger, sondern auch die Feuerwehr nach einschlägigen Erfahrungen mit anderen, lange liegenden Brandstellen mittlerweile davon aus, dass sich bei so langer Liegezeit im Brandschutt chemische Prozesse abspielen, die Schadstoffe entstehen und mit dem Regen in den Boden sickern lassen. Unter anderem Blausäure. Nicht auszuschließen auch Dioxine, die bei Verbrennung von Kunststoffen zum Beispiel entstehen. Umso mehr ist es für die Hachenhäuser komplett unverständlich, dass hier bislang nicht gehandelt worden ist.

Das Grundstück liegt nämlich in einem Trinkwasserschutzgebiet. Damit sei Gefahr im Verzug, wenn die Behörden – in diesem Fall zuvorderst der Landkreis – nicht handelten, sagt Kühne. Immer wieder hat er daher als Sprecher der betroffenen Anlieger in den letzten Monaten Briefe an die zuständigen Ämter geschrieben, auch den Landtagsabgeordneten Uwe Schwarz eingeschaltet und um Hilfe gebeten. Das hat immerhin dazu geführt, dass es am letzten Mittwoch einen Ortstermin gab. Die Landrätin, eine zuständige Dezernentin, der Landtagsabgeordnete und das Gandersheimer Ordnungsamt waren vor Ort. Es habe den Eindruck gemacht, als habe man nun langsam verstanden, dass es höchste Zeit sei, die lange aufgeschobene Ersatzvornahme durch den Landkreis Northeim vorzunehmen, resümiert Kühne das Gespräch, an dem er als Vertreter der Nachbarschaft auch selbst teilnahm.


Die Ersatzvornahme ist deshalb hier wohl notwendig, weil die Beräumung zuerst Angelegenheit des Grundstücksbesitzer wäre. Dieser aber, selbst Opfer des Brandes geworden, hat sich von den Ereignissen bis heute nicht vollständig erholt. Nach Kenntnissen der Anlieger ist er heute in einem Seniorenheim zuhause und unter Betreuung gestellt. Seine finanzielle Lage erlaube nicht, die notwendigen Maßnahmen auf dem Grundstück zu finanzieren.

Der Landkreis, so Kühne, sei seinem Eindruck nach in dieser Frage schon im Winter weiter gewesen. Da sei das Thema Ersatzvornahme schon bearbeitet worden. Doch dann sei es zu einem Dezernentenwechsel gekommen. Das habe offensichtlich die Sache deutlich verzögert, weil die Nachfolgerin sich in alle bedeutsamen Vorgänge erst habe einarbeiten müssen. Hachenhausen blieb dabei länger liegen. Nun ist man aber wieder am Drücker, wobei die betroffenen Nachbarn Wilhelm Kühne großes Lob für seinen hartnäckigen Einsatz aussprechen. „Ohne sein Wirken würde hier wahrscheinlich gar nichts passieren“, sagt Diana Riemer.

„Das gilt im Übrigen nicht nur für die Frage der Brandstelle, sondern auch die vielen Kontakte zur Versicherung.“ Diese Seite, die Beseitigung von Schäden an Eigentum der betroffenen Nachbarn, gehört auch zu den zähen und – wie leider meistens in solchen Fällen – durchaus auch unangenehmen Kapiteln einer Brandfallbewältigung. Da sei schnell mal darum gestritten worden, ob reklamierte Schäden tatsächlich durch den Brand oder in dessen Nachfolge entstanden seien. Wie der zerfahrene Hof der Riemers, auf dem die schweren Fahrzeuge des THW bei der Untersuchungsarbeit auf der Brandstelle das Pflaster zerdrückten.

Da sollte nur ein kleiner dreistelliger Betrag für Abhilfe sorgen. Kühne und die Nachbarn aber ließen sich auf nichts ein, und so sind die meisten Dinge auch inzwischen durch die Versicherung abgewickelt worden. Auch, wenn das ziemlich dauerte. Erst im März zum Beispiel wurden die Brandschäden an Kühnes Haus beseitigt, ist der Carport wieder komplett hergestellt.

Der Hof der Riemers ist egalisiert. Bei Aylan Akgül, wo der externe Gastank lange in Explosionsgefahr schwebte, dauerte es Wochen, bevor dieser wieder benutzbar war und damit heißes Wasser zubereitet werden konnte. Nun könnte also langsam alles gut werden, wenn nur endlich der Brandschutt verschwände.

Dieser zieht – wie nicht anders zu erwarten war – auch Ungeziefer an. Mittlerweile habe man im Umfeld schon mit eigenen Mitteln gegen Ratten vorgehen müssen, berichtet Diana Riemer. Und die wiederum rufen andere Tiere auf den Plan. So gelang Wilhelm Kühne kürzlich der Schnappschuss oben, als ein Fuchs am hellichten Tage durch die Brandruine streifte auf der Suche nach Beute. Und es gibt noch etwas, dessen baldiges Ende sich die Hachenhäuser wünschen:

Selbst fast ein Jahr nach dem Brand kommen immer wieder „Katastrophentouristen“ in die Hofeinfahrt, um sich die Brandstelle anzuschauen. Darauf könne man sehr gut verzichten, so die Anlieger einhellig, die ungebetene Gäste auch immer wieder von ihrem Privatgrund vertreiben müssen. Ungebetene Gäste seien außerdem legale wie illegale Schrottsammler. Solche hätten sich auch schon des öfteren unberechtigten Zutritt zur Brandstelle verschafft und dort Metallteile mitgenommen. Bislang habe die Nachbarschaft sie in der Regel vertrieben. Wenn aber nicht bald die Behörden einschreiten würden, werde man dem Treiben seinen Lauf lassen, so die aktuelle Einstellung.rah