Literaturpreis 2021 im Kaisersaal an die Literatin Emine Sevgi Özdamar verliehen

„Eine Romanschreiberin aus der Perspektive der Frauen – vor allem der Gastarbeiterinnen“

Die Preisträgerin mit ihrem Mann Karl Kneidl im Kaisersaal.

Bad Gandersheim. Es ist der Literaturpreis des vergangenen Jahres. In dem erlaubte die Corona-Pandemie es der Stadt Bad Gandersheim nicht, einen adäquaten Termin für die Verleihung an die als Preisträgerin auserkorene Emine Sevgi Özdamar zu finden. Am gestrigen Sonntag war es nun endlich soweit: Die in der Türkei geborene, aber schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebende und wirkende Schriftstellerin kam in Begleitung von Ehemann Karl Kneidl in die Roswithastadt, um den Preis persönlich entgegenzunehmen.

Darüber freute sich Bürgermeisterin Franziska Schwarz in ihrer Begrüßung besonders. Niemand indes habe bei der Einladung zu diesem Termin wissen können, dass er unter dem Eindruck eines neuen, heißen Krieges stehen würde. Der Satz aus ihrem letzten Roman, „Die Hölle macht Pause“, wäre gerade jetzt so wünschenswert. Auch habe sie in dem Roman viel Bezug auf Brecht genommen, so Schwarz weiter. Dessen Zuversicht könne man jetzt gut gebrauchen. Die Hilfsbereitschaft immerhin sei schon da.

Eine besondere Freude war Schwarz auch, dass die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Daniela Behrens, als Gast der Preisverleihung beiwohnen konnte. Gerade ihr Aufgabenbereich hat viel mit Biographie und Wirken der Preisträgerin zu tun, wie die Ministerin in ihrem Grußwort deutlich machte.

Die Schriftstellerin, so Behrens, greife in ihren Büchern die Perspektive der Frauen auf, insbesondere die von Gastarbeiterinnen. Unter diesen seien viele Frauen gewesen, die wenig Beachtung erhielten. Sie übernahmen Aufgaben für die niemand anders sich mehr zur Verfügung stellen wollte. Sie wurde diskriminiert und unterbezahlt. Gleichstellung sei eben im deutschen „Wirtschaftswunder“ kein Thema gewesen.

Trotzdem seien diese Frauen auch kämpferisch gewesen, unter anderem als Organisatorinnen von Streiks. Die heutige Gesellschaft habe zum Glück einen ganz anderen Blick auf das Thema Zuwanderung und Integration, endete Behrens.

Als Laudatorin auf die neue Preisträgerin konnte eine Vorgängerin gewonnen werden: Katja Lange-Müller, Preisträgerin vor 20 Jahren im Jahre 2002. Die Mit-Berlinerin – auch Sevgi Özdamar wohnt heute mit ihrem Mann in Berlin – bezeichnete Özdamar als in der Tat eigenwillige Schriftstellerin – und das nicht, weil sie türkische Wurzeln habe. Die gelernte Schauspielerin habe in ihrem letzten Roman „Von Schatten begrenzter Raum“ die Frage, warum sie Schriftstellerin werden wollte, selbst so beantwortet: Weil sie poetisch leben wollte. Özdamar ist außerdem als Dramaturgin und Regisseurin tätig gewesen. In ihrem Beruf habe sie vor allem das Beobachten geübt, wovon die Autorin am meisten profitieren könne. So ließen sich glaubhafte Figuren erschaffen.

Die Sprache, in der sie ihre Werke schreibt, habe sie aus Lautmalerei und Pantomime erlernt, und vielleicht durchdringe jemand eine Sprache tiefer, wenn es nicht die eigene Muttersprache sei, sinnierte Lange-Müller über den Grund, warum die Literatin mit der deutschen Sprache so vortrefflich schreiben könne.
Ihre Werke seien keine Märchen und pflegten keinen märchenhaften Ton. Statt dessen gewährten sie Einlass in ihre Wahrnehmungswelt. Mit ihren besonderen Beschreibungen schaffe Özdamar es, innere Vorgänge durch äußere spürbar werden zu lassen, wie Lange-Müller an einer längere Textstelle darlegte.
Die Erwiderung der Preisträgerin fiel ebenso kurz wie herzlich aus. Dieser Preis mache ihr Spaß, und sie habe die Vorfreude darauf in den letzten Monaten sehr genossen, sagte sie, verbunden mit dem Dank an die vollständig anwesende Jury, sie zur Preisträgerin auserwählt zu haben.

Für Sevgi Özdamar war der Sonntag wohl der erste Kontakt und Aufenthalt mit Bad Gandersheim. Nicht so, wie Bürgermeisterin Franziska Schwarz, für ihren Mann Karl Kneidl. Er hatte durchblicken lassen, sogar schon in Bad Gandersheim tätig gewesen zu sein, und zwar in den Jahren 1961 und 1962 bei den Domfestspielen. Kneidl, Jahrgang 1940, ist unter anderem gelernter Bühnenbildner, war später aber ebenfalls als Regisseur tätig und lernte dabei auch seine heutige Frau kennen.

Genutzt wurde die von rund 50 Gästen wahrgenommene Verleihungsfeier im Kaisersaal natürlich auch, der Preisträgerin die Bitte anzutragen, sich mit ihrer Unterschrift im Goldenen Buch der Stadt zu verewigen. Und natürlich gab es auch einen musikalischen Rahmen, für den das Duo Cecile Beelmann & Klaus Dibbelt verantwortlich zeichnete und eine sehr passende Stückauswahl getroffen hatte.

Möglich machen seit vielen Jahren bereits die Verleihung bekanntlich Sponsoren. Die Stadt musste die eigene Dotierung des Preises nach Unterzeichnung des Zukunftsvertrages 2008 als freiwillige Leistung einstellen, fand aber seither immer Sponsoren, die das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro und die Kosten der Verleihung übernehmen. Es sind die die Avacon Netz, die Paracelsus-Kliniken, die Stiftung Niedersächsischer Volk- und Raiffeisenbanken und die Volksbank eG Bad Gandersheim. Vertreter dieser Sponsoren beglückwünschten die Preisträgerin persönlich.rah