Mit Menschenkenntnis zum richtigen Urteil

Amtsgerichtsdirektor Gerd Mäusezahl hat Ruhestand angetreten / Nachfolge noch nicht geregelt

Der langjährige Amtsgerichtsdirektor Gerd Mäusezahl hat seinen Ruhestand angetreten.

Bad Gandersheim. Ende einer Ära: Der Direktor des Amtsgerichtes Bad Gandersheim, Gerd Mäusezahl, ist zum Monatswechsel in den Ruhestand getreten. „Einfach mal nichts tun“ lautet seine Devise für den neuen Lebensabschnitt. „Es sind mit Sicherheit über 10.000 Prozesse gewesen“, bilanziert Mäusezahl, der seit rund 30 Jahren am Amtsgericht in der Roswithastadt tätig war. „Wahrscheinlich waren die ersten Fälle schon die Leute, mit denen ich heute noch zu tun habe“, meint der Jurist schmunzelnd.

1953 in Kassel geboren, besuchte er dort die erste Klasse der Grundschule. Sein Wohnort wechselte, nachdem die Eltern in Reinhardshagen an der Weser gebaut hatten. Das Abitur legte er in Hann. Münden ab. „Ich hatte keine Ahnung, was ich werden möchte, wusste nur, dass ich studieren wollte“, erklärt Mäusezahl und fügt hinzu: „Man hat mir gesagt, dass man mit Jura alles werden kann.“ So entschied er sich, dieses Fach in Göttingen zu studieren. „Wenn man das Handwerkszeug hat, kann der Verstand damit umgehen und das macht Spaß“, sagt Mäusezahl rückblickend.

Zum Referendariat war er in Lüneburg, Celle, Stade, Hann. Münden sowie in einer Referendariatsgemeinschaft in Göttingen und in London in einer Anwaltskanzlei bei einem Anwalt, der kein Wort deutsch konnte. Das erste Staatsexamen absolvierte er in Göttingen und das zweite in Hannover.

Mäusezahl arbeitete eine  Zeit lang als Assistent an der Uni Göttingen. „Irgendwann habe ich mich beim Justizministerium beworben und wollte Staatsdiener werden“, erklärt der langjährige Amtsgerichtsdirektor. Nach zwei Wochen habe er die Antwort erhalten, dass er sich beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes Celle vorstellen sollte.  Einige Zeit später folgten auch Gespräche im Justizministerium in Hannover.

An die Fahrt dorthin im Winter kann er sich gut erinnern. „Die Scheibenheizung funktionierte nicht. Ich bin hinter einem Lkw hergefahren, damit ich ein bisschen Brise abbekam und gucken konnte“, erklärte der Jurist. An einer Tankstelle habe er den Schnee abgewischt.

Assessor an mehreren Stationen in Niedersachsen

Bei einem Anruf in Hannover erfuhr Mäusezahl, dass er als Assessor bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig anfangen konnte. Zwei Mal war er beim Landgericht in der Löwenstadt und ebenfalls zwei Mal beim Amtsgericht in Helmstedt, außerdem zwei Winter beim Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld, jeweils immer als Richter. Schwerpunkt seien „normale Strafsachen“ wie Unfallflucht, Fahrten unter Alkoholeinfluss, Betrügerei und Diebstähle gewesen.

Die beiden Jahre als Assessor hätten bei ihm zu der sicheren Erkenntnis geführt, dass er Amtsrichter werden wolle. „Dann wurde mal wieder die zweite Bad Gandersheimer Planstelle ausgeschrieben. Darauf habe ich mich beworben und bin genommen worden“, berichtet Mäusezahl und ergänzt: „Darum bin ich von hier auch nie wieder weg“.

Bereits während seiner Assessorzeit sei er am Amtsgericht in Bad Gandersheim gewesen. Die Roswithastadt habe nach „schöner niedersächsischer Kleinstadt“ ausgesehen, die Innenstadt zur damaligen Zeit noch „wohnlich“ ausgesehen, es habe keine „leeren Fensterhöhlen“ gegeben.

Heute sehe Bad Gandersheim wie Seesen aus, meint er. „Es ist traurig, wenn die ganzen Geschäfte leer stehen und man am Sonntag durch die Stadt geht und keine Menschen sieht.“ Nichtsdestotrotz gefalle ihm die Atmosphäre in der Domstadt. „Ich bin ein Kleinstadtmensch.“ Die Vorzüge merke er besonders, wenn er zuvor in einer Großstadt gewesen sei. Zu Beginn seiner Laufbahn in Bad Gandersheim habe er zuerst eine Ferienwohnung bezogen, dann in einer Mietwohnung gewohnt und Anfang der 90er Jahre ein Haus gekauft.

Mäusezahl vermutet, dass seine ersten Verhandlungen vor Gericht vermutlich die Leute gewesen seien, mit denen er bis heute zu tun habe. Und noch einen anderen Aspekt bringt der 65-Jährige zur Sprache. Er habe festgestellt, „dass Gandersheimer Bauern ganz schön dickköpfig sind“. Der Richter habe versucht, Vergleiche mit ihnen zu schließen, die er vorher in Clausthal-Zellerfeld problemlos hinbekommen habe „und hier haben sie sich alle quergestellt“.

Viele Wiederholungstäter stehen vor dem Amtsgericht

Langeweile sei während der Jahre nie aufgekommen, schließlich habe er in seiner Tätigkeit alles gemacht, was die Amtsrichtersparte biete. Am Anfang seiner Richterkarriere seien ihm die Betreuungssachen ein bisschen „angegangen“. Ein Trend sei, dass durch die Rechtsschutzverweisungen bei jeder Kleinigkeit wie einem Rotlicht-Verstoß „ein Zirkus mit Sachverständigen-Gutachten gemacht wird“.

Während seines Ganges durch die Stadt komme es öfters vor, „dass einen Verurteilte in der Stadt ansprechen und erzählen, wie es ihnen ergangen ist. Wenn sie zu billig weggekommen sind, dann sind sie zufrieden und grüßen freundlich“, schildert Mäusezahl seine Erfahrungen.

Vor Gericht kämen sehr viele Wiederholungstäter sowohl in Strafsachen als auch in Zivilsachen, plaudert er weiter aus dem Nähkästchen. „Wenn du einen Wiederholungstäter hast, weißt du, wie du mit dem reden musst“, betont Mäusezahl. Aufgrund seiner Berufserfahrung und Menschenkenntnis merke er meist relativ schnell, wenn jemand anfängt zu lügen, sagt er und fügt nach kurzem Atemholen hinzu: „Ich werde ständig belogen.“

Seine Berufswahl und Entscheidung für Bad Gandersheim hat Mäusezahl nie bereut. „Sonst wäre ich nicht so lange dageblieben“, erklärt der Jurist, der seit 2006 der Direktor des Amtsgerichtes war. Die Arbeit und Aufgaben eines Richters hätten sich während der vergangenen drei  Jahrzehnte nicht verändert, die technischen Hilfsmittel schon. Mäusezahl bedauert, dass die Verwaltungsbürokratie immer mehr Zeit in Anspruch nimmt: „Das ist ein fürchterlicher Moloch geworden, der für die normale Richterarbeit verloren geht.“

Er erinnert daran, dass es immer wieder Spekulationen über die Zukunft des Bad Gandersheimer Gerichtes gegeben habe. „Es war schon nicht sicher als ich hierher gekommen war. Ich hatte fast erwartet, dass es der Todesstoß ist, als wir Kreiensen losgeworden sind“, so seine Einschätzung. „Da ist uns ein gutes Drittel verloren gegangen“, konkretisiert er die Folgen.

Die Landesrechnungshöfe würden die Politiker damit nerven, dass sich viel schönes Geld einsparen ließe, wenn kleine Gerichte zu einem großen Justizzentrum zusammengelegt werden, „wo alle eingepfercht werden“ und sich niemand um Bürgernähe kümmere, auf die in Sonntagsreden immer wieder hingewiesen werde.

Gute Wünsche an Nachfolger gerichtet

Das Besetzungsverfahren für die Nachfolge von Mäusezahl läuft gegenwärtig noch. „Wann es abgeschlossen sein wird, kann ich gegenwärtig nicht sagen“, betont Christian Lauenstein, Pressesprecher des Niedersächsischen Justizministeriums. Die Leitung des Gerichtes wird ab dem 1. März übergangsweise von Amtsgerichtsdirektorin Ines Löning vom Amtsgericht Bad Gandersheim wahrgenommen.

Seinem Nachfolger oder  seiner Nachfolgerin wünscht er „ein gutes Händchen und immer eine Handbreit voll Wasser unterm Kiel“. Abschließend verrät der ausgeschiedene Richter noch einen seiner Lieblingsorte: „Mein Bett.“art