„Möglichkeiten wurden nicht ausgeschöpft“

Wasim: Jury-Mitglieder äußern sich zu ihrer Entscheidung / Gewinner Florian Arifaj: „Ich dachte, meine Idee hätte ihnen gefallen.“

Die Gießkannen-Familie war das Maskottchen der Bundesgartenschau 2021 in Erfurt.

Bad Gandersheim. Große Enttäuschung machte sich in Bad Gandersheim breit, als zu Beginn der Woche die Aussage von LAGA-Geschäftsführerin Ursula Hobbie kam, dass Wasim kein Maskottchen für das kommende Großevent sein wird. Die Gießkanne sei eher ein Symbol. Das verwunderte manchen Gandersheimer, da die Gießkanne doch einem Maskottchen-Wettbewerb entsprang. Auch der Gewinner Florian Arifaj äußerte im Gespräch mit dem GK seine Enttäuschung. Nach einem Gespräch mit den Jury-Mitgliedern wurde aber auch deutlich, dass diese die Gießkanne auch nie als Maskottchen betrachteten.

Im September 2019 ist der Maskottchen-Wettbewerb durch die Landesgartenschau ausgeschrieben worden. Jung und Alt konnten sich beteiligen. In der Ausschreibung hieß es: „Das Maskottchen soll bereits vor der Landesgartenschau zum Einsatz kommen und die Menschen auf die Veranstaltung neugierig machen. Im Jahr der Durchführung kommt dem Maskottchen dann eine besondere, repräsentative Rolle zu. Richtig ausgewählt und eingesetzt, kann das Maskottchen helfen, die Landesgartenschau in Bad Gandersheim und darüber hinaus bekannter zu machen und Besucher zu gewinnen. Das Maskottchen darf ruhig ‘niedlich’ sein, aber es sollte die Landesgartenschau würdig repräsentieren. Es soll Gefühle und Gedanken verkörpern, damit sich Menschen untereinander und mit dem Maskottchen verbinden und identifizieren, denn erst dann kann das Maskottchen seine Wirkung als Erinnerungsstück und Sympathieträger voll entfalten.“

Groß und Klein wurden beim Wettbewerb miteinbezogen

Nach der Bekanntmachung des Wettbewerbs besuchten die damalige Geschäftsführerin Lena Guth und Geschäftsführer Thomas Hellingrath unter anderem die Oberschule Bad Gandersheim, die Freie Schule Heckenbeck und den Seniorennachmittag im Michaelshaus. Oberschüler der fünften und siebten Klassen sagten damals, dass ein Maskottchen für sie etwas „zum Kuscheln“ sei. Thomas Hellingrath erklärte den Schülern der Freien Schule Heckenbeck, dass das Maskottchen auch da sei, um Werbung für die LAGA zu machen. Den gewünschten Effekt beschrieb er wie folgt: „Alle sehen es und sagen, guck mal, da ist das Maskottchen von der Landesgartenschau, da war ich noch gar nicht da muss ich noch hin oder da muss ich nochmal hin.“

Die Auswahl des Maskottchens erfolgte über eine ausgewählte Jury, die damals aus Ulrike Esche (damals Projektleiterin Print SilverLynx Media GmbH), Bettina Plock-Girmann (Betreiberin des Rosencafés und Landschaftsarchitektin), Gitta Wiese-Günther (Buchhandlung Pieper), Jens Burger (Fotograf und Grafikdesigner) und Manfred Kielhorn (Stadt Bad Gandersheim) bestand. Auf die Fragen des GK, warum sie sich für eine Gießkanne als Maskottchen entschieden haben, antworteten alle Mitglieder ähnlich:

Bettina Plock-Girmann: Wir wollten nicht den normalen Weg über Plüschtiere oder ähnliches gehen. Wir wollten etwas haben, das einen Nutzen hat und dreidimensional nutzbar ist. Also kein klassisches Maskottchen, was auf dem Gelände rumläuft, sondern etwas Gegenständliches, Modernes.“

Gitta Wiese-Günther: „Manche Einreichungen, wie eine Blume waren uns zu kindlich, passten nicht in die Zeit oder waren zu kompliziert. Eine Gießkanne als Symbol ist sehr flexibel.“

Jens Burger: „Wir haben nie über ein Maskottchen nachgedacht, sondern haben die Gießkanne als Symbol gewählt. Das war unsere Empfehlung. Ungefähr so wie der Berliner Bär, der auch immer wieder verändert aufgemacht wird.“

Ulrike Esche: „Wir haben uns gemeinschaftlich für die Gießkanne als Symbol entschieden. Dabei ging es nicht speziell um den eingereichten Entwurf sondern die Gießkanne an sich.“

Manfred Kielhorn: „Das Symbol wurde einvernehmlich gutgeheißen. Wir wollten kein Kuscheltier.“

Eine Gießkanne eher als Symbol zu wählen für die Landesgartenschau ging also bereits aus der Entscheidung der damaligen Jury hervor. Jens Burger ergänzte dazu: „Wir sollten als Gremium sagen, welche Entwürfe wir gut finden und warum. Als Grafik-leute dachten wir eben an ein Symbol.“

Der Ausschreibung der Landesgartenschau entspricht es damit aber nicht. „Das Niedliche haben wir verfehlt“, sagt Gitta Wiese-Günther. „Es hätte aber noch so entwickelt werden können. Allgemein finde ich die Wahl aber noch gut und auch, dass es ein Sympathieträger ist.“

Möglichkeiten nicht genutzt: Jury hatte andere Vorstellungen

Mit der Weiterentwicklung und der genauen Gestaltung von Wasim hatten die fünf Mitglieder nichts mehr zu tun. „Die damalige Marketingleitung hat unsere Idee umgekehrt und versucht, die Gießkanne zu einem menschlichen Wesen zu machen mit Brille und Mütze. Es wurde zu einer Art Maskottchen gemacht“, sagt Jens Burger. „Danach fand ich es nicht mehr so schön. Ich fand es schon schade, als Wasim ein Gesicht bekommen hat.“

„Klar hätte man aus der Gießkanne ein Maskottchen machen können, aber eigentlich haben Kannen keine Augen. Sie wurde nur so weiterentwickelt. Daran waren wir aber nicht mehr beteiligt“, so Bettina Plock-Girmann.

„Man hätte aus vielen kleinen Gießkannen eine Große bauen können.“

In einem sind sich fast alle Jurymitglieder einig: „Die Möglichkeiten wurden nicht ausgeschöpft, um eventuell noch ein Maskottchen aus Wasim zu machen“, äußert sich Ulrike Esche. Bei der Wahl der Gießkanne habe man, wie Plock-Girmann sagte, gezielt etwas dreidimensional Nutzbares gesucht. „Es wäre mehr Potenzial da gewesen. Jetzt ist es nur eine platte Gießkanne. Das finde ich etwas lieblos. Man hätte verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln können. Eigentlich sollte Wasim interessanter als ein Stofftier werden. Zum Beispiel ein Spielgerät oder eine Lampe“, führt Plock-Girmann aus.

„Wenn man an eine Gießkanne denkt, hat jeder eine andere vor Augen. Und so hätten alle ihre individuelle Gießkanne haben, sie in ihrem Garten aufstellen und so zeigen können, dass sie hinter der LAGA stehen“, beschreibt Jens Burger die Idee. Und weiter: „Man hätte auch aus vielen kleinen Gießkannen eine große bauen können.“ Auch Gitta Wiese-Günther findet, dass viele Möglichkeiten noch nicht genutzt worden. „Ein Krimi ist ja auch nicht immer nur Blutvergießen. Die Bandbreite ist groß. Und so hätte man auch die Gießkanne mit unterschiedlichen Inhalten füllen können.“ Sie selbst ist grade auf der Suche nach einer, um Wasim an ihrer Buchhandlung zu zeigen.

Ulrike Esche noch dazu: „Die Agentur hätte es richtig umsetzen müssen. Ich glaube schon, dass man ein Maskottchen aus Wasim hätte machen können. Schließlich ist Bad Gandersheim nicht die erste Gartenschau mit einer Gießkanne.“ Und damit hat sie Recht. Die Bundesgartenschau in Erfurt 2021 hatte gleich eine ganze Gießkannen-Familie als Maskottchen. Und genau so wurden sie dort auch bezeichnet. Zwei große Gießkannen als Eltern und zwei kleine als Kinder. Die Namen der Kannen wurden von den Bürgern gewählt.

Die Gießkannen-Idee kam in Erfurt sehr gut an. Als Andenken sind die Gießkannen als solche gefertigt worden und man konnte, wenn gewollt, gleich die ganze Familie erwerben. In Summe wurden 10.000 der bunten Kannen hergestellt und alle wurden verkauft. Zwar lief die beliebte Familie nicht über die Bundesgartenschau, doch war sie trotzdem groß zu sehen: Jede Gießkanne ist als aufblasbare Figur vertreten gewesen.

Eine Umsetzung als richtige, benutzbare Gießkanne ist auch in Bad Gandersheim vorgesehen gewesen. Doch aufgrund hoher Herstellungskosten wurde letztendlich davon abgesehen. Der Förderverein der Landesgartenschau hat einige wichtige Vorhaben umgesetzt, um Wasim präsenter zu machen.

Geschäftsführerin Ursula Hobbie und Bürgermeisterin Franziska Schwarz sind sich darin einig, dass das geleistete Ehrenamt gewürdigt werden sollte. Durch den Förderverein wurde der große Wasim an der Hildesheimer Straße platziert – demnächst zieht er auch noch um. Außerdem bemalten Kinder viele hölzerne Gießkannen, die nun in diversen Gärten im Stadtgebiet zu sehen sind. Zudem hat Wasim als gezeichnete Figur verschiedene Emotionen bekommen und war auf verschiedenen Bannern der LAGA zu sehen. Doch die Jury und viele andere meinen, das ist zu wenig.

Auch der Gewinner Florian hat sich mehr erhofft

Auch der Gewinner des Maskottchen-Wettbewerbs zeigt sich enttäuscht. Eingereicht wurde die Idee der Gießkanne zweimal. Ein Entwurf stammt von Johanna Nienstedt aus Stadtoldendorf und der andere von Oberschüler Florian Arifaj. Dieser äußerte sich im Gespräch mit dem GK: „Mein Gedanke war, da wo Blumen sind, da ist auch eine Gießkanne.“ Und weiter: „Ich dachte, meine Idee hätte ihnen gefallen. Ich find’s schade, dass es jetzt doch kein Maskottchen ist.“ Florian hat sich vorgestellt, dass es immer mehr Gießkannen in Bad Gandersheim gibt. „Ich war zum Beispiel letztens beim Plangarten-Spielplatz. Da habe ich noch gedacht, dass es dort viele schöne Plätze gibt, wo man eine Gießkanne platzieren könnte.“

Entgegen der Erwartung der Teilnehmer am Wettbewerb hat Bad Gandersheim nun also doch kein Maskottchen, sondern ein Symbol. Ob das Auswirkungen auf die Werbewirksamkeit haben wird, kann man nur vermuten. Jedenfalls kamen vergangene Maskottchen – wie Rosa Lotta (Bad Iburg) oder Lippolino (Bad Lippspringe) – sehr gut bei den Besuchern an. Aus diesem Grund sagte auch der damalige Bürgermeister von Bad Lippspringe, Andreas Bee, bei einem Termin in Bad Gandersheim im März 2019: „Sie brauchen ein Maskottchen.“

Doch wie Geschäftsführerin Hobbie vergangene Woche erwähnte, bleibt Wasim Bad Gandersheim erhalten. Nur entspricht seine Rolle nicht ganz der eines Maskottchens, da er nicht als Figur herumläuft oder als Gießkanne erhältlich sein wird.

Auf Nachfrage bei Landrätin Astrid Klinkert-Kittel am Freitagabend, entgegnete diese sehr überrascht, dass sie davon noch nichts wusste. „Wasim ist doch so süß. Haben wir jetzt etwa kein Maskottchen?“, wunderte sich die Landrätin. Sie wolle dieser Angelegenheit noch in dieser Woche nachgehen.

In sozialen Medien machte sich die Meinung breit, dass dies als sehr bedauerlich empfunden wird. Auch der Förderverein der Landesgartenschau ist entsetzt und will dies nicht einfach hinnehmen. Eine Lösung bis zur Landesgartenschau kann es aber nicht mehr geben. Man hätte von Anfang an ein anderes „Motiv“ benötigt, um ein richtiges Maskottchen zu schaffen. Ob es eine dementsprechende Alternative gegeben hätte, kann man heute nicht mehr sagen, da sich die Mitglieder nicht mehr genau an die anderen Einreichungen erinnern können.

Was ist die Leser-Meinung zu diesem Thema? Hätte man aus Wasim mehr machen können und müssen, oder hätte es von Anfang an ein anderes Wesen sein müssen, das als Maskottchen hätte fungieren können? Schicken Sie uns ihre Meinung gerne an Mail redaktion@beobachter-online.de. Gerne veröffentlichen wir diese auch als Leserbrief – dafür bitten wir um entsprechende Kennzeichnung.hei