Museumsfreunde stellen vor: Das Handwerk, Teil II

Altes Schusterhandwerk kann im Museum sehr gut nachvollzogen werden

Die Schusterecke im Stadtmuseum: Anhand zahlreicher alter Werkzeuge und Maschinen kann die Arbeit dieses Handwerkes gut nachvollzogen werden.

Bad Gandersheim. Das Stadtmuseum von Bad Gandersheim zeigt im Westflügel des Hauses die Vielfalt des heimischen Handwerks. Nach der Vorstellung der Berufe von Bäcker und Schlachter sind heute die Holz verarbeitenden Bereiche und der Schuhmacher an der Reihe. Der Beruf des Schuhmachers findet sich heute kaum noch, ihn gab es in den vergangenen Jahrzehnten fast in jedem Ort, meist sogar mehrfach. Doch schon damals fertigte er kaum noch Schuhe an, sondern seine Hauptarbeit war die Schuhreparatur. Auch diese Tätigkeiten sind mehr und mehr zurück gegangen, Schuhe wurden zunehmend zu Wegwerfartikeln.

Das Stadtmuseum zeigt aber noch einen kompletten Arbeitsplatz dieses traditionellen Handwerkers mit einer gläsernen Schusterkugel in der Mitte des Arbeitstisches mit dem typischen dreibeinigen Hocker. Die Schusterkugel im Zentrum ist ein mit Wasser gefüllter farbloser Glaskolben in Kugelform, der besonders vor Einführung elektrischer Lichtquellen benutzt wurde. Mit ihr konnte das Licht einer Öllampe oder der Sonne so fokussiert werden, dass der Arbeitsplatz besser ausgeleuchtet war beziehungsweise in lichtschwachen Stunden, beispielsweise in der Dämmerung, noch gearbeitet werden konnte.
Über dem musealen Arbeitsplatz hängt ein großer Stiefel. Er ist das Zunftzeichen der Schuhmacher. Dieser stammt aus der ehemaligen Schuhmacherwerkstatt des Schusters H. Ahrens in der Alten Gasse in Bad Gandersheim. Bei Aufgabe seines Betriebes vor vielen Jahren hat der Meister diesen Stiefel, besser seinen Geschäftsausleger, dem Museum vermacht. Noch heute sind wir Museumsfreunde ihm dankbar.

Eine Vielzahl von typischen Werkzeugen ist zu sehen, dazu kleine und große Schuhe, Schuhleisten, eine alte Skibindung, Dreifüße und zwei betriebsbereite Nähmaschinen zum Nähen von Leder. Auch ein zugehöriger Meisterbrief schmückt diesen Arbeitsplatz. Ein kleiner Videorecorder mit einem Film veranschaulicht den Besuchern die Arbeit dieses Berufes. Man kann die Entstehung von Schuhe beginnend vom Zuschnitt des Leders bis zu ihrer Fertigstellung verfolgen.

Gegenüber der Schusterwerkstatt befindet sich der große Bereich der Holz verarbeitenden Berufe. Neben Tischler und Küfer sind besonders die Zimmerleute in diesem Bereich präsent. Eine Vielzahl älterer Werkzeuge und Werkbänke ist zu sehen. An den Wänden werden die einzelnen Arbeitsgänge erläutert. Zusätzlich zeigt ein kleiner Film einen Küfer bei der Herstellung eines Holzfasses.

Zu den Besonderheiten mancher Handwerksberufe zählt das traditionelle Wandern der Gesellen. Diese Wanderpflicht in einer speziellen Kleidung, der Kluft, war von den Zünften in Wanderordnungen festgeschrieben. Erreichte der wandernde Geselle eine neue Stadt, bekam er bei einem Meister eine Werkstätte zugewiesen und verdingte sich auf eine bestimmte Zeit. Der Geselle legte bei der Zunftlade seinen Geselleneid ab. In einem eigenen Wanderbuch wurde der Ablauf der einzelnen Wanderungen penibel eingetragen. Ein solches Buch findet sich auch im Museum.

Die Beherbergung der Gesellen konnte in vielen Städten in einer dafür bereit gehaltenen speziellen Unterkunft erfolgen. Auch im Museum befindet sich ein diesbezüglicher Aushang, der auf die Existenz einer Unterkunft für Wandergesellen des Tischlerhandwerks hinweist. Sie trägt den Text „Tischler Gesellen Herberge 1855“. Die Tafel weist auch die für Zimmerleute gültigen Zunftzeichen auf: Hobel, Winkel und Zirkel. Leider wissen wir nicht, wo seinerzeit diese Herberge ihren Standort hatte, vielleicht in der Nähe der Tischlerei Brackebusch. Das Datum auf der Tafel könnte passen.

Die Gesellen waren damals einer strengen Ordnung unterworfen. Doch bereits vor 1800 wurden Reformen im Deutschen Reich eingeführt, zum Beispiel die Reichshandwerksordnung. Diese brachte erste Lockerungen für die Gesellen. Auch die Entstehung neuer Manufakturen führte zu weiteren Konflikten in Bezug zum alten Handwerk. Nur in wenigen Nebengewerken des Bauhandwerkes blieb die Tradition der Wanderschaft erhalten. In den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts waren bald die reisenden Handwerksburschen mit dem schwarzen Hut und ihrem Stecken eine Seltenheit, manchmal sieht man sie aber auch heute noch. Schön, dass in unserem Museum der Blick auf diese Handwerkstraditionen in Wort und Bild erhalten geblieben ist.

Wer mehr über das Stadtmuseum erfahren möchte, schaut ins internet unter www. museum-bad-gandersheim.de. Im Moment weiterhin der einzige Weg zum „Besuch“, denn wie viele andere Einrichtungen ist das Museum während des Teil-Lockdowns geschlossen.red