Ökologischer Kollaps befürchtet

Naturliebhaber Alfredo Kubbig aus Altgandersheim warnt vor den Folgen des weltweiten Insektensterbens

Bietet Lebensraum für Bienen und Hummeln: Totholzstamm.

Altgandersheim. Insekten spielen in der Ökologie eine zentrale Rolle. Deren massenhaftes Verschwinden wird nicht nur in Europa, sondern weltweit immer offensichtlicher. Es könnte für die Menschheit weitaus dramatischere Folgen haben als die Veränderung des weltweiten Klimas, warnt Naturliebhaber Alfredo Kubbig aus Altgandersheim.

An das Artensterben von Tieren in Afrika wie den Nashörnern, Löwen oder Giraffen habe man sich fast schon gewöhnt. „Die Jagd auf Wale aus angeblich wissenschaftlichen Gründen löst hier und da noch Entsetzen aus“, erklärt Kubbig. Wirksame Maßnahmen gegen die Ausrottung der Tiere auf dem Globus werden nach seiner Einschätzung von den handelnden Politikern aber nicht getroffen. „Doch das Artensterben hat inzwischen eine Tiergruppe erfasst, mit der man wohl am wenigsten gerechnet hat und über dessen fatale Auswirkungen man sich lange Zeit nicht bewusst war“, erklärt der Naturliebhaber und konkretisiert: „Die Insektenzahlen sind weltweit im Verschwinden begriffen“.

Dies gilt für alle Arten und Populationen, sagt Kubbig und verweist darauf, dass dies auch schon von der New York Times thematisiert wurde. Fachleute sprechen bereits von der „Insektenapokalypse“. Dabei haben Insekten eine zentrale funktionelle Bedeutung für Ökosysteme. „Wenn sie verschwinden, verändert sich die komplette Umwelt bis hin zum Verschwinden unserer Lebensgrundlage“, verdeutlicht Kubbig. Unabhängige Biologen und Ökologen warnen schon seit Jahren vor dem Bienen- und Insektensterben.

Die ersten Hinweise darauf, dass die Warnungen stimmen, konnte jeder selbst an der Windschutzscheibe seines Autos feststellen: Die Zahl der „Insektenleichen“ ist seit Jahren stark gesunken. Seit 2017 gibt es auch quantitative Belege für das Insektensterben. Die sogenannte „Krefelder Studie“ wurde von den Medien aufgegriffen und politisch diskutiert. Biologen haben jahrelang Fluginsekten in Fallen in verschiedenen Naturschutzgebieten mit Schwerpunkt in Norddeutschland gefangen. Sie bemerkten im Laufe der Zeit einen dramatischen Rückgang: Die Masse der gefangenen Insekten wie Schmetterlinge, Bienen, Schwebfliegen und andere ist seit 1989 um 80 Prozent zurückgegangen.

Die Daten wurden nach Kubbigs Worten jedoch „schnell angegriffen und angezweifelt“, auch wenn sich diese durch weitere Studien bestätigen. Käfer und Nachtfalter sind in den Naturschutzgebieten um 50 bis 70 Prozent zurückgegangen. Seit der Jahrhundertwende sind zehn Prozent aller Schmetterlingsarten verloren gegangen. Weitere Zahlen belegen den Trend: So wurde in Schottland ein Rückgang an Fluginsekten von 1970 bis 2002 um zwei Drittel festgestellt.

Auch außerhalb Europas haben Biologen und Ökologen konkrete Zahlen ermittelt: Im Regenwald von Puerto Rico sank die Menge der Insekten seit den 1970er Jahren auf ein Viertel der früheren Bestände. In Kalifornien wurde ein Rückgang der Monarch-Falter um 90 Prozent festgestellt. Auch in Australien wurde ein massiver Insektenschwund registriert. Dort sind rund 45 Prozent der Insekten verschwunden. Das Verschwinden der Insekten ist also ein globales Phänomen. Über die Gründe des weltweiten Insektensterbens sind sich die Wissenschaftler nicht sicher.

Die Ursachen können vielfältig sein. Der größte Verlust von Insekten ist in Europa zu verzeichnen, „denn große Teile der Landschaften werden landwirtschaftlich genutzt, Wiesen und Gräser werden umgepflügt, zu Äckern verwandelt und oftmals überdüngt“, erläutert Kubbig. Während der vergangenen Jahre konnten zudem immer mehr Wissenschaftler beweisen, dass Pestizide wie Neonikotinoide maßgeblich am Insektensterben schuld sind.

Sie töten nicht nur Insekten, sondern auch Wildkräuter, Blumen und andere Wildpflanzen, welche die Basis der Insekten darstellen. Vom Insektensterben sind auch die Vögel betroffen. Auch diese sterben, weil Insekten fehlen. Am Ende der Nahrungskette steht der Mensch, erklärt der Naturliebhaber. Bienen und andere Insekten seien „essenzielle Bestäuber zahlreicher landwirtschaftlich genutzter Flächen, die als Nahrung für den Mensch dienen“.

Fehlen diese Insekten, können Insekten und andere Pflanzen nicht mehr bestäubt werden. Im chinesischen Maoxal-Tal müssen inzwischen Menschen Apfelbäume per Hand bestäuben, weil die natürlichen Bestäuber, die Insekten, verschwunden sind. Biologen befürchten bei dem massenhaften Insektensterben bald einen großräumigen ökologischen Kollaps, denn Insekten sind nicht nur zum Bestäuben da. Sie sorgen auch dafür, dass Kot und Aas zersetzt werden, dass organische Abfälle verrotten und das Blütenpflanzen weiterbestehen. Auch die Zahl der insektenfressenden Wirbeltiere wird nach den Prognosen weiter abnehmen. Eine mögliche Konsequenz wäre, dass sich der Mensch bald nur noch von wenigen, windbestäubten Getreidearten ernähren kann. Massenhunger und Kriege könnten dann letzte Folge sein.

„Die Folgen des Insektensterbens könnten also für die Menschheit weitaus dramatischer sein als der vielfach propagierte Klimawandel", gibt Kubbig zu bedenken. Er erinnert daran, dass der NABU von Freitag, 4. Januar, bis Sonntag, 6. Januar, wieder zur Stunde der Wintervögel aufruft und bittet darum, an der Zählung teilzunehmen.

Außer Vögeln, die das ganze Jahr über bleiben, lassen sich auch zusätzliche Wintergäste beobachten, die aus dem Norden und Osten nach Mitteleuropa gezogen sind. Bundesweit hatten sich 2017 über 136000 Vogelfreunde an der Aktion beteiligt und Zählungen aus über 92000 Gärten übermitttelt: ein Rekordwert.art