Rat stimmt am Ende deutlich für die Verschiebung der LAGA um ein Jahr

Nur zwei Gegenstimmen / Lange Diskussionen im Rat und Nachfragen an die Fachleute

Bad Gandersheim. Es kam wie erwartet, und auch mit einem deutlichen Abstimmungsergebnis: 18 Ratsmitglieder stimmten der Verlegung der LAGA ins Jahr 2023 zu, nur zwei waren dagegen. So leicht, wie das Ergebnis suggerieren mag, machte es sich der Rat mit dieser Entscheidung am Montagabend aber beileibe nicht.

Bevor der Rat über die Verschiebungsempfehlung des Aufsichtsrates der Durchführungsgesellschaft diskutieren konnte, hatten die Geschäftsführer der LAGA das Wort. Ursula Stecker bekannte, dass dies für die Verantwortlichen alles andere als eine leichte Zeit sei. Niemand mache diese Empfehlung Freude, sie erfolge aber praktisch alternativlos, weil alle anderen Wege nicht zu dem Ergebnis führen würden, für das man eine LAGA ausrichten wolle. Es sei zeitlich einfach seit November nicht mehr machbar, im April eine Landesgartenschau zu eröffnen, wie sie einmal geplant war, um erfolgreich sein zu können.

Auf Rückfrage aus dem Rat, warum zum Beispiel das Marketing zurzeit nicht richtig loslegen könne, nannte die Geschäftsführerin als ein Hemmnis, es fehle schlicht an entsprechenden Bildern. Geschäftsführer Thomas Hellingrath erklärte dazu, der LAGA fehlten zurzeit die an sich bis Oktober erwarteten Entwürfe für die Themengärten. Zehn davon sind geplant, ganze zwei Entwürfe wurden zeitgerecht eingereicht. Es sei somit schlicht unmöglich, mit den und für die Themengärten zu werben, weil man weder deren Inhalt noch Aussehen nachvollziehen könne.

Dieses Beispiel lasse sich analog auf viele weitere Fälle ummünzen. Ob bei Flyererstellungen, Veranstaltungen und anderem mehr, überall fände man die gleiche Problematik der Unplanbarkeit. Das werde sich sicher durch die kommenden Einschränkungen nach Weihnachten eher noch verschärfen.

„Mit den Bauarbeiten wären wir ja noch so halbwegs fertig geworden, um im April zu eröffnen“, so Hellingrath weiter. Was aber zurzeit komplett unabsehbar sei, wären die Umstände zum geplanten Eröffnungstermin. Es sei zurzeit durch die Pandemie keine seriöse Planung mehr für die Eröffnungswochen möglich.
Siegfried Dann, als Vertreter der Fördergesellschaft Landesgartenschau Norddeutschland der Ratssitzung – er ist als Gärtner mit der Erfahrung vieler Landesgartenschauen auch Aufsichtsratsbegleiter – ergänzte, dass niemand froh über die Ausgangslage ist. Den Gärtner gehe es zurzeit „beschissen“. Eine Landesgartenschau war früher tatsächlich eher eine „Blümchenschau“. Sie habe sich aber über die Jahrzehnte gewandelt. Heute sind LAGA Objekte für die Zukunft, die nachhaltige Nutzbarkeit ist das Ziel. Niedersachsen ist relativ spät damit warm geworden, nun aber auf gutem Weg.

Die LAGA in der Roswithastadt biete eine große Chance, ein Kurgebiet für die Zukunft fit zu machen. Nun sei es so, wie es ist. „Hätte“ und „wenn“ nützten jetzt nichts. Bisherige Verschiebungen sind im Ausrichtungsjahr fast ausnahmslos erfolgreich gelaufen. Wovor sollte man dann Angst haben?

Diese Frage rief CDU-Fraktionsmitglied Hendrik Geske auf den Plan. Er antworte Dann, indem er seine Sorge einer neuen Verschuldungsspirale artikulierte. Die Stadt habe mit der Last des Zukunftsvertrages auf dem Buckel seit 2008 die hohe Verschuldung überwunden, da begebe sie sich seiner Meinung nach ohne Not mit diesem Projekt wieder in die Gefahr einer neuen Verschuldungsspirale. Das mache ihm als Verantwortungsträger Angst, so Geske.

Dann erwiderte, man möge sich vor Augen halten, wie die Stadt auf ihren Einsatz auch eine finanzielle Wirkung zurückerhalte. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge lasse ein Tagesgast zwischen 15 und 30 Euro in der Stadt, Übernachtungsgäste bis zu 140 Euro. Bei rund 400.000 Besuchen erlöse dies einen Umsatz von rund 14 bis 15 Millionen Euro in der Stadt. Während der sechs LAGA-Monate. Das sei vielen Menschen offenbar gar nicht bewusst, mit wie wenig Einsatz sie welch große Summen zurückkommen würden.

Das Beispiel vermochte trotz der enormen Summe Ratsherrn Geske indes in seiner Sorge nicht zu beruhigen. Dann wehrt sich ihm gegenüber gegen Angaben, wie viele Menschen zu Beginn oder erst recht jetzt gegen eine LAGA seien. Das sei bei fast allen Gartenschauen so, am Ende aber seien überall die allermeisten davon doch überzeugt gewesen.

Für ein Durchziehen in 2022 spreche wenig bis nichts. Sehr viel aber für die Verschiebung. „Eine gute LAGA ist besser als eine halbe“, so Dann abschließend. Manche Kritik sei gerechtfertigt, aber es ist möglich, auch in Bad Gandersheim eine gute LAGA hinzubekommen.

Aus dem Rat gab es eine Reihe von Nachfragen. So zum Nachnutzungskonzept. Aufsichtsrat und Durchführungsgesellschaft erstellen ein solches und geben es in die städtischen Gremien. Die Pflegekosten für das Übergangsjahr bezifferte Thomas Hellingrath auf rund 200.000 Euro.

Schwer einzuschätzen sei natürlich, ob die nun ausgeweitete Defiziterwartung von 4,7 Million Euro eingehalten oder im besten Falle günstiger ausfallen werde. Hellingrath ging aber davon aus, dass ein höheres Defizit unwahrscheinlich sei, man habe eher niedrige Erwartungen angesetzt, die leichter übertroffen werden könnten.

Nachgefragt wurde auch, welche Auswirkungen dies auf die bereits geschlossenen Verträge habe. Regressforderungen erwartete Hellingrath kaum. Alle bislang geführten Gespräche hätten überwiegend zu Erleichterung geführt, denn auch die Vertragspartner hätten für 2022 eher Probleme gesehen, die nun durch die Verschiebung erst einmal aus der Welt seien. Positiv könne sich dies auch auf die derzeit sehr schwierige Sponsorensuche auswirken.

Zur Frage von Teilfreigaben sagte Siegfried Dann, in vielen Bereichen werde das sicher recht problemlos gehen, allein einige intensiv zu pflegende Bereiche müssten vielleicht geschützt werden. Welche das sind und wie weitreichend solcher Schutz sein müsste, konnte aber noch nicht konkret gesagt werden.
Bürgermeisterin Schwarz erklärte auf Nachfrage, was es eigentlich abzustimmen gebe. Der Rat beschließe hier eine Weisung an die Vertreter der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung, wie es der Kreistag am Freitag bereits getan hat.

Grundsätzlich bekannte sie, dass Enttäuschung und Schock auch bei ihr die ersten Reaktionen auf den Vorschlag der Verschiebung waren. Verkürzungsvorschläge für 2022 können damit aber nicht konkurrieren. Zahllose Menschen, der Förderverein, viele Gruppierungen freuen sich auf die LAGA, sie stehen auch weiter zur Gartenschau.

Die Entwicklung der letzten Wochen habe sich niemand gewünscht. Corona ist da, und es mache so Vieles einfach schwer. Nicht nur der LAGA.
Zur Frage im Kreistag nach der Kontrolle durch den Aufsichtsrat (AR) sagte sie: Der AR tage monatlich und intensiv. Er ist fraktionsübergreifend besetzt, da gebe es nichts zu verheimlichen. Das LAGA-Team habe trotz Unterbesetzung gute Arbeit leisten können. Ausschreibungen unterlägen dem Vergaberecht, alles werde kontrolliert. Jetzt müsse man nach vorn schauen – und das könne man mit der Verschiebung.

Wiederholte Kritik am Verfahren äußerte Grünen-Ratsherr Oliver Brzink. Er habe vom Beginn der Entwicklung an den Eindruck, dass es eigentlich nie eine freie Wahl der Entscheidung gegeben habe. Die Empfehlung des Aufsichtsrates sei von Beginn an als einziger Weg dargestellt und kommuniziert worden. Die Gremien seien an sich einseitig informiert worden, weil von vornherein die Verschiebung favorisiert worden sei. Es habe damit praktisch keine ergebnisoffene Diskussion mehr geben können. Das missfalle ihm beim Vorgehen deutlich.

Hendrik Geske fragt nach, welche Auswirkungen die Verschiebung auf die Personallage der Stadtverwaltung haben werde. Könnten nun auch andere Themen als LAGA abgearbeitet werden? Franziska Schwarz wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ab Januar die Verwaltung eine vom Landkreis abgeordnete Stelle bekommt, die in diesem Bereich unterstützen soll. Auf eine weitere Personaldiskussion ließ sich die Bürgermeisterin nicht ein.

Timo Dröge erkundigte sich nach den Verhältnissen bei den Investitionen. Die Bürgermeisterin und Kämmererin Claudia Bastian bestätigten, dass auf rund 12,6 Millionen Ausgaben die Stadt so viele Fördergelder kommen, dass die Stadt mit weniger als einer Millionen Euro selbst beteiligt ist.

Bürgermeisterin Schwarz wies in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass es ohne die LAGA keinen Umbau des Kurgebietes, keinen Neubau des Freibades, keine B 64-Rampen und vieles andere auch nicht geben würde. Millionen an Fördergeldern von Land und Bund machten das möglich, die aber hätte es ohne eine LAGA eben nie gegeben.

Für Timo Dröge war die Reaktion der Bürgermeisterin Anlass, zu kritisieren, dass Nachfragen ihrerseits schnell als „Schlechtreden“ bezeichnet würden. Sein Interesse gelte der ganz normalen Aufsichtspflicht. Dazu müsse man auch einmal Dinge kritisch hinterfragen dürfen. Immer dann aber werde man schnell als LAGA-Ablehner hingestellt. Angesichts einer Defizitausweitung um 3,7 Millionen müssten solche Nachfragen aber normal sein, so Dröge.

Im Anschluss holte Hendrik Geske zu einem längeren Monolog aus, währenddessen es auch zu einem heftigem Wortgefecht mit dem Ratsvorsitzenden und der Bürgermeisterin kam. Hendrik Geske erläuterte nochmals ausführlich seine persönliche Sicht der Entwicklung und der Fehler sowie die Motive, die ihn zu der Überzeugung habe kommen lassen, dass eine „LAGA light“ in 2022 der bessere Weg sei. Obwohl er wisse, dass der Antrag wohl keine Chance habe, stellte er einen solche mit folgendem Wortlaut: „Die Landesgartenschau 2022 wird konzeptionell und terminlich den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Aufgrund der zu erwartenden Besucheranzahl sind auch temporäre Bauwerke und Technik darauf auszulegen und hier Kosten einzusparen“.

In einer grundlegenden Stellungnahme der CDU-Fraktion fragte sich Timo Dröge, ob es ein anderes Szenario als die Verschiebung gebe. Für ihn nicht, laute die Antwort für seine ganz persönliche Ansicht. Die CDU sei darin aber gespalten und werde unterschiedlich abstimmen.

Auch das Thema Stadtmarketing müsse endlich auf den Weg gebracht werden. Da tue ein Jahr mehr sogar sehr gut. Aber auch andere Dinge müssten durch die Verschiebung wieder eine Rolle spielen können. Daher sei die Unterstützung durch den Landkreis, die per Kreistagsbeschluss am Freitag mit auf den Weg gebracht worden war, der richtige Weg.

Zustimmung von der CDU, so Dröge, gebe es zur Verschiebung nur, wenn auch andere Dinge in Bad Gandersheim vorankommen, zum Beispiel der Hochwasserschutz, die Sanierung des Stadions und anderes mehr. „Frau Schwarz, da müssen Sie jetzt auch in anderen Bereichen liefern“, so Dröge deutlich.
Zum ersten Mal griff an dieser Stelle die SPD-Fraktion mit Vorsitzendem Niklas Kielhorn in die Debatte ein. Er wies den Vorwurf der Intransparenz zurück. Alle Zahlen lägen den Ratsmitgliedern vor. Die Fraktionen dürften durch Aufsichtsrats-Mitglieder auch unterrichtet werden.

Niemand falle eine Verschiebung leicht. Es gehe um eine seriöse Lösung für das geplante Erlebnis, wie es geplant war. Die Empfehlung des Aufsichtsrates sei dafür völlig richtig. Auch der Informationspolitik könne man keinen Vorwurf machen. Die SPD werde geschlossen für die Verlegung stimmen, kündigte Kielhorn an.

Nach den – teilweise sehr langen – Wortbeiträgen wurde dann endlich abgestimmt. Zuerst der Antrag von Hendrik Geske. Bei drei Zustimmungen und 17 Nein-Stimmen wurde der Antrag abgelehnt.

Gleich danach erfolgt die Abstimmung über die Beschlussvorlage. Sie sieht vor, dass die Vertreter des Rates in der Gesellschafterversammlung für die Verschiebung um ein Jahr stimmen sollen. Zudem muss die LAGA-Durchführungsgesellschaft schnellstmöglich einen aktualisierten Wirtschafts- und Stellenplan vorlegen sowie entsprechende Finanzierungsanträge in Höhe von bis zu drei Millionen Euro an das Land richten.

Mit 18 Ja-Stimmen bei Gegenstimmen von Hendrik Geske und Oliver Brzink wurde dies so beschlossen.

Auch finanzielle Folgen für Stadtetat beschlossen

In einem weiteren Beschlusspunkt war eine Anpassung der finanziellen Lasten vorzunehmen, die von der Stadt aufgrund der mit der Verschiebung nun veränderten Defiziterwartung getragen werden müssen. Der städtische Etat muss einen Teil dieser zusätzlichen Defizierwartung auffangen. Die konkrete Summe hatte vor dem Wochenende noch bei 700.000 Euro gelegen, war aber durch den Kreistagsbeschluss verändert worden.

Der Kreistag hatte bekanntlich auch eine personelle Unterstützung zugesichert. Die wiederum lässt er sich durch eine Reduzierung des ursprünglich eigenen Anteils am erwarteten Defizit mit einer Million Euro auf nunmher 850.000 Euro sozusagen entlohnen. Die Reduzierung um 150.000 Euro schlägt andererseits bei der Stadt in einer Erhöhung des Eigenanteiles auf ebenfalls 850.000 Euro zu Buche.

Zugleich musste damit die überplanmäßige Aufwendung oder Ausgabe von 200.000 Euro um eben diese 150.000 Euro auf 350.000 Euro erhöht werden. Die Deckung erfolge durch Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer sowie Minderausgaben bei den Zuschüssen für Kindertagesstätten. Die Mittel sind in diesem Jahr als Rücklage zu binden.

Vor dem Beschluss musste Kämmererin Claudia Bastian noch die Sorge nehmen, dass die Mittelentnahme aus dem Kindertageststättenbereich den Plänen der Unabhängigen zuwider laufen könnte, den Kinderhort zu erhalten. Bastian erläuterte, dass es sich um Mittel aus diesem Jahr handele, die nicht gebraucht worden seien und ansonsten der allgemeinen Deckung anheim fielen. Das habe keine Auswirkungen auf die Mittelbereitstellung der folgenden Jahre.

Unter diesen Umständen stimmten 17 der 20 anwesenden Ratsmitglieder (eine Ratsfrau fehlte) für diese Finanzierungsanpassung. Die drei Gegenstimmen kamen von Veronika Gottschalk, Hendrik Geske und Oliver Brzink.rah