Richter verurteilt ehemaligen Lutteraner zu vier Jahren und vier Monaten

Nach über einem Jahr Verhandlung im Betrugsprozess wurde jetzt das Urteil gefällt / Angeklagter akzeptiert es offenbar nicht

Braunschweig. Ein wirklicher Mammutprozess lag hinter allen Beteiligten. Nach einem Jahr hat die 16. Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Bohle Behrendt nun das Urteil gesprochen. Verurteilt wurde der ehemalige, mittlerweile 64-jährige Lutteraner zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten, aufgrund der langwierigen Ermittlung werden ihm bereits zwei Monate als verbüßte Strafe angerechnet. Obendrein legte das Gericht den sogenannten einzuziehenden Wertersatz auf knapp über 50.000 Euro fest. Im Prozess ging es um gewerbsmäßigen Betrug, bis zur Urteilsverkündung hatte der Lutteraner die Vorwürfe bestritten.

Staatsanwalt Christian Jacoby hatte eine fünfjährige Freiheitsstrafe und eine sofortige Inhaftierung nach dem Urteil gefordert. Er sprach von Fluchtgefahr. Letztere sah der Richter nicht, als Indiz führte er ins Feld, dass der Angeklagte zu allen Prozessterminen erschienen sei.

Rückblick, die Anklageschrift sah folgendes vor: Ursprünglich waren drei Männer im Alter von 63, 71 und 37 Jahren wegen Insolvenzverschleppung, die sie gemeinschaftlich als Vorstände sowie Aufsichtsrats-  beziehungsweise Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft begangen haben sollen, angeklagt. Die Vergehen stammen unter anderem aus dem Jahr 2009, Tatort war unter anderem Lutter.

Dem 71-jährigen Angeklagten wird als Verantwortlichem weiter vorgeworfen, zum einen die Vermögensverhältnisse der Aktiengesellschaft in der Bilanz 2007 sowie den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2008 falsch dargestellt zu haben. Er habe anschließend in zwei Fällen bei einer Bank einen Kreditantrag unter Vorlage zunächst des unrichtigen Jahresabschlusses  für das Jahr 2007 und beim zweiten Antrag unter Vorlage des unzutreffenden vorläufigen Jahresabschlusses für das Jahr 2008 gestellt.

Dem 63-jährigen Angeklagten wird in insgesamt 21 Fällen, jeweils gemeinschaftlich handelnd mit den beiden Angeklagten, dem 71-jährigen Angeklagten in neun  Fällen sowie dem 37-jährigen Angeklagten in zwölf Fällen vorgeworfen, einen gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben.

Die Angeklagten hätten gemeinsam mit zwei gesondert Verfolgten unter Einbindung der Aktiengesellschaft sowie weiterer Gesellschaften bei verschiedenen Autohäusern Kraftfahrzeuge gekauft und über diverse Leasinggesellschaften finanzieren lassen, obwohl sie gewusst hätten, dass die Aktiengesellschaft die Leasingraten nicht habe aufbringen können. Sie hätten damit sich oder andere durch Provisionen und Zahlungsnachlässe bereichert und die Fahrzeuge für sich genutzt beziehungsweise vertragswidrig weitervermietet. Die anfallenden Leasingraten wurden nicht vollständig gezahlt.

Insgesamt hätten sie Provisionszahlungen und Preisnachlässe von über 60.000 Euro erzielt, die unterschiedlichen Beteiligten zugeflossen seien.
Dem 71-jährigen Angeklagten wird weiter eine Unterschlagung vorgeworfen, indem er ein ihm, aufgrund eines Leasingvertrages, anvertrautes Fahrzeug vertragswidrig an eine Gesellschaft veräußert habe.

Dem 63-jährigen Angeklagten wird weiter vorgeworfen mit einem gesondert Verfolgten bei einem Autohaus vorgegeben zu haben, für die Aktiengesellschaft zwei VW Multivan leasen zu wollen. Dafür hätten sie verschiedene Provisionszahlungen erhalten, obwohl sie die Fahrzeuge tatsächlich selbst genutzt hätten. Unter diesen Umständen hätte das Autohaus keine Provisionszahlungen vorgenommen, heißt es dazu. Ihm wird laut Anklage weiter als Vorstand vorgeworfen, in drei Fällen Barzahlungen von insgesamt gut 23.000 Euro aus Mietverträgen vereinnahmt zu haben, die der Aktiengesellschaft zugestanden hätten.

Die Ermittlungen wegen gewerbsmäßigem Betrug begannen  im Februar 2014, nach drei Jahren erfolgte im Februar  2017 die Anklage, Prozessbeginn war Anfang August des vergangenen Jahres.

Gegen die beiden Mitangeklagten, der 71-Jährige und der 37-Jährige, wurde am 26. Februar diesen Jahres nach 25 Verhandlungstages das Urteil gesprochen. Während der 71-Jährige Ingenieur zu  zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurden, erhielt der 37-Jährige eine einjährige  Bewährungsstrafe. Wie beim Lutteraner wurden, wegen der langen Ermittlungsdauer, auch zwei Monate angerechnet. Der Prozess gegen den ehemaligen Lutteraner ging weiter.

„Die Anklageschrift ist gespickt mit Spekulationen und Vermutungen“, sagte der ehemalige Lutteraner vor Kurzem im Prozess und stellte in diesem Zusammenhang insgesamt 28 Anträge, hier sollte erneut die Beweisaufnahme gestartet und weitere Zeugen wie ehemalige Geschäftspartner der Gesellschaft verhört werden. Von diesen hatte sich der Angeklagte offenbar Unterstützung dahingehend erhofft, dass sie bestätigen sollen, dass er nie als offizieller Geschäftsführer aufgetreten sei. Aufgrund dessen hatte er in seinen Anträgen auch Bank- und Versicherungsmitarbeiter als Zeugen benannt.
Das Gericht hatte nun am letzten Prozesstag, an dem,  so der Richter, die Plädoyers vorgesehen waren, zuvor all seine 28 Anträge wegen „Bedeutungslosigkeit“ abgelehnt und nun das bereits erwähnte Urteil verkündet.

Der 64-Jährige will es offenbar nicht akzeptieren und in Revision gehen.syg