Schnelles Umschalten auf neue Modelle

Lieferdienste-Möglichkeit kann viele derzeit lahmgelegte Händler retten / Konkrete Projekte in Bad Gandersheim gestartet

Arne Dörries: Der Landmarkt darf weitermachen (mit lokal produzierten) Nudeln zum Beispiel: Blumen gibt es auch, aber jetzt nur über die neue Online-Plattform und mit Lieferdienst.

Bad Gandersheim. Niemand hätte sich noch Anfang März träumen lassen, wo wir am 25. des Monats sein würden: In beispielloser Weise hat der Staat das Leben in diesem Lande gestoppt. Mindestens das soziale, denn weite Bereiche unseres Lebens müssen ja weiter funktionieren, um zum Beispiel die Grundversorgung mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen wie allgemeinen Gebrauchs aufrecht zu erhalten.

In diesen Bereichen hat es bislang deshalb auch die geringsten Einschnitte gegeben – von den zunehmend verschärften Sicherheitsvorschriften zur Gesunderhaltung auch und gerade des weiter in vielen Lebensbereichen tätigen Personals einmal abgesehen. Unvermeidlich aber war die Anordnung, dass Geschäfte schließen mussten, die nicht dem unmittelbar täglich notwendigem Bedarf dienen. Ob Mode oder Elektronik, Haushaltswaren oder Schuhe, Baustoffe oder Blumen, es traf viele Branchen und Händler, die damit vom einen auf den nächsten Tag ihrer täglichen Einnahmegrundlage beraubt wurden.

Auch in Bad Gandersheim. Ruhig ist es in der Innenstadt geworden, was zum einen ohne Zweifel der Kontaktsperre und den Ausgangsbeschränkungen zu verdanken ist, die nach Augenschein auch weitestgehend diszipliniert eingehalten werden. Ruhig aber auch, weil inzwischen nach der Allgemeinverfügung vom letzten Freitag die Zahl der geöffneten Geschäfte kleiner ist als die der noch geöffneten.

Wem der Laden per Dekret dichtgemacht wurde, hat nun zwei Möglichkeiten: Hinsetzen und abwarten, was bedeutet, dass so lange auch kein Verdienst hereinkommt. Oder: Nach Möglichkeiten zu suchen, wie man das eigene Geschäftsüberleben vielleicht doch sicherstellen könnte. Und dafür gibt es noch Möglichkeiten, denn es besteht ja kein Handelsverbot, sondern eines, das durch die Schließung des Ladens den Publikumskontakt unterbinden soll.

Die Lösung heißt dann heute vielfach: Lieferdienst. Aus dem Gastrobereich kannte man das ja ohnehin schon lange, und die Bistros, Gaststätten und Restaurants waren am vergangenen Wochenende schon lange Vorreiter, dass man ihre Speisen auch außer Haus zum Abholen und geliefert bekommen kann. In Bad Gandersheim haben sich darauf fast alle bekannten Anbieter eingestellt, ob Baba Döner, La Piazza oder Ecke, um nur einige zentrale Anbieter zu nennen, und weitere mehr.

Bestellt werden kann per Telefon. Von zentraler Bedeutung ist aber eher heute das Internet, denn online – so zuhause nicht schon vorhanden - kann auch die Speisekarte eingesehen werden und sind neueste Updates und Nachrichten präsent. Kaum ein Gastrobetrieb, der also nicht auch seinen Onlineauftritt zur Bestellplattform gemacht hat. Nicht selten spielt auch Facebook als schneller Nachrichtenmultiplikator eine wichtige Rolle.
Was für den Gastrobereich so schon schnell zur Normalität werden konnte, als der Gastbetrieb in den eigenen Räumen untersagt wurde, ist für viele andere Bad Gandersheimer Geschäfte hingegen Neuland. Auch Arne Dörries von Dörries Blumen und Landmarkt musste am vergangenen Freitag sofort und radikal umdenken: Polizeilich habe man ihm an dem Tage nach Erlass der erweiterten Allgemeinverfügung untersagt, weiter Schnittblumen und Gartenpflanzen zu verkaufen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich strikt daran zu halten, denn Verstöße können sehr teuer werden.

„Was an sich schon hart ist, war es für uns aber ganz besonders“, teilte Dörries über das Internet mit, „denn wir hatten gerade eine Lieferung Frühjahrsblumen mit 20.000 Pflanzen für das Freiland bekommen, die nun praktisch unverkäuflich waren. Das alles hätte nur noch kompostiert werden können. Da blutet das Gärtnerherz.“ Nun ist Dörries auch dafür bekannt, Herausforderungen anzunehmen und mit kreativen Ideen Lösungen zu schaffen.

In Nachtarbeit am Wochenende setzte er sich daran, einen Webshop zusammenzubasteln. Denn – wie gesagt – es ist ja nicht untersagt, mit Blumen zu handeln, sie dürfen nur nicht via Kundenverkehr im Laden verkauft werden (wovon übrigens Discounter tatsächlich auch in dieser Woche weiter ausgenommen waren). Über eine Online-Plattform und Lieferdienst gäbe es also vielleicht doch einen Weg, die schönen Frühlingsblumen nicht verkommen, sondern zu den Hobbygärtnern gelangen zu lassen, die jetzt gerne bepflanzen würden, aber keinen offenen Gartenmarkt mehr finden.

Gedacht, getan: Am Sonntag stand die Webpräsenz als Onlineshop und bietet seither Blumen, aber auch noch andere Produkte an. Denn Dörries’ frühere Entscheidung, auch Lebensmittel über den Landmarkt in seinen Betrieb zu integrieren, zahlt sich nun in der Form aus, dass dies seit Freitag zum zentralen Inhalt des weiter geöffneten Ladengeschäftes geworden ist.

Lebensmittel dürfen ja weiter im Geschäft – natürlich unter Einhaltung der Gesundheitsvorschriften wie Abstandsregeln – verkauft werden. Wobei von besonderer Bedeutung ist, dass der Landmarkt zahlreiche regionale Produkte vermarktet, damit also wieder regionale Erzeuger unterstützt werden, die ebenfalls alle derzeit um ihre Existenzen fürchten müssen, sollten die Umsätze wegbrechen.

Die ersten Bestellungen sind bereits über die Webplattform eingegangen, so Dörries. Zu den Kunden kommt die Ware per Lieferung. Die könne das Geschäft leisten, weil es ja genügend Angestellte gebe, die ohne den Kundenverkehr im Geschäft nun die Zeit hätten, die Auslieferungen vorzunehmen.

Am Sonntag schon hatte Dörries dem GK außerdem vermelden können, dass seine Initialzündung offensichtlich schnell beginnt, weitere Kreise mit einzubeziehen. Heißt in diesem Fall, dass es bei anderen Geschäftsinhabern aus der Stadt klares Interesse gab, in das Modell mit einzusteigen und es auf einen virtuelles „Einkaufszentrum Bad Gandersheim“ zu erweitern. Konkret steht Dörries in Kontakt mit Benno Löning vom Klosterhof Brunshausen, dem Uhren- und Schmuckgeschäft Wundenberg, dem Künstlerbedarf Bleimund, dem Buchhandel Wiese-Günther sowie dem Fruchthaus Krause, die auch schon auf der Seite verlinkt sind.

Zur Zeit werde daran gearbeitet, sie alle umfassend mit in das Konzept einzubinden. Produkte der eingebundenen Anbieter könnten dann über die Plattform bestellt und über den Lieferdienst von Dörries zu den Kunden gebracht werden. Im Grunde entwickelt sich damit hier gerade etwas, was seit Jahren als Idee schon durch die Stadt geisterte, bislang aber nie Umsetzung fand: Die Webpräsenz lokaler Anbieter zur Stärkung des lokalen Handels.

Generell ist in diesen Tagen im Internet immer wieder zu beobachten, dass Menschen dazu aufrufen, die Händler in ihren Orten nicht zu vergessen. Solidarität, heißt es da vielfach, drücke sich jetzt darin aus, durch Umsatz Existenzen zu stützen, auf die wir auch nach der Krise weiter zurückgreifen wollen. Viele Menschen haben das verstanden und bekommen nun durch die Bestell-Plattformen und Lieferdienste auch zusätzliche Instrumente und Möglichkeiten an die Hand, so zu handeln.rah