„Stillen willkommen“: Für mehr Akzeptanz im öffentlichen Raum

Mütter können ihre Erfahrungen teilen / Ingrid Lohmann informiert über Stillförderung

Das Netzwerk „Gesund ins Leben” ruft auf, sich für das Stillen in der Öffentlichkeit einzusetzen.

Bad Gandersheim. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ruft das Netzwerk Gesund ins Leben (GiL) mit dem Hashtag #stillenwillkommen dazu auf, sich für selbstverständliches Stillen in der Öffentlichkeit stark zu machen. Denn noch nicht immer und überall wird öffentliches Stillen als etwas Alltägliches akzeptiert. Die Aktion begleitet den Start der Deutschen Weltstillwoche 2020 auf dem Weg hin zu einem stillfreundlicheren Deutschland.

Wenn ein Baby Hunger hat, hat es Hunger – egal ob zu Hause, im Café, im Einkaufszentrum, im Bus oder beim Spaziergang. Doch viele junge Mütter fühlen sich beim Füttern ihrer Säuglinge in der Öffentlichkeit unwohl. Das zeigt eine Studie des Bundesinstitutes für Risikobewertung aus dem Jahr 2017. Über die Hälfte der Befragten lehnten das Stillen in Restaurants oder Cafés ab.

Um Mütter dabei zu unterstützen, die Grundbedürfnisse ihrer Kleinen zu erfüllen und ihnen damit einen optimalen Start ins Leben zu ermöglichen, sollte sich die Akzeptanz der Öffentlichkeit weiter erhöhen. Denn wenn das Füttern von unterwegs vermieden wird, bedeutet das eine unnötige Belastung – für Mutter und Kind.

Um das zu fördern, starten zur Deutschen Weltstillwoche am Montag, 28. September 2020 mehrere Aktionen zum Thema „Stillen Willkommen“. Auf Instagram können sich unter dem Hashtag #stillenwillkommen alle für selbstverständliches Füttern von Babys in der Öffentlichkeit stark machen. Eine Einstellung, die es Frauen ermöglicht, ihr Leben mit Säugling selbstbestimmt zu gestalten. Gefragt sind Bilder und Geschichten: Wo haben junge Mütter gute Erfahrungen gemacht? Wo stimmte die stillfreundliche Atmosphäre? Welche Ideen haben sie überzeugt? Wo fühlen sie sich besonders willkommen?

Die Weltstillwoche ist eine von der World Alliance for Breastfeeding Action (WABA) organisierte Aktionswoche. Sie wird seit 1991 jährlich in 120 Ländern abgehalten. In Deutschland findet sie immer in der 40. Kalenderwoche eines Jahres statt. Im Mittelpunkt steht das Stillen als normale, perfekt an die Bedürfnisse des Kindes angepasste Ernährungsform für Säuglinge. Unter jährlich wechselnden Themenschwerpunkten gibt es viele Aktionen, die bessere gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Familien und ihre Kinder schaffen wollen. Das diesjährige Motto der Weltstillwoche lautet „Natur lässt sich nicht kopieren“.

Informationen über Stillförderung in Bad Gandersheim

Das erfolgreiche Stillen von Babys in der Säuglingszeit ist auch in Bad Gandersheim und im gesamten Landkreis Northeim nicht so selbstverständlich wie angenommen. Verglichen mit den bundesweiten Statistiken zum Stillen bleiben die Zahlen hier sogar leicht zurück. Während im Durchschnitt 90 Prozent der Mütter nach der Geburt stillen wollen und zumindest den Versuch starten, geben im landkreisweiten Stillmonitoring 20 Prozent der Mütter an, nicht gestillt zu haben.

Das Stillmonitoring erfasst alle Mütter bei der Einschulungsuntersuchung ihrer Kinder und bildet dadurch die Stillquoten der Jahrgänge so genau ab wie möglich. Lediglich verstorbene Kinder fehlen in der Statistik. Im Laufe der ersten sechs Monate geben dann zunehmend Mütter die Stillbeziehung zu ihren Babys auf. Die Gründe hierfür sind wie überall vielfältig. Stillförderung hat nicht die Bewertung der Mütter im Auge sondern versucht Strukturen zu schaffen, die all denen, die sich für das Stillen ihrer Babys entschieden haben, möglichst umfassende Unterstützung anbieten. Die Unterstützung stillender Frauen setzt sich aus dem Gesundheitssystem, ihren Familien und der Öffentlichkeit zusammen.

Das Gesundheitssystem in Bad Gandersheim und im Landkreis bietet dazu vor allem die Arbeit der freiberuflichen Hebammen an. Sie werden durch die Kinder-und Frauenärzte unterstützt wenn dies notwendig wird. Eine sehr interessante Beobachtung des Stillmonitoring ist der deutliche Nachweis, dass die Betreuung durch eine freiberufliche Hebamme im häuslichen Milieu den Stillerfolg wahrscheinlicher macht. Mütter, die von einer Hebamme betreut wurden stillten häufiger und länger.

Die Krankenkassen bezahlen die Stillbetreuung durch die Hebammen bis zum Abstillen, unabhängig wie lange ein Baby gestillt wird. Die Krankenkassen bezahlen bei Stillproblemen auch eine zweite Hebamme, wenn die Frau zusätzliche Unterstützung benötigt. Auch Frauen, die nach der Geburt keine Hebamme zur Betreuung zu Hause hatten, können später noch Hilfe bei Stillproblemen durch eine freiberufliche Hebamme suchen.
Um diese Suche zu erleichtern gibt es die Webseite gutaufwachsen.de auf der sich Adressen für die Region finden lassen. Leider findet zur Zeit die Stillambulanz in der Helios-Klinik Northeim nach Aussage der Mitarbeiterinnen coronabedingt nicht statt. Es gibt aber Hebammensprechstunden oder die Möglichkeit einen Hausbesuch zu vereinbaren.

Auch die „Café Kinderwagen“ des Landkreises bieten Unterstützung bei Fragen zum Stillen an. Ein neuer Standort für Bad Gandersheim wird fieberhaft gesucht. Bis dahin berät die hiesige Leitung der Gruppe Mütter individuell. Ingrid Lohmann ist eine versierte Stillberaterin und hilft geduldig Probleme zu überwinden und Lösungen zu finden.

Interessierte erreichen sie in ihrer Telefonsprechstunde montags von 9 bis 13 Uhr unter (05183) 5632. Die Netzwerkkoordinatorin für die Frühen Hilfen beim Landkreis Michaela Unger wird über die Presse und online den neuen Standort für das Cafe Kinderwagen Bad Gandersheim bekannt machen. Bis dahin liegt es an den Müttern und ihrem eigenen Umfeld bei Stillproblemen hartnäckig nach Hilfe zu suchen und nicht aufzugeben, wenn ihr Baby in die Vorzüge von Muttermilchernährung kommen soll.

Die Gesellschaft soll das Stillen von Babys unterstützen, sodass das Stillen in der Öffentlichkeit wohlwollend aufgenommen wird. In Bad Gandersheim bemühen sich im bisher Verborgenen reichlich Menschen, die notwendigen Schritte dazu zu gehen.red