Unsichere Aussichten – Corona und Weihnachten: Kein Platz in der Herberge?

Kirchen setzen sich jetzt bereits mit den Möglichkeiten für Weihnachtsgottesdienste und Christmetten auseinander

So sah es im letzten Jahr aus, als die Kirche sich auf Weihnachten vorbereitete. Was uns dieses Jahr erwartet, wird derzeit beraten.

Bad Gandersheim. Weihnachten scheint dieses Jahr auszufallen. Zumindest werden wir auf viele liebgewonnene Traditionen voraussichtlich verzichten müssen: Keine Weihnachtsmärkte, kein Adventssingen – und kein Krippenspiel in der Kirche? „Alle bauen irgendwie darauf, dass bis Weihnachten alles wieder ganz normal ist und die Corona-Problematik sich in Wohlgefallen aufgelöst hat. Das ist eine ganz menschliche Haltung: Wenn wir ein Problem nicht gelöst bekommen, blenden wir es aus und verschließen die Augen davor“, erklärt Pfarrer Thomas Ehgart von der Stiftskirchengemeinde Bad Gandersheim. „Doch es ist unrealistisch anzunehmen, dass wir an Weihnachten wieder Gottesdienste mit 200 oder 500 Menschen in der Kirche feiern können.“

Derzeit beraten die Pfarrerinnen und Pfarrer in der Propstei Gandersheim-Seesen, wie Weihnachten dennoch stimmungsvoll und schön gestaltet werden kann. „Wir haben uns im Pfarrkonvent zusammengesetzt und erste Ideen und Ansätze entwickelt“, berichtet Pfarrer Ehgart. Letzten Endes entscheiden jedoch die Kirchenvorstände vor Ort, wie Gottesdienste gestaltet werden können; dabei sind sie natürlich wie alle anderen an die Corona-Auflagen des Landes Niedersachsen gebunden. „Wir müssen abwägen zwischen den Bedürfnissen der Menschen, den rechtlichen Rahmenbedingungen und dem, was sinnvoll und verantwortbar ist“, betont Ehgart.

Nach den derzeit geltenden Abstandsregeln dürfen viele Kirchen gerade mal 20 bis 50 Besucher pro Gottesdienst einlassen. Schwer vorstellbar an Heiligabend, wo beispielsweise in der Stiftskirche jeder der 500 Plätze belegt ist und die Menschen auf den Gängen stehen. „Ansätze wie das Ausgeben von Tickets für den Gottesdienst kommen für uns nicht in Frage. Wenn 300 Menschen in die Kirche wollen und 50 haben eine Karte, dass ist das Bethlehem pur: Kein Platz in der Herberge! Das wollen wir auf keinen Fall“, erklärt Pfarrer Ehgart. Damit bleibt eigentlich nur der Gottesdienst unter freiem Himmel. Aktuell werde geprüft, wo auf den Dörfern rund um Bad Gandersheim beispielsweise Reithallen, Schützenhäuser oder Fußballplätze für Weihnachtsgottesdienste in Frage kämen. In den großen Kirchen in Seesen und Gandersheim könnten die Vorplätze genutzt werden.

Eine weitere Idee sind kleine Andachtsformate mit bis zu 20 Menschen, bei denen die Weihnachtsgeschichte erzählt und Weihnachtslieder gesunden werden. „Das ist ja eine ur-evangelische Idee: Man braucht keinen Pastor, um einen Gottesdienst zu feiern. Das heißt, auch Laien könnten diese Weihnachtsandacht halten. Dazu würde es einen Workshop zur Vorbereitung geben und die Pfarrerinnen und Pfarrer hätten beratende Funktion“, erklärt Ehgart den Ansatz.
Ergänzend könnte es ein professionell produziertes Video geben, dass Heiligabend ausgestrahlt wird. Damit könnte man auch diejenigen Menschen erreichen, die aus Angst vor einer möglichen Corona-Infektion gar nicht erst in die Kirche gehen. „Natürlich kann man sich auch im Fernsehen einen Weihnachtsgottesdienst angucken und der ist sicher noch viel professioneller gemacht. Das Charmante an unserem Video wäre, dass darin Orte und Menschen aus dem Propstei-Gebiet zu Wort kommen; quasi ein regionales Gemeinschaftsprojekt“, so Pfarrer Ehgart.

Der häufig gehörte Vorschlag, einfach viele kurze Gottesdienste hintereinander abzuhalten, sei dagegen nicht realistisch. „Wir müssten zum Beispiel in der Stiftskirche mindestens zehn Gottesdienste hintereinander machen, dazwischen müsste alles gelüftet und desinfiziert werden. Und damit wären die Dörfer noch gar nicht abgedeckt, die ja auch gerne in ihren Kirchen Weihnachten feiern wollen. So viel Personal steht uns nicht zur Verfügung“, erklärt Ehgart die Situation. Außerdem käme dann schnell das Problem auf, dass alle in die Abend-Gottesdienste drängen würden, aber niemand vormittags feiern wolle.
Bei allen Ideen handelt es sich erstmal um Vorschläge. „Entschieden ist noch nichts“, so Pfarrer Ehgart. Er fordert alle Gemeindemitglieder auf: „Treten Sie aktiv und mutig in die Diskussionsprozesse in Ihrer Gemeinde ein und machen Sie selbst Vorschläge, wie wir gemeinsam Weihnachten feiern können!“red