Vor dem Äußersten: Wege aus der Krise

Zum Thema Krisenbewältigung hatte die Paracelsus-Roswitha-Klinik zu einem Vortrag eingeladen

Gabriele Francke, Geschäftsführerin des Vereins für Suizidprävention, bei ihrem Vortrag in der Paracelsus-Roswitha-Klinik.

Bad Gandersheim. Plötzliche Ereignisse oder lange, lebensverändernde Prozesse – das alles kann einen Menschen in eine Krise bringen. Oft ist es schwierig, darüber zu sprechen oder sich fachliche Hilfe zu holen. Wie erkenne ich, dass ein nahestehender Mensch in der Krise steckt? Und wie kann ich reagieren? Zu diesem Thema referierte am Donnerstagabend die Geschäftsführerin des Vereins für Suizidprävention Hildesheim, Gabriele Francke, in der Aula der Paracelsus-Roswitha-Klinik vor einem sehr interessierten Publikum.

Eine Krise hänge immer von den persönlichen Verhältnissen ab und werde von jedem Menschen anders empfunden. Wer zum Beispiel begeisterter Sportler sei und aufgrund einer Erkrankung den Sport aufgeben müsse, den könne man nicht damit aufheitern, indem man ihm sage, er könne doch von nun an viele Bücher lesen. Es ginge um das Gefühl, sich wohl und geborgen zu fühlen, so Francke, wobei eine Krise auch immer zwei Wege aufzeige, nämlich zum einen die Gefahr und zum anderem die Gelegenheit, gestärkt daraus hervor zu gehen.

„Wichtig ist, dass es aus Ihnen heraus kommt“, so Francke „aus eigener Kraft können Sie gestärkt aus einer Krise hervorgehen“. Nichts sei menschlicher als eine Krise, ergänzte der Chefarzt der Gandersheimer Paracelsus Roswitha-Klinik, Dr. Martin Lison, denn eine Krise bedeute wörtlich Entscheidung oder Veränderung und gehöre zum Menschsein dazu.

Zu erkennen, ob eine Mensch in einer Krise stecke, sei hingegen sehr schwer, sagte Francke, man müsse es sich wie bei einem Eisberg vorstellen, dessen größter Teil unterhalb der Wasseroberfläche liege. „Die Gefahr ist, wenn eine Krise chronisch geworden ist“. Francke zeigte auch Bewältigungsstrategien auf, die helfen können, wie etwa das Vorhandensein eines stabilen sozialen Umfeldes verbunden mit einem fördernden, verstehenden Lebensraum.

Auch Gespräche mit ernstgemeinter Anteilnahme und Empathie verdeutlichen dem Gegenüber, dass seine Sorgen ernstgenommen werden, ohne jedoch „gut gemeinte“ Ratschläge zu geben. Das Gespräch sollte auch ohne Wertung und ohne schnelle Problemlösung erfolgen. Mögliche Unterstützung kann man im sozialen Umfeld aktivieren oder aber auch durch fachliche Stellen eingeholt werden.

Die Begrüßung hatte zuvor Dr. Lison übernommen, der auch auf die unterschiedlichen Begrifflichkeiten des Suizids, wie Selbstmord oder Freitod, einging. „Psychiater mögen diese Ausdrücke nicht, denn die meisten Menschen, die sich umbringen, tun dies nicht aus freien Stücken sondern aus psychischen Erkrankungen heraus. Ein Suizid lässt sich auch von Angehörigen nicht verhindern“, so Dr. Lison. Hier an der Klinik betreue man auch Menschen, die Angehörige durch einen Suizid verloren haben. Vorherrschende Gefühle seien oftmals Scham und Schuld und die Frage, ob man es hätte verhindern können. Das sei jedoch fast nie so, dass diese Möglichkeit realistisch gewesen wäre. In Deutschland würden pro Jahr rund 10.000 Suizide verübt, wobei die Dunkelziffer diese Zahl noch erhöhe, so Dr. Lison.

Der Verein für Suizidprävention Hildesheim wurde 1977 gegründet. Er ist in freier Trägerschaft und finanziert sich durch Zuschüsse sowie durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Angeschlossen ist er dem Sozialpsychiatrischen Dienst Hildesheim sowie Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) und im Bündnis gegen Depression Hildesheim.
Suizidgefährdeten und Menschen in Krisen sowie Personen in deren Lebensumfeld bietet der Verein Beratung und Hilfe an, die der besseren Lebensbewältigung dienen sollen. In entsprechenden Fällen verweist der Verein an juristische, medizinische, psychotherapeutische oder andere Facheinrichtungen.

Neben fachlich begleiteten Trauergruppen gibt es das Krisentelefon, das zwischen 18 und 22 Uhr unter der Telefonnummer 05121/58828 erreichbar ist.

Weitere Informationen unter www.suizidpraevention-hildesheim.de, Telefonnummer 05121/516286.hn