„Die Bagger werden nicht morgen rollen“

Bürgermeister Erik Homann bei Hochwasser-Infoveranstaltung: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen“

Groß war das Interesse an der Hochwasser-Informationsveranstaltung am Dienstagabend in Rhüden. Wirklich neue Infos gab es jedoch nur wenige.

Rhüden. „Wir konnten hier keine Info geben, dass morgen die Bagger kommen und die Bauarbeiten anfangen“, zog Bürgermeister Erik Homann ein Resumee unter die Hochwasserinformationsveranstaltung am Dienstagabend im Rhüdener Hotel „Zum Rathaus“. Trotzdem sei sie wichtig zur Information. Dem stimmten die meisten der zahlreichen Zuhörer zu, allerdings mit dem Zusatz: „Die Veranstaltung kommt zu spät, sie hätte schon vor einigen Jahren stattfinden müssen.“ Wichtig sei auch, dass sie in einem solchen Rahmen regelmäßig wiederholt werde, möglichst bereits im nächsten halben Jahr und dann auch „mit denen aus Hannover. Die dürfen sich das hier ruhig mal anhören und nicht im stillen Kämmerlein mit den Verantwortlichen diskutieren“, hieß es in einer Wortmeldung. Damit sind die Landespolitiker und -regierungsmitglieder gemeint, die diesmal nicht mit dabei waren.

Trotzdem war das Programm vollgepackt mit Informationen. Wirkliche Neuigkeiten gab es jedoch wenige. Letztlich ist es insbesondere ein Punkt, der für Unverständnis sorgt: das Planfeststellungsverfahren für das neue Regenrückhaltebecken an der Schildau vor Bornhausen soll erst fortgeführt werden, wenn die Aufweitung der Nette in Rhüden fertiggestellt ist. So ist zumindest der aktuelle Standpunkt des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Das wiederum würde bedeuten, dass vor 2020 nichts weiter passieren würde. „Wir setzen uns in allen Gremien dafür ein, dass das geändert wird. Die beiden Planfeststellungsverfahren für die Aufweitung der Nette und des Regenrückhaltebeckens müssen parallel laufen“, bekundeten Homann und auch Landrat Thomas Brych mehrfach. Denn das würde eine deutliche Zeitersparnis bringen.

Hochwasserschutz steht im neuen Koalitionsvertrag

Als großen Erfolg sieht es Seesens Stadtoberhaupt an, dass im neuen Koalitionsvertrag der niedersächsischen Regierung der Hochwasserschutz im und am Harz auf mehreren Seiten festgehalten ist und gefördert werden soll. Dazu beigetragen hätte auch die Demonstration am 13. September vor dem Seesener Rathaus. „Die hat Wellen bis nach Hannover geschlagen“, so Homann.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Magnus Hirschfeld von der Bürgerinitiative „Hochwasserschutz jetzt!“ einen kurzen Rückblick auf das Juli-Hochwasser gegeben. 400 Haushalte seien im Stadtgebiet zerstört worden. Die Schäden wurden zunächst auf 15 Millionen Euro privat und 16 Millionen kommunal geschätzt, lägen jedoch deutlich höher. In diesem Zusammenhang wies Rhüdens Ortsbürgermeister Frank Hencken daraufhin, dass es wichtig sei, dass alle Schäden gemeldet würden. Aktuell seien dies auf offiziellem Wege nur 90 Meldungen mit 3,5 Millionen Euro Schaden. Anhand der Schadensmeldungen an das Spendenbündnis „Rhüdener helfen Rhüdenern“ wisse er aber, dass es mehr sein müsste.

Denn ein Grund, warum es beim Rückhaltebecken nur langsam vorangeht, ist, dass die Investitionskosten von rund acht Millionen Euro für das Becken und zwei Millionen für die Maßnahmen zur Aufweitung in Rhüden, im Vergleich zu den Schäden zu hoch angesehen würden, berichtete der Diplom-Ingenieur Uwe Metzing, der für die Planungen zuständig ist. Das sei, so Metzing, aber nicht der Fall. Geprüft wurden im Verlauf des Verfahrens auch andere Maßnahmen, wie Hochwasserrückhaltebecken hinter Bornhausen und direkt vor Rhüden. „Beide würden aber für ein sogenanntes Jahrhundert Hochwasser ‘HQ 100’ nicht ausreichen.“

Andrea Bock von der unteren Wasserbehörde des Landkreises Goslar erklärte, welches Gremium für welche Maßnahmen zuständig ist und wie lange ein Antragsverfahren dauert. Das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren komme so auf zehn Monate – vorausgesetzt, es laufe alles nach Plan. Dies sei jedoch notwendig, denn „nur eine korrekte Abarbeitung schafft Rechtssicherheit. Wenn wir Fristen oder Verfahren nicht einhalten, würde eine Klage sofort aufschiebende Wirkung haben, das Verfahren könnte nicht fortgeführt werden und das will niemand.“

Die Aufweitung der Nette in Rhüden ist deshalb notwendig, weil der Durchfluss dort nach einer Auflage des NLWKN von aktuell 17 bis 19 auf 23 Kubikmeter pro Sekunde steigen muss. „Das bringt im Hochwasserfall allerdings kaum merkliche Vorteile, Rhüden würde trotzdem noch absaufen“, teilte Erik Homann mit. Das Rückhaltebecken sei deshalb auf jeden Fall notwendig. Gleichzeitig betonte er, dass auch die anderen Nette-Anrainer, die Kommunen Bockenem und Holle, bestimmte Interessen hätten, die berücksichtigt werden müssten, zumal diese für die Maßnahmen ebenfalls bezahlen würden.

Mehrfach kam auch Kritik auf, dass die Instandhaltung der Flussläufe, zum Beispiel das Rasenmähen am Ufer, nicht regelmäßig durchgeführt würde. Die so Angesprochenen erwiderten, dass unter anderem die Naturschutzgebiete entlang der Nette beachtet werden müssten und zudem könne aus Zeitgründen nicht alle vier Wochen gemäht werden könne. Sollte es zu massiven Problemen kommen, könnten diese bei der mindestens jährlich durchgeführten Gewässerschau oder bei den örtlichen Gewässerbeauftragten angesprochen werden. „Ich habe doch kein Interesse daran, dass es schlecht läuft, was hätte ich davon denn?“, fragte Homann in die Runde. Auch den Vorwurf, dass der Naturschutz wichtiger sei als ein Menschenleben, bestritten die Verantwortlichen vehement, konnten damit aber nicht alle Zuhörer im Raum überzeugen. Angesprochen wurden auch die Nette-Nebengewässer wie die Rotte oder Schaller. Auch da seien Maßnahmen notwendig, so einige Anwohner dieser Gewässer.

„Wir müssen künftig alle an einem Strang ziehen“

Alle Sprecher betonten, dass nur gemeinsam ein wirksamer Hochwasserschutz möglich sei. „Hochwasser kennt keine Grenzen“, betonte die letzte Referentin Beatrice Kausch vom Wasserverband Peine, der bereits für den Hochwasserschutz im nördlichen Harzvorland und künftig auch für diesen im Westharz zuständig ist. Klar sei aber auch, so Reinhard Vogt vom Hochwasser Kompetenz Zentrum e.V., einen 100-prozentigen Schutz gebe es nicht. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Das war bisher nicht der Fall“, sagte Homann bereits zu Beginn und nochmal am Ende der knapp dreistündigen Veranstaltung. Ob das künftig der Fall sein wird, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen müssen.dh