Patentierte Spezial-Löscheinheit für E-Fahrzeuge kommt aus Rhüden

Das adaptive „Magnus-Tool“: Entwicklung von Magnus Hirschfeld soll jetzt in die Erprobungsphase gehen

Magnus Hirschfeld und sein „Magnus-Tool“. Nach rund zweijähriger Entwicklungsphase soll die patentierte adaptive Löscheinheit nun in die Erprobungsphase gehen.

Rhüden. Wenn altgediente Feuerwehrmänner, die schon lange aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, von „früher“ erzählen, von Ausbildung und Einsätzen in den 50er- und 60er-Jahren beispielsweise, dann ist bei der jungen Generation oft Kopfschütteln angesagt. Kaum zu glauben, was mit den damals zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln alles möglich war. Mit der rasanten technischen Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten sind auf der einen Seite die Herausforderungen immer größer geworden; auf der anderen Seite stehen dadurch auch immer bessere Einsatzgerätschaften zur Verfügung. Eines hat sich bei alledem nicht geändert: Ohne viel Idealismus und einen gewissen Pioniergeist geht es nicht vorwärts. Beides vereint der Rhüdener Magnus Hirschfeld. Seit Jahrzehnten im aktiven Feuerwehrdienst, hat er sich nun eine Eigenentwicklung patentieren lassen, die künftig bei der Brandbekämpfung rund um Elektrofahrzeuge eine wichtige Rolle spielen könnte. Und nicht nur dort.

Die Entwicklung der Elektromobilität hat in den vergangenen Jahren bekanntlich rasant Fahrt aufgenommen; die „goldenen Jahre“ stehen ihr wohl erst noch bevor. Die Fachleute sind sich aktuell zwar einig, das Fahrzeuge mit Elektroantrieb nicht häufiger in Brand geraten als solche mit Verbrennungsmotor. Die freigesetzte Wärme ist in beiden Fällen ebenfalls vergleichbar. Allerdings stellt ein solcher Hochleistungsakku eine ganz besondere Brandlast mit Tücken dar – und die Feuerwehrkräfte zuweilen vor Probleme.

Ist beispielsweise ein Lithium-Ionen-Akku erst einmal thermisch durchgegangen und eine Zersetzungsreaktion in Gang gekommen, dann ist dieser Prozess nur schwierig unter Kontrolle zu bringen. Unter anderem wird in diesem Zuge Sauerstoff freigesetzt, der die Reaktion immer weiter „am Leben“ hält. Wasser ist hier das erste Mittel der Wahl. Kühlen, kühlen und nochmals kühlen lautet die Devise. „Braucht man bei normalen Verbrennerfahrzeugen vielleicht 600 bis 800 Liter Wasser zum Löschen, so können das beim E-Auto schon mal 12.000 Liter sein“, macht Magnus Hirschfeld die Dimensionen klar. Doch hier stellt sich schon das nächste Problem: Die Feuerwehr muss an die Brandquelle überhaupt erst einmal herankommen, schließlich sind die Batterien fast ausnahmslos im Bodenbereich der Fahrzeuge eingebaut. „Natürlich werden mittlerweile schon Löschlanzen entwickelt, mit denen man bis zur Batterie vordringen kann; aber wer will mit einer Lanze ins Auto stoßen, wenn beispielsweise Personen eingeklemmt sind?“, fragt Hirschfeld.

Für den Heilpraktiker mit eigenem Therapiezentrum, der sich ehrenamtlich nicht nur in der Feuerwehr engagiert, sondern auch einer der Aktivposten der Bürgerinitiative „Hochwasserschutz Jetzt“ ist, wird das Thema vor allem für die Feuerwehren im Stadtgebiet Seesen von großer Bedeutung werden. Er erinnert: „Wir haben beispielsweise auf dem Autohof Rhüden eine Reihe von E-Schnellladestationen und gleich in unmittelbarer Nähe die Autobahn. Verkehrsunfälle mit Tesla-Autos hatten wir auch schon“. Und mit dem zu erwartenden Boom bei Elektroautos steigt auch die Zahl der Privathaushalte, die per Wallbox ihre Fahrzeuge zu Hause aufladen. Auch da lauern Gefahren.

Den Unterboden löschen beziehungsweise kühlen, also für eine thermische Abriegelung sorgen, gesundheitsschädliche Rauchgase binden und das alles möglichst personal-, platz-, kosten- und ressourcenschonend, sprich: höchst effizient. Ist das möglich? „Dieser Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Kopf und beschäftigt mich nun schon seit mehr als zwei Jahren“, sagt der Rhüdener.

Bei dem Gedanken allein blieb es aber nicht. Nachdem er schon viel Gehirnschmalz investiert hatte, ging es in die Werkstatt und an die praktische Umsetzung. Tüfteln war also angesagt. Dass er schon nach relativ kurzer Zeit, vor eineinhalb Jahren, das erste Patent auf seine Entwicklung anmelden konnte, das hat er auch seinem Freund Torsten Eggerling zu verdanken. „Ich bin froh, dass ich auf seinen technischen Sachverstand bei der Umsetzung der Idee zählen konnte“, sagt Hirschfeld.

Nun, das vorläufige Endprodukt mag auf den ersten Blick vielleicht an einen Rasensprenger erinnern, hat damit aber so gut wie nichts gemeinsam. Einen Namen hat es auch schon. Nach seinem Erfinder – und in Anlehnung an das in Feuerwehrkreisen bekannte „Halligan-Tool“ (Hebel- und Brechwerkzeug) – soll es „Magnus-Tool“ (tool ist das englische Wort für Werkzeug) heißen. Und so funktioniert es: Mithilfe der entsprechenden Kupplung wird Wasser durch einen C- oder D-Schlauch in einen 1,20 Meter langen, zylinderförmigen Körper aus temperatur- und druckbeständigem Metall geleitet und tritt dort aus kleinen Öffnungen direkt nach oben beziehungsweise im 45-Grad-Winkel nach rechts und links wieder aus. Für die nötige Standfestigkeit und Stabilität sorgen zwei angeschweißte massive Rundschienen. Die Löscheinheit (oder mehrere davon) wird im Ernstfall einfach unter das Fahrzeug geschoben. „Dann heißt es nur noch ‚Wasser marsch‘ und das Tool kann am Fahrzeug-Unterboden ganz allein und relativ wassersparend seine Arbeit tun, ohne zusätzliche Kräfte zu binden“, so der Entwickler.

Hirschfelds Erfindung hat aber noch viel größeres Potential. Vor allem kann er sich eine Verwendung als vorbeugenden Brandschutz beispielsweise in Parkhäusern mit Ladesäulen vorstellen – in Form eines Wandhydranten mit Speziallöscheinheit für E-Fahrzeuge. Auch die Kombination mit einer Löschdecke sei vorstellbar oder eine Verwendung bei Dekontaminationen. Das Tool ist von der Grundkonzeption her also mehrfach einsetz- und vielfältig anschließbar.
In Kürze will Magnus Hirschfeld nun den Feuerwehr-Führungskräften vor Ort das Werkzeug präsentieren und ausloten, wie praktikabel es ist. In der Folge sollen einzelne Exemplare dann den Aktiven in den Ortsfeuerwehren zur Verfügung gestellt werden, damit diese damit arbeiten, üben und testen können. So können weitere Erfahrungen gesammelt werden. Die Stadt Seesen, so sagt er, stehe auf jeden Fall voll und ganz hinter der Entwicklung.

Einiges an Geld hat die Entwicklung bereits verschlungen. Das lag weniger am Material als vielmehr an den Kosten für die Patentierung. Da wird man nämlich bei jeder Anpassung und Veränderung erneut zur Kasse gebeten. Trotzdem: Falls das „Magnus-Tool“ einmal in Serie gehen sollte, steht für Hirschfeld der Profit an allerletzter Stelle. „Ich möchte einfach nur, dass die Feuerwehren vernünftiges Handwerkszeug haben und dass im Falle einer Produktion im größeren Rahmen diese vor Ort in Seesen bleibt“, betont er abschließend.kno