Sogar der Ehrenschlaraffe schaut beim Jubiläumsritt vorbei

100. Huckebeynritt in Mechtshausen: Ein Mann schlüpfte in die Rolle von Wilhelm Busch / Sogar internationale Schlaraffen dabei

Rund 140 Schlaraffen aus 41 Reychen waren nach Mechtshausen gekommen.

Mechtshausen/Rhüden. Drei Kanonenschüsse ertönen in Mechtshausen, dann wissen die Einwohner: Die Schlaraffen sind wieder da. Dahinter steckt eine reine Männervereinigung, der weltweit gut 11.000 Mitglieder angehören. Alle haben sich drei Dingen verschrieben: Freundschaft, Kunst und Humor. Bekanntlich hat die Schlaraffia Hildesia Hans Huckebeyn alias Wilhelm Busch zum Ehrenschlaraffen ernannt. Und um ihn zu würdigen gibt es seit 1919 den Huckebeynritt. Zum 100-Jährigen kamen rund 140 Schlaraffen aus 41 Reychen (Städten) – zwei sogar aus dem südafrikanischen Kapstadt. Auch ein ganzer Bus mit zahlreichen Berliner Schlaraffen rollte an.

Von der Gaststätte Scharn ziehen sie gemeinsam zum Grab von Wilhelm Busch. Wie erwähnt gehört zur Tradition auch die Kanone. Gut 60 Jahre alt, muss sie jährlich zum TÜV, dafür muss sie zuvor im Rheinland eingeschossen werden. Gemeinsam ziehen sie los. Trommelschlagen. Durchs Dorf geht es, vorbei an der Kirche und an Max und Moritz. So weit draußen ist er begraben? Das fragt einer aus der Runde. Für einige ist es Premiere, andere sind seit Jahrzehnten dabei. Einer seit 19 Jahren, nur einmal hat es geregnet. Am Grab wird ein Kranz abgelegt und rezitiert, eingeleitet  mit „Schlaraffen, hört“ und zum Schluss der Ruf „Lulu“.

Zuvor beleuchtete  Ritter Schalk-Jahr vom Galgenberg der scheidende Ritter der Kunst, auch die Geschichte des Huckebeynritts. Und wagte einen Blick ins Heute. 

Den Nationalsozialismus hat die Hildesheimer Vereinigung überstanden, denn sie fungierten nach der Auflösung im Jahr 1937 unter dem Deckmantel des „Kegelklubs Wilhelm Busch“. Sie trafen sich am Grab, führten ihr „Schmierbuch"(Protokollbuch) fort. Versteckt wurden diese und jene seit der Gründung der Schlaraffia Hildesia, aus Angst vor der Gestapo,  auf einem Heuboden in Mechtshausen. Jahrzehntelang vergessen, doch irgendwann wieder entdeckt.

Wilhelm Busch wurde weiter gehuldigt. Ritter Schalk-Jahr hat eine klare Meinung dazu „Ich glaube, sie verehrten ihn als den, der ein illusionsloses Menschenbild gezeichnet hatte, mit Obrigheitshörigkeit, Bigotterie und Aufgeblasenheit abgerechnet hatte und das mit einem Humor, der immer mit dem Florett focht und nicht mit der Streitaxt“. Ironisch, mitunter sarkastisch, aber nie zynisch. Mutig war es, 1939 das erste Huckebeynturnier ins Leben zu rufen. Ihnen war die Huckebeynturnierkette wichtiger als das eiserne Kreuz.  Auch am Sonnabend  ging es bei der Zusammenkunft in Rhüden um diese besondere Kette.

Aktuell gehören der Hildesheimer Vereinigung 35 Schlaraffen an, 60 waren es einmal. Nachwuchsprobleme gibt es.  Ein Internet-Schlaraffe wurde mittlerweile ernannt, doch kritisch sehen sie die aktuelle Welt, die sich rasant verändert. „Man liest kaum noch, sondern hängt vor großen und kleinen  Bildschirmen, es geht um Spaß statt um Humor, um Individualismus und Selbstoptimierung, um Follower statt Freunde“, sagte Ritter Schalk-Jahr vom Galgenberg am Grab. Und fügte an: „Wir stehen hier, weil wir dem allen misstrauen, weil wir wissen, dass Aufgeblasenheit, Bigotterie und Dummheit nicht auszurotten sind“. Selbstironie ist  den Schlaraffen nicht fern. Im Gegenteil. Von Wilhelm Busch haben sie ganz viel gelernt. „Wir glauben, dass Humor, Ironie, die reale statt der virtuellen Freundschaft wichtig sind, andere und auch uns selbst ein wenig besser machen“, so der Ritter der Kunst.


Sehr zur Freude schlüpfte ein Mann in die Busch-Rolle. Ihm gefiel es, so viel Besuch am Grab zu empfangen. Ein Zitat. Zum Schluss schaute er in die Runde. „Wenn ich euch so ansehe, werde ich einige in kürze wiedersehen“, sagte er und verschwand. Gelächter.syg