„Am Ende ist es auch eine Gewissensfrage“

Kulturforum Seesen gibt Hintergründe, warum in diesem Jahr in Seesen nicht mehr gespielt werden kann

Der Kulturforum-Vorstand (von links) Rene Kretschmer (2. Vorsitzender), Thomas Reichardt (1. Vorsitzender) und Heike Hammer-Geries (Marketing) mit Mundschutz an der Max-und-Moritz-Büste in der Schulaula. Aktuell weiß man beim Kulturforum noch nicht, wohin die Reise geht. Für dieses Jahr wurden erst einmal alle Veranstaltungen gecancelt.

Seesen. Die Würfel für 2020 sind auch beim Kulturforum Seesen gefallen: Das Kulturforum wird im Jahr 2020 keine Veranstaltungen mehr anbieten (können). Der Verein hatte die Entscheidung zunächst auf der Homepage eingestellt und einen Newsletter mit gleichem Inhalt an alle Interessierten versendet (der „Beobachter” berichtete). Vorsitzender Thomas Reichardt ergänzte: „Uns ist es wichtig, den geschriebenen Text ausführlicher zu erklären und für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.” Das tat er am Dienstagvormittag gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Heike Hammer-Geries und Rene Kretschmer an der Stätte, an der sich sonst die hochkarätigen Künstler in Seesen die Klinke in die Hand geben, sprich in der Aula des Schulzentrums.

Nicht zuletzt die Frage der Verantwortung habe das Kulturforum diese Entscheidung treffen lassen, so Reichardt. In der Aula des Schulzentrums könne das Kulturforum maximal etwa 110 Plätze anbieten. Pausen und Catering wären nur unter besonderen Auflagen möglich gewesen. Jeder Besucher hätte dokumentiert und es hätte ein Konzept ausgearbeitet werden müssen, wie viele Menschen die Toiletten gleichzeitig betreten dürfen. Außerdem wäre ein Plan zur Überprüfung der Einhaltung von Vorgaben auszuarbeiten gewesen.

„Wirtschaftlich ist so etwas nicht vertretbar, da bei den hohen Kosten für Gagen, Technik, Hotel und so fort, die wir ja trotzdem zu 100 Prozent übernehmen müssten, die Erlöse den Verein nicht überlebensfähig halten würden“, erklärte er. Zum anderen komme unter solchen Umständen der emotionale Aspekt zu kurz, was solche Veranstaltungen ebenfalls sinnlos machen würde.

Für alle Veranstaltungen, die bereits im Vorverkauf waren, wurden jeweils mehr als 300 Karten verkauft – das Kulturforum darf aber nur mit 110 Gästen planen. Der überwiegende Teil interessierter Kleinkunstfreunde dürfte also aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl gar nicht an Veranstaltungen teilnehmen.
Bereits verschoben wegen der Pandemie waren die Seesener Lachnacht auf den 11. September 2020, Pawel Popolski auf den 15. Oktober 2020, Wilfried Schmickler auf den 23. Januar 2021 sowie Mathias Richling auf den 2. Mai 2021. Die beiden noch für dieses Jahr vorgesehenen Veranstaltungen werden erneut verschoben.

„Da sich die Terminplanung aktuell sehr schwierig gestaltet, können wir aber leider noch keine finalen Ersatztermine bekannt geben.

Gerade läuft die dritte Welle der Verschiebungen und die Agenturen können in diesen Tagen keinen sinnvollen Tourplan erstellen, da sie nicht wissen, wer als nächstes absagt“, berichtete Reichardt gestern. Solange hier kein klares Bild abzusehen sei, könne das Kulturforum keinen finalen Termin bekommen. Die Veranstaltungen 2021 wolle man in Abhängigkeit der Entwicklung ab September betrachten und dementsprechend entscheiden.

Es wurde beim Pressegespräch noch einmal darauf hingewiesen, dass für alle verschobenen Veranstaltungen die Karten ihre Gültigkeit behalten. Aber es gibt auch die Möglichkeit, die Karten dort zurückzugeben, wo man sie erworben hat. Die Rückabwicklung für alle Veranstaltungen ist bei dem Ticket-Partner Reservix freigeschaltet. Ganz bewusst hat sich das Kulturforum gegen eine Gutscheinlösung entschieden, da man die derzeit angebotenen Möglichkeiten sowohl für ausreichend als auch für einen fairen Weg für beide Seiten hält.

Das Kulturforum hatte voller Zuversicht im Mai das Programm für die neue Saison bekannt gegeben – versehen mit dem Hinweis, dass man die aktuellen Entwicklungen und Vorgaben abwarten und gegebenenfalls neu beurteilen müsse. Das haben die Verantwortlichen für 2020 mit dem bekannten Ergebnis auch getan. Für 2021 gelte auch hier wie bereits oben beschrieben: Entscheidungsfindung ab September 2020.

Da jede Veranstaltung vertraglich vereinbart ist, war im Frühjahr die Regelung recht „einfach“: Veranstaltungen waren verboten und die Aula gesperrt. Aktuell stellt sich die Situation allerdings anders dar: Veranstaltungen sind unter Einhaltung der Vorgaben möglich, und die Aula ist nicht gesperrt. Somit muss mit jeder Agentur – vor dem Hintergrund bestehender Verträge – ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis verhandelt werden. Das dauert seine Zeit. Es werde auch nicht einfacher, da den Künstlern und Agenturen seit März so gut wie jede Einnahmequelle fehle.
Man sei mit dem Entschluss auch der Empfehlung des Kulturausschusses der Stadt Seesen gefolgt, dass ebenfalls vorgeschlagen hatte, den Spielbetrieb 2020 ganz ruhen zu lassen.

Thomas Reichardt: „Kulturforum wird die Krise übertehen!”

Was den Verein betrifft, so gab Reichardt Entwarnung. „Wir werden die Krise überstehen, denn wir haben ja grundsätzlich wenige Fixkosten, weil wir alle ehrenamtlich arbeiten.“ Die veranstaltungsbezogenen Kosten müssen derzeit nicht gestemmt werden. Letztlich sei es immer auch eine Frage des Gewissens gewesen, und guten Gewissens habe man solche Veranstaltungen eben nicht durchführen können“, so Reichardt abschließend.

Einen Ausblick kann es allenfalls vage geben. „Da müssen wir alle in die Glaskugel schauen“. Letztlich besteht die Hoffnung, dass es im neuen Jahr vielleicht doch wieder weitergehen kann. Doch das alles steht derzeit noch in den Sternen.uk