„Angesichts der Knappheit des Impfstoffs ist es kritikwürdig!“

Landeskirche gibt Erklärung ab: Mit Blick auf das Alten- und Pflegeheim St. Vitus in Seesen sei nach Darstellung von Propst Thomas Gleicher aber eine besondere Situation zu berücksichtigen / Aufsichtsrat gibt von sich aus eine Untersuchung in Auftrag

Der Fall um die geimpften Aufsichtsratsmtiglieder im St. Vitus zieht weitere Kreise. Die Landeskirche Braunschweig hat zur anhaltenden Debatte um die Impfpraxis im Alten- und Pflegeheim St. Vitus in Seesen eine Erklärung abgegeben. Außerdem hat gestern der genannte Aufsichtsrat des Seniorenheims überraschend angekündigt, den Fall unabhängig prüfen zu lassen.

Seesen. Es kehrt keine Ruhe ein, im Gegenteil: Der Fall um die geimpften Aufsichtsratsmtiglieder in einem Seesener Seniorenheim zieht weitere Kreise. Die Landeskirche Braunschweig hat inzwischen zur anhaltenden Diskussion um die Impfpraxis im Alten- und Pflegeheim St. Vitus in Seesen eine Erklärung abgegeben. Der Sprecher der Landeskirche kritisiert grundsätzlich die Praxis, sich früher impfen zu lassen als vorgesehen, verweist aber gleichzeitig auf die Darstellung des Seesener Propstes, der beim St.-Vitus-Aufsichtsrat einen Sonderfall erkennt. Darüber hinaus hat gestern der genannte Aufsichtsrat des Seniorenheims angekündigt, den Fall nun unabhängig prüfen lassen zu wollen.

„Als Landeskirche Braunschweig sind wir froh und dankbar, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mittlerweile gegen COVID-19 geimpft werden können. Sie gehören zu der Personengruppe, die durch die Corona-Pandemie besonders gefährdet und nun besser vor einer Infektion geschützt ist. Angesichts der Knappheit des Impfstoffs ist es kritikwürdig, wenn sich Mitglieder von Aufsichtsgremien in den Genuss einer frühen Impfung bringen, obwohl sie nicht zur ersten Impfgruppe gehören“, erklärt Landeskirchen-Pressesprecher Michael Strauß.

Besondere Situation erklärt: AR sei im täglichen Kontakt und Austausch mit den Bewohnern

Mit Blick auf das Alten- und Pflegeheim St. Vitus in Seesen sei nach Darstellung von Propst Thomas Gleicher eine besondere Situation zu berücksichtigen, heißt es weiter. Demnach sei der Aufsichtsrat nicht nur ein klassisches Leitungsgremium, sondern auch eine Gruppe von ehrenamtlich Mitarbeitenden, die im täglichen Kontakt und Austausch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern stehen. Deshalb, so der Propst, sei es vertretbar gewesen, auch diese Gruppe in den Kreis der zu Impfenden einzubeziehen.

Unabhängige Untersuchung des Impfgeschehens in Auftrag geben

„Als Landeskirche bedauern wir gleichwohl, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, Verantwortliche einer diakonischen Einrichtung und auch unserer Kirche, hätten sich durch ihre Position ungerechtfertigt in den Genuss einer frühen Impfung gebracht. Als Kirche ist uns in besonderer Weise das Wohl schwacher und hilfsbedürftiger Menschen aufgetragen. Dieses Ziel darf durch das persönliche Verhalten ihrer Vertreter nicht in Zweifel gezogen werden“.
Am Mittwoch hatte sich Propst Thomas Gleicher entschuldigt. Es tue ihm außerordentlich leid, dass durch die St.-Vitus-Impfaktion am 9. Januar derart viel Unmut und Verständnislosigkeit hervorgerufen wurde und dadurch auch die Kirche in Misskredit geraten sei. Offen bleibt die Frage, inwiefern sich die Impfregeln in Alten- und Pflegeheimen konkretisiert haben. Das hatte der Propst ausgeführt mit Blick auf die Entscheidung im Dezember.

Am gestrigen Donnerstag erklärte St.-Vitus-Geschäftsführerin Susanne Kleine dann, dass der Aufsichtsrat der Einrichtung beschlossen habe, eine unabhängige Untersuchung des Impfgeschehens in Hinblick auf etwaige Regelverstöße in Bezug auf das Ehrenamt durch einen externen Prüfer in Auftrag zu geben.
Ob hierbei der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit geprüft wird oder ob gar einzelne Mitglieder auf den Prüfstand gestellt werden, ist nicht bekannt.uk