Asklepios: Kritik wächst, Vertrauen schwindet

Heftige Diskussion im Kreistag / Sozialministerium hat sich eingeschaltet

Seesen/Goslar. Wenn im Goslarer Kreistagssaal auf der Besuchertribüne die Plätze nicht reichen, muss es brisant sein. Und das war es am vergangenen Montag auch. Gleich vier Dringlichkeitsanträge zu den Asklepios Kliniken im Landkreis Goslar standen auf der Tagesordnung. Die Kritik an den Verantwortlichen wächst, das Vertrauen schwindet weiter – so der einhellige Tenor. Alle Fraktionen sind sich einig, dass gehandelt werden muss. Sogar einen fassungslosen Landrat konnten die Besucher erleben.

Selten geht Landrat Thomas Brych auf einzelne Fälle ein, die ihm geschildert werden. Doch bei dem machte er eine Ausnahme. „Denn es zeigt, wie heruntergewirtschaftet die Kliniken sind.“ Passiert ist der Fall in den Asklepios Harzkliniken Goslar. Ein Rettungsassistent wurde vor Kurzem mit einer schweren Nierenkolik eingeliefert und stationär aufgenommen. Laut Thomas Brych hatte der Patient extreme Schmerzen, er klingelte nach dem Pflegepersonal. Zweimal. Vergebens. Der Patient wusste sich nicht anders zu helfen, wählte den Notruf 112. Der Rettungsdienst verständigte den Notarzt. Ein Arzt aus dem Goslarer Krankenhaus hatte Dienst. „Er kam von einer anderen Station und gab ihm die krampflösende Spritze“, sagte Brych.
Stutzig macht ihn, wenn der Betriebsrat an die Öffentlichkeit geht, weil er keine andere Lösung mehr sieht. „Wir werden mit einer renommierten Kanzlei auch rechtliche Schritte prüfen, auch was die Krankenhausversorgung betrifft“.

Der Wirbel um die Asklepios Harzkliniken hat mittlerweile auch das Sozialministerium in Hannover erreicht. Eine Anfrage stellte die Landtags- und Kreistagsabgeordnete Petra Emmerich-Kopatsch (SPD). Sie spricht darin von „Unzufriedenheit in der Belegschaft, Überlastungen, Kündigungen von exzellenten Chefärzten, all dies trägt nicht zur Vertrauensbildung bei“. Im Kreistag untermauerte sie ihre Argumentation. Vor allem der Ruf des Seesener Krankenhauses, der ihrer Meinung erheblichen Schaden nimmt, leidet. „Bisher gab es eine Warteliste, weil die Klinik nicht alle Anfragen von Patienten nach einer Behandlung zeitnah umsetzen konnte.

Sogar aus Hamburg und Mainz kamen laut Emmerich-Kopatsch Anfragen, sich hier behandeln zu lassen. Patienten folgen dem Ruf einer Klinik. „Die Kündigungen zweier renommierter Ärzte, müssen Warnung genug sein“, fügte die Sozialdemokratin an. „In Anbetracht der aktuellen Berichterstattungen und der Situation der Krankenhäuser in Seesen, Goslar und Clausthal-Zellerfeld beabsichtigt das Sozialministerium, mit der Regionalleitung Asklepios Südniedersachsen auf Fachebene ein Gespräch über die Vorstellungen der Geschäftsleitung zur zukünftigen Versorgung in der Region und zur Weiterentwicklung der Krankenhausstandorte zu führen“, heißt es in der Antwort des Ministeriums, die dem „Beobachter“ vorliegt. Wie Unternehmenssprecher Ralf Nehmzow auf Anfrage mitteilt, lag der Geschäftsführung bis zum gestrigen Dienstag noch keine Gesprächsanfrage aus dem Sozialministerium vor. „Wir sind zu Gesprächen bereit“, unterstrich Nehmzow noch einmal. So hatte die Leitung im Vorfeld der Kreistagssitzung die Fraktionsvorsitzenden zu einer Diskussionsrunde gebeten. „Als Antwort haben wir erhalten, dass sie erst einmal die Gespräche mit Asklepiosgründer und Alleingesellschafter Bernard große Broermann abwarten wollen“, sagt Nehmzow auf Anfrage.

Laut Landrat Thomas Brych hatte er am 28. November einen Brief an große Broermann verfasst und um ein Gespräch in Goslar gebeten. Bereits im Mai 2016 führte Brych mit ihm ein persönliches Gespräch über die Probleme bei Asklepios.

„Es ist das größte Dilemma seit der Privatisierung des Goslarer Krankenhauses“, sagte Linken-Abgeordneter Rüdiger Wohltmann. Er fordert endlich rechtliche Schritte, geredet wird seit sechs Jahren. Vielfach wurde auch im Kreistag von einer Abwärtsspirale gesprochen, die es aufzuhalten gilt. „Es kann nicht sein, dass ein Patient, der am Bein operiert wurde, drei Tage lang keinen Arzt zur operativen Nachkontrolle sieht und diese dann uns Hausärzten obliegt“, schilderte Dr. Jürgen Lauterbach (FDP) seine Erfahrungen. Zwar gibt es engagiertes und kompetentes Personal, aber zu wenig. „Wir müssen gemeinsam Druck erzeugen“, so Lauterbach. Kreistagsmitglied Detlef Vollheyde (Bürgerliste) schildert die Erfahrungen, die seine Frau bei vier Operationen innerhalb von zwei Jahren gemacht hatte. Das Personal ist hoch motiviert, doch „die Pflege wird heruntergespart“, so Vollheyde. Untermauert hat er dies mit Schilderungen aus Gesprächen: „Wenn in der Nacht teilweise eine Pflegekraft für zwei Etagen zuständig ist, kann sich jeder vorstellen, wie belastend das ist“. Carlos Mateo (CDU) kritisierte obendrein den Bundesausschuss, der innerhalb von zwei Jahren nicht in der Lage ist, verbindliche Richtlinien zur Überprüfung der Qualität von Pflege aufzustellen.

Zwei Anträge wurden am Montag im Kreistag einstimmig beschlossen, zum einen die gemeinsame Erklärung des Kreistages zu der Situation an den Asklepios Harzkliniken Goslar und den Asklepios Kliniken Schildautal Seesen (siehe Kasten). Zum anderen die Prüfung und gegebenenfalls Einleitung von rechtlichen Schritten gegen die Asklepios Harzkliniken GmbH in Bezug auf die Situation an der Asklepios Harzklinik Clausthal-Zellerfeld. In den zuständigen Fachausschuss wurden sowohl CDU-Antrag zur Qualitätskontrolle des MDK in den Harzkliniken als auch der Antrag der Bürgerliste zur Einrichtung einer Meldestelle für die Gesundheitsversorgung im Landkreis Goslar gegeben.

Erklärung des Kreistags zu Asklepios im Wortlaut

„Der Kreistag Goslar steht an der Seite der Beschäftigten, der Ärzte und der Patienten an den Kliniken der Asklepios Harzkliniken GmbH im Landkreis Goslar. Der seit Jahren immer wieder schwelende Konflikt zwischen der Belegschaft und der Geschäftsführung lässt den Schluss zu, dass die Belastungsgrenzen der Beschäftigten weit überschritten sind. Beschäftigte, die mit viel Engagement arbeiten und ihren Beruf lieben, können aufgrund der derzeitigen Situation ihren Beruf scheinbar nicht so ausüben, wie sie es gern tun würden. Negative Meldungen, kurzfristige Wechsel beim Ärztepersonal und Zwistigkeiten verunsichern die Bevölkerung und der Ruf der Häuser ist schwer beschädigt.

Der Kreistag Goslar fordert die Geschäftsführung der Asklepios Harzkliniken GmbH auf, alles zu tun, diese absolut schwierige Situation schnellstmöglich zur Zufriedenheit von Patienten und Belegschaft zu lösen und entsprechend die immer wieder öffentlich diskutierten Personalengpässe durch Einstellungen nachhaltig zu lösen. Gemeinsames Ziel muss sein, den Ruf der von Asklepios geführten Krankenhäuser wiederherzustellen und den Einwohnern des Landkreises ein sicheres Gefühl zu geben, falls ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden würde.“syg