Auch den Aufsichtsrat geimpft! Alten- und Pflegezentrum St. Vitus steht in der Kritik

Imfpliste des Altenheimes sorgt für Erstaunen / Propst Gleicher weist Vorwürfe entschieden zurück: „Alle Mitarbeiter und auch die Ehrenamtlichen, die geimpft wurden, stehen in Kontakt mit den Bewohnern!” / „Würde es auch wieder so entscheiden!”

Alles war bestens vorbereitet, und so konnte es dann auch gleich losgehen – so berichtete der „Beoachter im Januar über die Impfungen im St. Vitus Seesen. Zwei mobile Impfteams des Landkreis Goslar waren im Evangelischen Alten- und Pflegezentrum eingetroffen, um die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Mitarbeitenden gegen die Corona-Erkrankung zu impfen. Sie bestanden aus jeweils einem Mediziner, einer Person für die Dokumentation und einer Assistentin. „Die Impfungen wurden zügig vorgenommen, die Atmosphäre war gelöst und freundlich; die Impfwilligen waren froh, dass sie endlich eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus empfangen konnten“, schilderte Susanne Kleine, Heimleitung, den Ablauf der Aktion. Dass auch der siebenköpfige Aufsichtsrat geimpft wurde, stößt nunmehr auf Kritik.

Seesen. Gehörig in die Kritik geraten ist das Alten- und Pflegezentrum St. Vitus in Seesen. Auslöser dafür ist ein Artikel in der Goslarschen Zeitung am Wochenende, in dem sich die Zeitung mit der Impfpraxis in der Seesener Einrichtung in der Glosse „Moment mal...“ auseinandersetzt. Der Vorwurf: Neben den rund 100 Bewohnern, die gegen das Corona-Virus am 9. und zum zweiten Mal dann am 30. Januar dieses Jahres geimpft wurden, soll es auch eine Reihe von Personen auf der vom St. Vitus selbst erstellten Liste gegeben haben, die noch gar nicht an der Reihe waren.

Kommunalpolitiker, kirchliche Würdenträger oder Polizisten: Zahlreiche Berichte über Personen, die sich unberechtigterweise gegen das Coronavirus haben impfen lassen, haben in den vergangenen Wochen bundesweit die Runde gemacht. Ein hochsensibles Thema in der Zeit der Pandemie. Das Problem liegt auf der Hand: Der Impfstoff ist sehr knapp, viele ältere Menschen in Deutschland, die der Impfgruppe eins mit höchster Priorität zuzuordnen sind, warten weiterhin auf eine Impfung. Wenn dann Bürgermeister oder Landräte eine Bevorzugung erhalten, löst das Unmut aus.

Im St. Vitus in Seesen geht es jetzt um den Aufsichtsrat, dessen Mitglieder sich bei den besagten Impfterminen im Januar bereits haben impfen lassen. War das konform oder nicht? Der „Beobachter“ hat diese Frage zum Anlass genommen, um mit den beteiligten Personen das Gespräch zu suchen. Propst Thomas Gleicher, Aufsichtsratsvorsitzender des St. Vitus, Heimleitung Susanne Kleine und Helmut Schwabe vom Vorstand standen dem „Beobachter“ für eine rund einstündige Zoom-Videokonferenz zum Gespräch zur Verfügung und schilderten die Dinge aus ihrer Sicht.

Propst Thomas Gleicher wies darauf hin, dass alle Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung nunmehr geimpft seien, das betreffe die hauptamtlichen Mitarbeiter, aber auch das Ehrenamt, von dem das St. Vitus lebe. „Das erstreckt sich von der Akkordeonmusik bis hin zur Sterbebegleitung. Und auch der Aufsichtsrat ist bei uns ehrenamtlich in das operative Geschäft eingebunden und daher ist es völlig berechtigt, dass auch die Mitglieder des Aufsichtsrates geimpft wurden“, so Gleicher im Gespräch. Er erklärte, selbst nahezu täglich im Kontakt mit den Bewohnern zu stehen. Auch Gleicher ist nunmehr geimpft.

Thomas Gleicher: „Wir hätten eher etwas Falsches getan, wenn wir diesen Personenkreis nicht hätten impfen lassen!”

Ob Pflegekräfte, Verwaltung oder Leitung – alle hätten Kontakt zu den Bewohnern. Über die Vorwürfe, die nun im Raum stehen, sei man erschrocken und erstaunt. Nachvollziehen könne man das nicht. Man hätte eher etwas Falsches getan, wenn man diesen Personenkreis nicht geimpft hätte, so der Propst im Videogespräch mit unserer Zeitung.

Auf die strengen Hygienemaßnahmen im St. Vitus ging Heimleitung Susanne Kleine ein und rief den Ablauf der Impfung noch einmal in Erinnerung. Wichtig war ihr dabei auch mitzuteilen, dass man nicht einen einzigen Corona-Fall im Heim gehabt habe, ein Zeichen dafür, wie gut auch die getroffenen Maßnahmen seit Ausbruch der Pandemie gegriffen hätten. Man habe sich bereits im November um eine Impfung beworben, der Landkreis Goslar habe dann am 5. Januar die ersten Vakzine verimpfen können, das St. Vitus sei am 9. Januar an der Reihe gewesen. Von den 101 Bewohnern, so Kleine, seien nahezu alle, nämlich 97 oder 98 geimpft worden, von den Mitarbeitern etwa drei Viertel, insgesamt rund 170 geimpfte Personen also.

„Unser Bestreben war es auch, den Aufsichtsrat impfen zu lassen“, lässt Gleicher keinen Zweifel aufkommen, dass er die Entscheidung weiter voll und ganz für richtig hält. Auf die Frage, ob man nicht in Betracht gezogen hätte, die Liste um einige Personen zu kürzen, weil schließlich die Ressourcen knapp seien, erklärte Gleicher: „Dass der Impfstoff so knapp war, war zu dem Zeitpunkt nicht klar, und das hätte auch keine Rolle gespielt.“
Helmut Schwabe: „Das Wort hat mich schon sehr gestört, wir sind doch keine Impfdrängler“

Helmut Schwabe vom Vorstand stört an der aufkommenden Diskussion, dass einige Personen nun als sogenannte Impfdrängler dargestellt wurden. „Das Wort hat mich schon sehr gestört, wir sind doch keine Impfdrängler“, so Schwabe. Man habe ein Angebot vom Landkreis erhalten und dieses wurde angenommen.

Mehr nicht!

Auch Propst Gleicher verstärkt diesen Gedanken. „Der Ansatz sollte doch nicht sein, dass einige keinen Impfstoff erhalten, sondern dass niemand unserer Mitarbeiter etwas von außen in die Einrichtung bringt.“ Sprich den Virus. Alle geimpften Personen seien an den Aktivitäten im Alten- und Pflegezentrum St. Vitus beteiligt. Auch der Aufsichtsrat. „Wir haben uns regelkonform verhalten, außerdem haben wir das gar nicht eingefordert. Unsere Verantwortung ist hier vor Ort, und das Impfmaterial haben wir dafür genutzt. Jeder muss das Optimale für seine Einrichtung erreichen in Sachen Sicherheit“, so Gleicher, der hinterfragte, was es für eine Einstellung sei, Personen auszugrenzen. Der Aufsichtsrat übe im Haus die Aufsicht, da müsse auch auf die Stationen gegangen werden. Außerdem habe man derzeit ein großes Bauprojekt, das ebenfalls die Präsenz vor Ort erfordere. Insgesamt, so erklärten Kleine, Gleicher und Schwabe, sei es sehr ungerecht, in welches Licht das Alten- und Pflegezentrum nunmehr gerückt werde. Man habe lediglich in Anspruch genommen, was man auch in Anspruch nehmen durfte. Auf die Frage, ob man aus heutiger Sicht genauso handeln würde, wie im Januar, antworteten alle uneingeschränkt mit einem „Absolut ja!“ Man wolle ja schließlich dafür sorgen, dass das Haus coronafrei bleibe.uk